Ein schmales Büchlein, fast so alt wie ich selbst. Mit so aktuell klingenden Analysen, daß es fast unheimlich wirkt – haben wir in 60 Jahren wirklich nichts gelernt?
Aber auch mit wunderschönen Gedanken, die anregen und in die Zukunft weisen.
Unten von beidem eine (nur etwas lang geratene) Reihe Kostproben – dabei ist nicht Übereinstimmung mit allem Gesagten gefragt, sondern sich anregen zu lassen – und vielleicht auch das ganze Büchlein in Ruhe zu studieren – dies ist meine Leseempfehlung für Erich Fromm „Die Kunst des Liebens“ (1956).
Euer Luckyhans
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Aus dem Inhalt:
Ist Lieben eine Kunst?
Die Theorie der Liebe
Die Praxis des Liebens
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Denkschubser:
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Die meisten Menschen sehen das Problem der Liebe in erster Linie als das Problem, selbst geliebt zu werden statt zu lieben und lieben zu können.
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Der Mensch ist mit Vernunft ausgestattet; er ist Leben, das sich seiner selbst bewußt ist.
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Die Erfahrung dieses Abgetrenntseins erregt Angst, ja sie ist tatsächlich die Quelle aller Angst.
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Das Bewußtsein der menschlichen Getrennheit ohne die Wiedervereinigung durch die Liebe ist die Quelle der Scham. Und es ist gleichzeitig die Quelle von Schuldgefühl und Angst.
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Am klarsten hat dies Kant formuliert, als er sagte, kein Mensch dürfe einem anderen Mittel zum Zweck sein, und die Menschen seien sich daher insofern gleich, als sie alle Zweck und nur Zweck und niemals Mittel füreinander seien.
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Gleichheit bedeutet heute „Dasselbe-Sein“ und nicht mehr „Eins-Sein“.
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Im Gegensatz zur symbiotischen Vereinigung ist die reife Liebe eine Vereinigung, bei der die eigene Integrität und Individualität bewahrt bleibt. Liebe ist eine aktive Kraft im Menschen.
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Liebe ist eine Aktivität und kein passiver Affekt. Sie ist etwas, das man in sich selbst entwickelt, nicht etwas, dem man verfällt. Ganz allgemein kann man den aktiven Charakter der Liebe so beschreiben, daß man sagt, sie ist in erster Linie ein Geben und nicht ein Empfangen.
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Für den produktiven Charakter hat das Geben eine ganz andere Bedeutung. Für ihn ist Geben höchster Ausdruck seines Vermögens. Gerade im Akt des Schenkens erlebe ich meine Stärke, meinen Reichtum, meine Macht.
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Nicht der ist reich, der viel hat, sondern der, der viel gibt.
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Was gibt ein Mensch dem anderen? Er gibt etwas von sich selbst, vom Kostbarsten, das er besitzt, er gibt etwas von seinem Leben. Das bedeutet nicht unbedingt, daß er sein Leben für den anderen opfert – sondern daß er ihm etwas von dem gibt, was in ihm lebendig ist; er gibt ihm etwas von seiner Freude, von seinem Interesse, von seinem Verständnis, von seinem Wissen, von seinem Humor, von seiner Traurigkeit – von allem, was in ihm lebendig ist. Indem er dem anderen auf diese Weise etwas von seinem Leben abgibt, bereichert er ihn, steigert er beim anderen das Gefühl des Lebendigsein und er stärkt damit auch das Gefühl des Lebendigsein in sich selbst. Er gibt nicht, um selbst etwas zu empfangen; das Geben ist an und für sich eine erlesene Freude.
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Die Liebe ist eine Macht, die Liebe erzeugt.
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Liebe ist die tätige Sorge für das Leben und das Wachstum dessen, was wir lieben.
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Das Leben seines Bruders geht nicht nur diesen Bruder, sondern auch ihn an.
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Die Liebe ist das Kind der Freiheit, niemals das der Beherrschung.
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Fürsorge, Verantwortungsgefühl, Achtung und Erkenntnis stehen miteinander in engem Zusammenhang.
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Infantile Liebe folgt den Prinzip: „Ich liebe, weil ich geliebt werde.“ Reife Liebe folgt dem Prinzip: „Ich werde geliebt, weil ich liebe.“ Unreife Liebe sagt: „Ich liebe dich, weil ich dich brauche.“ Reife Liebe sagt: „Ich brauche dich, weil ich dich liebe.“
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Liebe ist nicht in erster Linie eine Bindung an eine bestimmte Person. Sie ist eine Haltung, eine Charakter-Orientierung, welche die Bezogenheit eines Menschen zur Welt als Ganzes und nicht nur zu einem einzigen „Objekt“ der Liebe bestimmt.
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Weil man nicht erkennt, daß die Liebe ein Tätigsein, eine Kraft der Seele ist, meint man, man brauch nur das richtige Objekt dafür zu finden, und alles andere gehe dann von selbst.
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Nächstenliebe ist Liebe zu allen menschlichen Wesen.
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Nächstenliebe ist Liebe zwischen Gleichen.
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Erotische Liebe ist zwar exklusiv, aber sie liebt im anderen die ganze Menschheit, alles Lebendige.
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Wir alle sind eins – und trotzdem ist jeder von uns ein einzigartiges, nicht wiederholbares Wesen.
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Liebe zu meinem Selbst ist untrennbar mit der Liebe zu allen anderen Wesen verbunden.
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Liebe ist grundsätzlich unteilbar; man kann die Liebe zu anderen Liebes-„Objekten“ nicht von der Liebe zum eigenen Selbst trennen.
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Die Bejahung des eigenen Lebens, des eigenen Glücks und Wachstums und der eigenen Freiheit ist in der Liebesfähigkeit eines jeden verwurzelt.
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Selbstsucht und Selbstliebe sind keineswegs identisch, sondern in Wirklichkeit Gegensätze. Der Selbstsüchtige liebt sich selbst nicht zu sehr, sondern zu wenig; tatsächlich haßt er sich.
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Es stimmt zwar, daß selbstsüchtige Menschen unfähig sind, andere zu lieben, aber sie sind auch nicht fähig, sich selbst zu lieben.
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Die Entwicklung der menschlichen Rasse kann man nach allem, was wir darüber wissen, als die Loslösung des Menschen von der Natur, von der Mutter, von der Bindung an Blut und Boden charakterisieren.
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Alle Menschen sind gleich, weil sie alle Kinder einer Mutter sind, weil sie alle Kinder der Mutter Erde sind.
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Die einzige Möglichkeit, die Welt letztlich zu erfassen, liegt nicht im Gedanken, sondern in dem Erlebnis von Einssein.
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Für die Liebe gibt es nur einen Beweis: die Tiefe der Beziehung und die Lebendigkeit und Stärke in jedem der Liebenden.
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Liebe ist eine persönliche Erfahrung, die jeder nur für sich allein haben kann.
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Vernunft ist die Fähigkeit, objektiv zu denken, die ihr zurgunde liegende emotionale Haltung ist die Demut. Man kann nur objektiv sein und sich seiner Vernunft bedienen, wenn man demütig geworden ist und seine Kindheitsträume von Allwissenheit und Allmacht überwunden hat.
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Die Praxis der Kunst des Liebens erfordert die Praxis des Glaubens.
Was ist Glauben? … Wenn man das Problem des Glaubens auch nur ansatzweise verstehen will, muß man zwischen dem rationalen und dem irrationalen Glauben unterscheiden. Unter einem irrationalen Glauben verstehe ich einen Glauben (an eine Person oder eine Idee), bei dem man sich einer irrationalen Autorität unterwirft.
Im Gegensatz dazu handelt es sich beim rationalen Glauben um eine Überzeugung, die im eigenen Denken oder Fühlen wurzelt. Rationaler Glauben meint jene Qualität von Gewißheit und Unerschütterlichkeit, die unseren Überzeugungen eigen ist.
Glaube ist ein Charakterzug, der die Gesamtpersönlichkeit beherrscht, und nicht ein Glaube an etwas Bestimmtes.
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Der Höhepunkt des Glaubens wird im Glauben an die Menschheit erreicht. … Genau wie der Glaube an ein Kind gründet auch er sich auf die Idee, daß die dem Menschen gegebenen Möglichkeiten derart sind, daß er unter entsprechenden Bedingungen die Fähigkeit besitzt, eine von den Grundsätzen der Gleichheit, Gerechtigkeit und Liebe getragene Gesellschaftsordnung zu erreichten.
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Es gibt keinen rationalen Glauben an die Macht. … Da aber Glaube und Macht sich gegenseitig ausschließen, werden alle Religionen und alle politischen Systeme, die ursprünglich auf einen rationalen Glauben gründeten, schließlich korrupt und verlieren ihre Stärke, wenn sie sich auf ihre Macht verlassen oder sich mit der Macht verbünden.
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Glauben erfordert Mut. … Glauben kann man tatsächlich jeden Augenblick üben. … Zu seinem Urteil über einen anderen Menschen auch dann zu stehen, wenn die öffentliche Meinung oder irgendwelche unvorhergesehenen Ereignisse den Anschein erwecken, daß man sich irrte; an seinen Überzeugungen festzuhalten, auch wenn sie unpopulär sind – zu all dem ist Glaube und Mut erforderlich. Die Schwierigkeiten, Rückschläge und Kümmernisse des Lebens als Herausforderung anzusehen, deren Überwindung uns stärkt, anstatt sie als gerechte Strafe zu betrachten, die wir nicht verdient haben, das erfordert Glauben und Mut.
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Seinen Nächsten lieben heißt sich für ihn verantwortlich und sich eins mit ihm zu fühlen, …
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Gesellschafts-Analyse:
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… Hierarchie der Werte… Das Kapital dirigiert die Arbeitskraft; angesammelte, tote Dinge besitzen einen höheren Wert als das Lebendige, die menschliche Arbeitskraft und Energie.
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Der moderne Kapitalismus braucht Menschen, die in großer Zahl reibungslos funktionieren, die immer mehr konsumieren wollen, deren Geschmack standardisiert ist und leicht vorausgesehen und beeinflußt werden kann.
Er braucht Menschen, die sich frei und unabhängig vorkommen und meinen, für sie gebe es keine Autorität, keine Prinzipien und kein Gewissen – und die trotzdem bereit sind, sich kommandieren zu lassen, zu tun, was man von ihnen erwartet, und sich reibungslos in die Gesellschaftsmaschinerie einzufügen; Menschen, die sich führen lassen, ohne daß man Gewalt anwenden muß, die sich ohne Führer führen lassen und die kein eigentliches Ziel haben außer dem, den Erwartungen zu entsprechen, in Bewegung zu bleiben, zu funktionieren und voranzukommen.
Was kommt dabei heraus? Der moderne Mensch ist sich selbst, seinen Mitmenschen und der Natur entfremdet. Er hat sich in eine Gebrauchsware verwandelt und erlebt seine Lebenskräfte als Kapitalanlage, die ihm unter den gegebenen Marktbedingungen den größtmöglichen Profit einzubringen hat. Die menschlichen Beziehungen sind im wesentlichen die von entfremdeten Automaten.
Jeder glaubt sich dann in Sicherheit, wenn er möglichst dicht bei der Herde bleibt und sich in seinem Denken, Fühlen und Handeln nicht von den anderen unterscheidet. Während aber jeder versucht, den übrigen so nahe wie möglich zu sein, bleibt er doch völlig allein und hat ein tiefes Gefühl der Unsicherheit, Angst und Schuld, wie es immer dann entsteht, wenn der Mensch sein Getrenntsein nicht zu überwinden vermag.
Unsere Zivilisation verfügt über viele Betäubungsmittel, die den Leuten helfen, sich ihres Alleinseins nicht bewußt zu werden: Da ist vor allem die strenge Routine der bürokratischen, mechanischen Arbeit, die verhindern hilft, daß sich die Menschen ihres tiefsten Bedürfnisses, des Verlangens nach Transzendenz und Einheit, bewußt werden. Da die Arbeitsroutine hierzu nicht ausreicht, überwindet der Mensch seine unbewußte Verzweiflung durch die Routine des Vergnügens, durch den passiven Konsum von Tönen und Bildern, wie sie ihm die Vergnügungsindustrie bietet; außerdem durch die Befriedigung, ständig neue Dinge zu kaufen und diese bald wieder gegen andere auszuwechseln.
Der moderne Mensch kommt tatsächlich dem Bild nahe, das Aldous Huxley in seinem Roman „Brave new world“ (1946) beschreibt: Er ist gut genährt, gut gekleidet und sexuell befriedigt, aber ohne Selbst und steht nur in einem höchst oberflächlichen Kontakt zu seinen Mitmenschen. Dabei wird er von Devisen geleitet, die Huxley äußerst treffend formuliert hat: „Wenn der Einzelne fühlt, wird die Gesellschaft von Schwindel erfaßt.“ Oder: „Verschiebe ein Vergnügen nie auf morgen, wenn du es heute haben kannst.“ Oder die Krone von allem: „Heutzutage ist jeder glücklich.“
Des Menschen Glück besteht heute darin, „seinen Spaß zu haben“. Und man hat seinen Spaß, wenn man sich Gebrauchsgüter, Bilder, Essen, Trinken, Zigaretten, Menschen, Zeitschriften, Bücher und Filme „einverleibt“, indem man alles konsumiert, alles verschlingt.
Die Welt ist nur noch zur Befriedigung unseres Appetits, sie ist ein riesiger Apfel, eine riesige Flasche, eine riesige Brust, und wir sind die Säuglinge, die ewig auf etwas warten, ewig auf etwas hoffen und ewig enttäuscht werden.
Unser Charakter ist darauf eingestellt, zu tauschen und Dinge in Empfang zu nehmen, zu handeln und zu konsumieren. Alles und jedes – geistige wie materielle Dinge – werden zu Objekten des Tausches und des Konsums.
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In zahllosen Artikeln über die glückliche Ehe wird deren Idealform als ein reibungslos funktionierendes Team beschrieben.
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Man schließt zu zweit einen Bund gegen die Welt und hält diesen egoisme a deux irrtümlich für Liebe und Vertrautheit.
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Die Befriedigung eines Wunsches unter keinen Umständen hinauszuschieben, wurde im Bereich der Sexualität wie beim materiellem Konsum zum herrschenden Prinzip.
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Die Liebe als gegenseitige sexuelle Bedriedigung und die Liebe als „Teamwork“ und schützender Hafen vor der Einsamkeit sind die beiden „normalen“ Formen des Verfalls der Liebe in der modernen westlichen Gesellschaft. Sie stellen die gesellschatflich bedingte Pathologie der Liebe dar.
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Ziel ist es, geliebt zu werden, nicht zu lieben.
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Der moderne Mensch hat sich in eine Ware verwandelt; er erlebt seine Lebensenergie als Investition, mit der er entsprechend seiner Stellung und seiner Situation auf dem Personalmarkt einen möglichst hohen Profit erzielen möchte. Er ist sich selbst, seinen Mitmenschen und der Natur entfremdet. Sein Hauptziel ist es, mit seinen Fertigkeiten, seinem Wissen und sich selbst, kurz mit seiner „Persönlichkeit“ ein möglichst gutes Geschäft zu machen mit anderen, die genau wie er an einem fairen und gewinnbringenden Tauschhandel interessiert sind. Sein Leben hat kein Ziel außer dem einen: voranzukommen; keine Grundsatz außer dem einen: ein faires Tauschgeschäft zu machen; er kennt keine Befriedigung außer der einen: zu konsumieren.
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Mache Gott zu deinem Partner bedeutet, man solle Gott zu seinem Geschäftspartner machen, anstatt eins mit Gott zu werden in Liebe, Gerechtigkeit und Wahrheit. Genauso wie die biblische Nächstenliebe durch die unpersönliche Fairneß ersetzt wurde, hat man Gott in einen weit entfernten Generaldirektor einer Universum GmbH verwandelt.
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So gibt es zum Beispiel viele, die noch nie einen liebenden Menschen oder einen Menschen gesehen haben, der Integrität, Mut oder Konzentrationsfähigkeit besitzt.
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Menschen, die unter unserem gegenwärtigen System zur Liebe fähig sind, bilden in jedem Fall die Ausnahme. Liebe ist zwangsweise eine Randerscheinung in der heutigen westlichen Gesellschaft, und das nicht so sehr, weil viele Tätigkeiten eine liebevolle Einstellung ausschließen, sondern weil in unserer hauptsächlich auf Produktion eingestellten, nach Gebrauchsgütern gierenden Gesellschaft nur der Nonkonformist sich erfolgreich gegen diesen Geist zur Wehr setzen kann.
Wem also die Liebe als einzige vernünftige Lösung des Problems der menschlichen Existenz am Herzen liegt, der muß zu dem Schluß kommen, daß in unserer Gesellschaftsstruktur wichtige und radikale Veränderungen vorgenommen werden müssen, wenn die Liebe zu einem gesellschaftlichen Phänomen werden und nicht eine höchst individuelle Radnerscheinung bleiben soll.
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Der Glaube an die Möglichkeit der Liebe als einem gesellschaftlichen Phänomen und nicht nur als eine individullen Ausnahmeerscheinung ist ein rationaler Glaube, der sich auf die Einsicht in das wahre Wesen des Menschen gründet.
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P.S. wer bestimmte Formulierungen in neueren Ausgaben etwas anders vorfindet, der sehe auf das Erscheinungsdatum – meine obigen Zitate sind der gedruckten Ullstein-Ausgabe von 1980 entnommen – neuere Ausgaben, obwohl ebenfalls als „Deutsche Originalausgabe“ tituliert, enthalten sehr viele Aussagen mehr „stromlinienförmig“ verändert – eine bemerkenswerte Erkenntnis, die ich beim Vergleich des gedruckten Büchleins mit der „moderneren“ pdf machen durfte…
Hat dies auf Der Geist der Wahrheit.. rebloggt und kommentierte:
Die Kunst zu lieben
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Auszug aus „Die Kunst des Liebens“ von Erich Fromm
Aus Erich Fromm “Die Kunst des Liebens”
Ist Lieben eine Kunst? Wenn es das ist, dann wird von
dem, der diese Kunst beherrschen will, verlangt, dass er
etwas weiß und dass er keine Mühe scheut. Oder ist die
Liebe nur eine angenehme Empfindung, die man rein zufällig
erfährt, etwas, was einem sozusagen »in den Schoß
fällt«, wenn man Glück hat? Dieses kleine Buch geht davon
aus, dass Lieben eine Kunst ist, obwohl die meisten
Menschen heute zweifellos das letztere annehmen.
Nicht als ob man meinte, die Liebe sei nicht wichtig.
Die Menschen hungern geradezu danach; sie sehen sich
unzählige Filme an, die von glücklichen oder unglücklichen
Liebesgeschichten handeln, sie hören sich Hunderte
von kitschigen Liebesliedern an – aber kaum einer
nimmt an, dass man etwas tun muss, wenn man es lernen
will zu lieben.
Diese merkwürdige Einstellung beruht auf verschiedenen
Voraussetzungen, die einzeln oder auch gemeinsam
dazu beitragen, dass sie sich am Leben halten kann. Die
meisten Menschen sehen das Problem der Liebe in erster
Linie als das Problem, selbst geliebt zu werden, statt
zu lieben und lieben zu können. Daher geht es für sie nur
darum, wie man es erreicht, geliebt zu werden, wie man
liebenswert wird. Um zu diesem Ziel zu gelangen, schlagen
sie verschiedene Wege ein. Der eine, besonders von
Männern verfolgte Weg ist der, so erfolgreich, so mächtig
und reich zu sein, wie es die eigene gesellschaftliche Stellung
möglich macht. Ein anderer, besonders von Frauen
bevorzugter Weg ist der, durch Kosmetik, schöne Kleider
und dergleichen möglichst attraktiv zu sein. Andere Mittel,
die sowohl von Männern als auch von Frauen ange-
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wandt werden, sind angenehme Manieren, interessante
Unterhaltung, Hilfsbereitschaft, Bescheidenheit und Gutmütigkeit.
Viele dieser Mittel, sich liebenswert zu machen,
sind die gleichen wie die, deren man sich bedient,
um Erfolg zu haben, um »Freunde zu gewinnen«. Tatsächlich
verstehen ja die meisten Menschen unseres Kulturkreises
unter Liebenswürdigkeit eine Mischung aus Beliebtheit
und Sex-Appeal.
Hinter der Einstellung, dass man nichts lernen müsse,
um lieben zu können, steckt zweitens die Annahme, es
gehe bei dem Problem der Liebe um ein Objekt und nicht
um eine Fähigkeit. Viele Menschen meinen, zu lieben sei
ganz einfach, schwierig sei es dagegen, den richtigen Partner
zu finden, den man selbst lieben könne und von dem
man geliebt werde. Diese Einstellung hat mehrere Ursachen,
die mit der Entwicklung unserer modernen Gesellschaft
zusammenhängen. Eine Ursache ist die starke Veränderung
Veränderung,
die im zwanzigsten Jahrhundert bezüglich der
Wahl des »Liebesobjektes« eingetreten ist. Im Viktorianischen
Zeitalter war die Liebe – wie in vielen traditionellen
Kulturen – kein spontanes persönliches Erlebnis, das
hinterher vielleicht zu einer Heirat führte. Ganz im Gegenteil:
Ein Heiratsvertrag wurde entweder zwischen den
beiden Familien oder von einem Heiratsvermittler oder
auch ohne eine derartige Vermittlung abgeschlossen; der
Abschluss erfolgte aufgrund gesellschaftlicher Erwägungen
unter der Annahme, dass sich die Liebe nach der Heirat
schon einstellen werde. In den letzten Generationen
ist nun aber die Vorstellung von der romantischen Liebe
in der westlichen Welt fast Allgemeingut geworden. Wenn
in den Vereinigten Staaten auch Erwägungen herkömmlicher
Art nicht völlig fehlen, so befinden sich doch die
meisten auf der Suche nach der »romantischen Liebe«,
nach einer persönlichen Liebeserfahrung, die dann zur
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Ehe führen sollte. Diese neue Auffassung von der Freiheit
in der Liebe musste notwendigerweise die Bedeutung des
Objektes der Liebe – im Gegensatz zu ihrer Funktion –
noch verstärken.
In engem Zusammenhang hiermit steht ein weiterer
charakteristischer Zug unserer heutigen Kultur. Unsere
gesamte Kultur gründet sich auf die Lust am Kaufen, auf
die Idee des für beide Seiten günstigen Tauschgeschäfts.
Schaufenster anzusehen und sich alles, was man sich leisten
kann, gegen bares Geld oder auf Raten kaufen zu
können, in diesem Nervenkitzel liegt das Glück des modernen
Menschen. Er (oder sie) sieht sich die Mitmenschen
auf ähnliche Weise an. Der Mann ist hinter einem attraktiven
jungen Mädchen und die Frau ist hinter einem
attraktiven Mann her. Dabei wird unter »attraktiv« ein
Bündel netter Eigenschaften verstanden, die gerade beliebt
und auf dem Personalmarkt gefragt sind. Was einen
Menschen speziell attraktiv macht, hängt von der jeweiligen
Mode ab – und zwar sowohl in körperlicher wie auch
in geistiger Hinsicht. In den zwanziger Jahren galt ein
junges Mädchen, das robust und sexy war und das zu
trinken und zu rauchen wusste, als attraktiv; heute verlangt
die Mode mehr Zurückhaltung und Häuslichkeit.
Ende des neunzehnten und Anfang unseres Jahrhunderts
musste der Mann ehrgeizig und aggressiv sein – heute
muss er sozial und tolerant eingestellt sein, um als attraktiv
zu gelten. Jedenfalls entwickelt sich das Gefühl der
Verliebtheit gewöhnlich nur in Bezug auf solche menschlichen
Werte, für die man selbst entsprechende Tauschobjekte
zur Verfügung hat. Man will ein Geschäft machen;
der erwünschte Gegenstand sollte vom Standpunkt seines
gesellschaftlichen Wertes aus begehrenswert sein und
gleichzeitig auch mich aufgrund meiner offenen und verborgenen
Pluspunkte und Möglichkeiten begehrenswert
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finden. So verlieben sich zwei Menschen ineinander, wenn
sie das Gefühl haben, das beste Objekt gefunden zu haben,
das für sie in Anbetracht des eigenen Tauschwerts
auf dem Markt erschwinglich ist. Genau wie beim Erwerb
eines Grundstücks spielen auch bei diesem Geschäft
oft noch entwicklungsfähige, verborgene Möglichkeiten
eine beträchtliche Rolle. In einer Kultur, in der die Marketing-
Orientierung vorherrscht, in welcher der materielle
Erfolg der höchste Wert ist, darf man sich kaum darüber
wundern, dass sich auch die menschlichen Liebesbeziehungen
nach den gleichen Tauschmethoden vollziehen,
wie sie auf dem Waren- und Arbeitsmarkt herrschen.
Der dritte Irrtum, der zu der Annahme führt, das Lieben
müsste nicht gelernt werden, beruht darauf, dass
man das Anfangserlebnis, »sich zu verlieben«, mit dem
permanenten Zustand »zu lieben« verwechselt. Wenn zwei
Menschen, die einander fremd waren – wie wir uns das ja
alle sind –, plötzlich die trennende Wand zwischen sich
zusammenbrechen lassen, wenn sie sich eng verbunden,
wenn sie sich eins fühlen, so ist dieser Augenblick des
Einsseins eine der freudigsten, erregendsten Erfahrungen
im Leben. Besonders herrlich und wundervoll ist er für
Menschen, die bisher abgesondert, isoliert und ohne Liebe
gelebt haben. Dieses Wunder der plötzlichen innigen Vertrautheit
wird oft dadurch erleichtert, dass es mit sexueller
Anziehung und sexueller Vereinigung Hand in Hand
geht oder durch sie ausgelöst wird. Freilich ist diese Art
Liebe ihrem Wesen nach nicht von Dauer. Die beiden
Menschen lernen einander immer besser kennen, und dabei
verliert ihre Vertrautheit immer mehr den geheimnisvollen
Charakter, bis ihr Streit, ihre Enttäuschungen, ihre
gegenseitige Langeweile die anfängliche Begeisterung getötet
haben. Anfangs freilich wissen sie das alles nicht
und meinen, heftig verliebt und »verrückt« nacheinander
zu sein, sei der Beweis für die Intensität ihrer Liebe, während
es vielleicht nur beweist, wie einsam sie vorher waren.
Diese Auffassung, nichts sei einfacher als zu lieben,
herrscht noch immer vor, trotz der geradezu überwältigenden
Gegenbeweise. Es gibt kaum eine Aktivität, kaum
ein Unterfangen, das mit so ungeheuren Hoffnungen und
Erwartungen begonnen wurde und das mit einer solchen
Regelmäßigkeit fehlschlägt wie die Liebe. Wäre das auf
irgendeinem anderen Gebiet der Fall, so würde man alles
daransetzen, die Gründe für den Fehlschlag herauszufinden
und in Erfahrung zu bringen, wie man es besser machen
könnte – oder man würde es aufgeben. Da letzteres im
Falle der Liebe unmöglich ist, scheint es doch nur einen
richtigen Weg zu geben, um ein Scheitern zu vermeiden: die
Ursachen für dieses Scheitern herauszufinden und außerdem
zu untersuchen, was »lieben« eigentlich bedeutet.
Der erste Schritt auf diesem Wege ist, sich klarzumachen,
dass Lieben eine Kunst ist, genauso wie Leben eine
Kunst ist; wenn wir lernen wollen zu lieben, müssen wir
genauso vorgehen, wie wir das tun würden, wenn wir
irgendeine andere Kunst, zum Beispiel Musik, Malerei,
das Tischlerhandwerk oder die Kunst der Medizin oder
der Technik lernen wollten.
Welches sind die notwendigen Schritte, um eine Kunst zu
erlernen?
Man kann den Lernprozess in zwei Teile aufteilen: Man
muss einerseits die Theorie und andererseits die Praxis
beherrschen. Will ich die Kunst der Medizin erlernen, so
muss ich zunächst die Fakten über den menschlichen
Körper und über die verschiedenen Krankheiten wissen.
Wenn ich mir diese theoretischen Kenntnisse erworben
habe, bin ich aber in der Kunst der Medizin noch keineswegs
kompetent. Ich werde erst nach einer langen Pra-
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xis zu einem Meister in dieser Kunst, erst dann, wenn
schließlich die Ergebnisse meines theoretischen Wissens
und die Ergebnisse meiner praktischen Tätigkeit miteinander
verschmelzen und ich zur Intuition gelangen, die
das Wesen der Meisterschaft in jeder Kunst ausmacht.
Aber abgesehen von Theorie und Praxis muss noch ein
dritter Faktor gegeben sein, wenn wir Meister in einer
Kunst werden wollen: Die Meisterschaft in dieser Kunst
muss uns mehr als alles andere am Herzen liegen; nichts
auf der Welt darf uns wichtiger sein als diese Kunst. Das
gilt für die Musik wie für die Medizin und die Tischlerei –
und auch für die Liebe. Und hier haben wir vielleicht
auch die Antwort auf unsere Frage, weshalb die Menschen
unseres Kulturkreises diese Kunst nur so selten zu
lernen versuchen, obwohl sie doch ganz offensichtlich daran
scheitern: Trotz unserer tiefen Sehnsucht nach Liebe
halten wir doch fast alles andere für wichtiger als diese:
Erfolg, Prestige, Geld und Macht. Unsere gesamte Energie
verwenden wir darauf zu lernen, wie wir diese Ziele
erreichen, und wir bemühen uns so gut wie überhaupt
nicht darum, die Kunst des Liebens zu erlernen.
Halten wir vielleicht nur das für der Mühe wert, womit
wir Geld verdienen oder was unser Prestige erhöht,
und ist die Liebe, die »nur« unserer Seele nützt und die
im modernen Sinne keinen Gewinn abwirft, ein Luxus,
für den wir nicht viel Energie aufbringen dürfen? …..
*************
Interessant ist auch seine These über die Sucht nach sogenannten „orgiastischen Erlebnisse“, die sich so schnell abnutzen, wobei dann die Dosis häufig gesteigert werden muss, beziehungsweise solche Erlebnisse oft wiederholt werden müssen – alternativ auch der „Herdentrieb“ und die Konformität, die benutzt werden, um der großen EINSAMKEIT und VERLORENHEIT zu entgehen. Diese unheilbare Einsamkeit kommt nach Fromm durch die Trennung des (gefallenen) Menschen von Gott und erzeugt Scham in ihm und Einsamkeit. Deshalb benutzt der Mensch gewisse Strategien, um sich dieser schlimmen Grunderfahrung zu entziehen. (Fromm!)
Haben mich immer enorm beeindruckt, diese Gedanken von Fromm, vor allem seine Ausführungen über die Konformität und die verzweifelten Versuche, ein bisschen armseligen Individualismus zu kreieren :), um sich von der Masse abzuheben. Natürlich wird dabei nicht die Grundproblematik durchschaut ;), es bleibt halt bei Piercing und co. oder ein paar abartigen Sexualpraktiken.
Wenn die Leute annähernd wüßten, was Seelenliebe ist, dann würden sie explodieren.
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Wenn sich Dualseelen oder Zwillingsseelen (Beisp. Werther und Lotte, gibt viele andere Fälle in der Literatur) auf diesem Planeten begegnen (vormals selten – geschieht heute anscheinend immer häufiger, da sie besondere Aufgaben in dieser Zeit haben könnten auf dem Planeten, der kurz vor dem Aus steht) – dann könnte es ungefähr so aussehen:
Dualseelen sind übrigens (entgegen falscher Darstellungen) immer komplementär, also männlich weiblich – und verkörpern die Komlementäre EINER in der materiellen Inkarnation geteilten Seele. Es ist sozusagen das „Großprojekt“ der Liebe, die unendlich fortdauert, und in der Wiedervereinigung der geteilten Seelenhälften gipfelt. Und da jeder eine hat und dies allen bevorsteht im unendlichen Kontinuum, ist es ein ultimativer Lernprozess :).
Merkmale für eine Begegnung mit der ‘Dualseele’ :
. Sehr oft kündigt sich die 1. Begegnung schon vorher an – z. B. in Form von Träumen.
. Vor der 1. Begegnung wird man/ Frau oft auf seltsame Weise in die Richtung der DS “geschubst” – d. h.: Es gibt kein Ausweichen, wenn die Zeit reif ist.
. schon während der 1. Begegnung entsteht das untrügliche Gefühl, diesen Menschen besser zu kennen, als er sich selbst.
. Ein Blick in dessen Augen fühlt sich an, als würde sich in den Tiefen ein Fenster öffnen und Alles Andere verliert an Gewicht; nur dieser Augenblick ist wahrnehmbar.
. Es entsteht schnell das verwirrende Gefühl, etwas gefunden zu haben, wonach man schon sehr, sehr lange suchte.
. Man fühlt sich plötzlich “vollständig”/ am Ziel angekommen
. Die sofortige, gegenseitige Vertrautheit ist mit Nichts vergleichbar
. Es entsteht sehr rasch ein Gefühl tiefster Liebe, die sich nicht richtig einordnen lässt (da sie nie zuvor erlebt wurde) – Vorsicht, dies lässt den Trugschluss zu, als Paar füreinander bestimmt zu sein, doch das ist in den allerwenigsten Fällen so.
. Die Verbindung hat etwas “Magisches”; der Eine scheint die Gedanken des Anderen “lesen” zu können – auch auf große Entfernungen hinweg.
. Im Alltag benutzt man die gleichen Gesten, die gleichen Wortlaute und spürt instinktiv, was der Andere im nächsten Augenblick sagen oder tun wird. Das ist so extrem, dass es mindestens Einem der Beiden irgendwann einmal richtig Angst macht und dieser sich zurück zieht.
Jede Trennung/ jeder Rückzug schmerzt unglaublich – auch hier gibt es keinen Vergleich mit aanderen Gefühlen.
. !Nach der 1. Begegnung ist Nichts mehr so, wie es vorher war! – Das ist eines der prägnantesten Merkmale. Das ganze Leben wird quasi “auf den Kopf gestellt”.
. Man entwickelt Gedanken und Gefühle, von denen man vorher nichts wusste.
. Man verändert sich unglaublich stark
. Oft kreisen die Gedanken nur noch um die DS; sie wird zum Lebensmittelpunkt (eine Phase, die unterschiedlich lange dauert und oft dafür sorgt, dass die gegenseitige Beziehung stagniert oder sich zu verschlechtern scheint)
. Es besteht ein absoluter Gleichklang, auch, wenn DS voneinander getrennt sind. In den meisten Fällen haben sie sehr ähnliche, wenn nicht sogar identische Lernaufgaben.
. Meist sind DS sehr, sehr schnell bereit, dem jeweils Anderen sehr private Dinge zu erzählen – selbst, wenn dies eigentlich nicht ihrer Art entspricht.
. Ganz oft entsteht der Eindruck: “Was hier geschieht, geht nicht mit rechten Dingen zu”; ein Beschreiben dieser Gefühle ist fast unmöglich.
. Das unbeschreibliche Verbundenheitsgefühl übersteigt jede Form bisher erlebter Liebe. Es besteht die Gefahr, sich selbst zu verlieren und in eine gewisse Abhängigkeit zu geraten. Das gehört zum Lernprozess.
. Eine DS – Verbindung lässt sich durch Nichts und Niemanden lösen, obgleich sich dies viele Menschen früher oder später einmal wünschen.
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Hier gibt es Lesestoff zum Phänomen, wie es betroffene Leute erleben: Seite bissel esoterisch ;), enthält aber interessante Beiträge
http://www.magic-komplex.de/die-dualseele-zwillingsseele/
http://www.thespiritualpath.de/
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Scott Peck „Der wunderbare Weg“ gefällt mir in seinen Ausführungen über die Liebe im Unterschied zum „Verliebtsein“ mit dem schnellen (auch biochemisch bedingten) Verfallsdatum fast noch besser als E. Fromm.
Wer mal was Brauchbares über Liebe lesen will – was sie wirklich sein kann – und auch deren Abgrenzung zum ‘Verliebtsein’, dem vorübergehenden Zusammenbruch der Ichgrenzen, der kann sich mal diese PDF reinziehen.
Es ist ein Auszug aus dem Buch “The road less travelled” von Scott Peck:
Klicke, um auf peck2.pdf zuzugreifen
Auzug:
Der Mythos romantischer Liebe
Die Illusion, Verliebtheit werde ewig andauern,
wird durch den Mythos der romantischen Liebe
gefördert.
Dieser Mythos erzählt uns, dass es für alle den
einen idealen Partner gebe, und dass der (in den
Sternen) vorausbestimmt sei und uns alle Bedürfnisse
stillen werde. Das ist eine entsetzliche Lüge.
Wenn sich dann die romantische Liebe verflüchtig
hat, versucht man dennoch sein Leben diesem
Mythos anzupassen. Diese Paare preisen dann ihre
Einheit, sprechen sogar füreinander und sind letztlich
zu eng verheiratet. Das wirkliche Akzeptieren
der eigenen Individualität ist aber die einzige
Grundlage, auf der eine reife Ehe bestehen und
wirkliche Liebe wachsen kann.
Mehr über Ich-Grenzen
Das Missverständnis, Verliebtheit sei eine Art von
Liebe, ist gerade deshalb so gefährlich, weil es ein
Körnchen Wahrheit enthält.
Die Erfahrung wirklicher Liebe hat ebenfalls mit
Ich-Grenzen zu tun, da sie eine Ausdehnung dieser
Grenzen beinhaltet. Die Beschränkungen,
denen man unterliegt, sind die Ich-Grenzen. Je
mehr und je länger wir diese Grenzen ausdehnen,
desto mehr lieben wir, desto mehr verschwindet
der Unterschied zwischen dem selbst und der
Welt. Das führt auch zu einem ekstatischen Gefühl.
Es ist aber sanfter und weniger dramatisch,
als beim Verliebtsein, dafür aber wesentlich stabiler
und letztlich auch befriedigender.
Sexuelle Aktivität und Liebe können zwar gleichzeitig
vorkommen, treten aber auch getrennt auf,
weil es sich um grundlegend verschiedene Phänomene
handelt. Vor allem beim Orgasmus erfahren
wir einen mehr oder weniger ausgeprägten
Zusammenbruch der Ich-Grenzen – aber nur für
Sekunden.
Zur Beschreibung der länger andauernden „Einheit
mit dem Universum“, die mit wirklicher Liebe
verbunden ist, benutzen wir den Begriff „mystische
Vereinigung“. Der Weg zu dieser Vereinigung
ist aber nicht jener der Regression, sondern
des Erwachsenwerdens. Erst wenn ich Ich-
Grenzen besitze kann ich sie aufgeben. Eine Identität
muss zuerst hergestellt sein, ehe sie transzendiert
werden kann. Das Selbst muss erst gefunden
sein, ehe man es verlieren kann. Die zeitweilige
Lockerung der Ich-Grenzen, die mit Verliebtheit,
Geschlechtsverkehr oder Drogen verbunden ist,
mag uns einen kurzen Blick in das Glück schenken.
Verliebtheit ist selbst nicht Liebe, wohl aber
ein Teil des grossen und geheimnisvollen Plans
der Liebe, denn sie gibt uns einen Vorgeschmack.
Dauerhaftes spirituelles Wachstum ist aber nur
durch das beständige Üben wirklicher Liebe zu
erreichen.
Abhängigkeit
Das zweithäufigste Missverständnis über die Liebe
ist die Vorstellung, Abhängigkeit sei Liebe.
Wer aber für sein Überleben ein anderes Individuum
braucht ist ein Parasit nicht ein Liebender.
In Beziehungen dieser Art gibt es keine Freiheit
und keine Wahl. Sie ist eine Sache der Notwendigkeit
und nicht der Liebe. Liebe ist die freie
Ausübung einer Wahl. Zwei Menschen lieben sich
nur, wenn sie durchaus fähig sind, ohne einander
zu leben, aber dennoch das Zusammenleben wählen.
Abhängigkeit bei gesunden Menschen ist pathologisch,
aber zu unterscheiden von dem, was man
Abhängigkeitsbedürfnisse bezeichnet. Bei den
meisten regiert dieser Wunsch nicht das ganze
Leben, er ist nicht das vorherrschende Thema.
Wenn diese Wünsche aber die Qualität unserer
Existenz diktieren, dann haben wir mehr als nurDauerhaftes spirituelles Wachstum ist aber nur
durch das beständige Üben wirklicher Liebe zu
erreichen.
Abhängigkeit
Das zweithäufigste Missverständnis über die Liebe
ist die Vorstellung, Abhängigkeit sei Liebe.
Wer aber für sein Überleben ein anderes Individuum
braucht ist ein Parasit nicht ein Liebender.
In Beziehungen dieser Art gibt es keine Freiheit
und keine Wahl. Sie ist eine Sache der Notwendigkeit
und nicht der Liebe. Liebe ist die freie
Ausübung einer Wahl. Zwei Menschen lieben sich
nur, wenn sie durchaus fähig sind, ohne einander
zu leben, aber dennoch das Zusammenleben wählen.
Abhängigkeit bei gesunden Menschen ist pathologisch,
aber zu unterscheiden von dem, was man
Abhängigkeitsbedürfnisse bezeichnet. Bei den
meisten regiert dieser Wunsch nicht das ganze
Leben, er ist nicht das vorherrschende Thema.
Wenn diese Wünsche aber die Qualität unserer
Existenz diktieren, dann haben wir mehr als nur
Dauerhaftes spirituelles Wachstum ist aber nur
durch das beständige Üben wirklicher Liebe zu
erreichen.
Abhängigkeit
Das zweithäufigste Missverständnis über die Liebe
ist die Vorstellung, Abhängigkeit sei Liebe.
Wer aber für sein Überleben ein anderes Individuum
braucht ist ein Parasit nicht ein Liebender.
In Beziehungen dieser Art gibt es keine Freiheit
und keine Wahl. Sie ist eine Sache der Notwendigkeit
und nicht der Liebe. Liebe ist die freie
Ausübung einer Wahl. Zwei Menschen lieben sich
nur, wenn sie durchaus fähig sind, ohne einander
zu leben, aber dennoch das Zusammenleben wählen.
Abhängigkeit bei gesunden Menschen ist pathologisch,
aber zu unterscheiden von dem, was man
Abhängigkeitsbedürfnisse bezeichnet. Bei den
meisten regiert dieser Wunsch nicht das ganze
Leben, er ist nicht das vorherrschende Thema.
Wenn diese Wünsche aber die Qualität unserer
Existenz diktieren, dann haben wir mehr als nur Abhängigkeitsbedürfnisse.
Dann sind wir abhängig.
Abhängige Menschen sind mit dem Bemühen
geliebt zu werden so beschäftigt, dass sie keine
Energie mehr haben wirklich zu lieben. Sie sind
wie Verhungernde, die nach Nahrung gieren und
selbst keine Nahrung haben, um sie anderen zu
geben.
Passiv abhängige Menschen wechseln rasch ihre
Partner, denn es scheint so, dass es ihnen gleichgültig
ist, vom wem sie abhängig sind, solange
nur jemand da ist. (Passiv Abhängige befassen
sich nur damit, was andere für sie tun können.)
Wenn es ihr Ziel ist, geliebt zu werden, dann werden
sie dieses Ziel verfehlen. Man kann nur dann
sicher sein, dass man geliebt wird, wenn man ein
Mensch ist, der liebenswert ist, und sie können
nicht liebenswert sein, wenn ihr Hauptziel im
Leben ist, geliebt zu werden, und zwar passiv.
Passiv Abhängige tun für den anderen nur etwas,
damit die Bindung des anderen an sich zementiert
wird. Deshalb tauschen gesunde Paare immer mal
wieder starre Rollen (kochen etc.). Dadurch verringert
es die gegenseitige Abhängigkeit. Passiv
Abhängige verkleinern die eigene Freiheit und die
des Partners. Aber eine wirklich gute Ehe kann
nur zwischen zwei starken und unabhängigen
Menschen bestehen.
Passive Abhängigkeit hat ihre Wurzel in einem
Mangel an Liebe während der Kindheit.
Es ist das Schlimmste, das wir uns antun können,
wenn wir von anderen Menschen abhängig sind.
Wir würden uns besser auf Heroin verlassen.
Denn Heroin lässt uns nie im Stich, solange wir es
haben – andere Menschen aber schon.
Tatsächlich sind passiv abhängige Menschen oft
drogen- oder alkoholsüchtig. Sie sind Suchtgefährdete
Persönlichkeiten.
Abhängigkeit ist also keine Liebe. Sie will eher
nehmen als geben. Sie fördert Infantilismus statt
Wachstum. Sie will nicht befreien, sondern fangen
und einengen. Letztlich werden Beziehungen von
ihr nicht gefördert, sondern zerstört.
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Weit herausragend zutreffender Exkurs, das. Stimmt haargenau. Der Autor sieht durch. Hervorragend.
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Hätte der Autor keine hervorragende Arbeit geleistet, hätte der Autor dies wohl kaum verartikelisiert… 😉
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@ Venceremos:
Ganz lieben Dank für den erweiternden Auszug und die passenden Ergänzungen – wir haben damit hoffentlich bei allen Lesern die „Lust auf mehr“ geweckt.
Vom lieben darf man nie genug kriegen… 😉
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*****Vom lieben darf man nie genug kriegen… ;-)******
Im Lieben kann mensch immer genug SEIN…… 😉
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