Bewusstheit indonesisch
Beobachtungen lassen mich zu einer Vermutung kommen.
Die Vermutung:
Der durchschnittliche Indonesier hat ein anderes Tagesbewusstsein als der durchschnittliche Westler. Diese Vermutung ist alt, jeder denkende und beobachtende Mensch bestätigt sie.
Ich suche das Phaenomen seit drei Jahren genauer zu verstehen.
Beobachtungen:
A) Ein Indonesier lässt sich jederzeit und immer von dem, was neu kommt, von dem also, was gerade ist, ablenken.
Ich bin es gewohnt, Prioritäten meiner Aufmerksamkeit zu setzen und zeitlich durchzuhalten. Beispiel:
Ich spreche mit einem indonesischen Freund über etwas, was für ihn meines Erachtens wichtig ist. Die Schule seines Kindes. Die Höhe seines Salärs. Die Krankheit seines Partners.
Es braucht nur eine Fliege auf dem Tisch zu landen, und der Indonesier wendet seine Aufmerksamkeit vom Gespräch ab und der Fliege zu.
B) Der Indonesier lebt im Moment, denkt nicht in Zeiträumen, was allerdings, genau bedacht, Bestandteil von A) ist.
Ich bin es gewohnt, die Handlung im Jetzt in Bezug auf Vergangenheit oder und Zukunft zu setzen. Beispiel:
Hat er Geld, gibt er es bedenkenlos schnell für etwas aus, was gerade verlockend ist. Er denkt nicht daran, dass er 3 Wochen keine Einnahmen mehr hat und in 3 Wochen seine Wohnungsmiete nicht wird bezahlen können, wenn er jetzt die teuren Schuhe und Hosen kauft.
Ich verzichte auf neue Schuh und Hos, wenn ich mir damit die Bezahlung der Miete in drei Wochen verbocke.
Soweit wird mir vermutlich jeder beipflichten und sagen, ja, so ähnlich sehe ich das auch, was willst du denn wirklich Neues sagen?
Für mich neu ist, dass ich seit etwa einem Jahr eine Art der Bewusstheit, eine Art der Gesamtwahrnehmung erfahre, welche mir in ihrer Eindeutigkeit in diesem Leben neu ist.
Haha, lieber Freund, keine Angst, ich erzähl nun nicht wieder von meinen erleuchteten zwei Minuten. EBEN GERADE DAS NICHT.
Frischesoteriker neigen dazu, Menschen wie Indonesier für erleuchtet zu halten, weil die Indonesier eine ausgesprochen hohe Toleranzschwelle leben. Es braucht wirklich viel, du musst einem Indonesier wirklich kräftig am Schlips zerren, bis seine Gelassenheit abfällt, bis er emotional wird.
Du kannst das allerorten beobachten. Klassebeispiel ist der Strassenverkehr. Ein Erzdeutscher und Erzdeutschschweizer käme hier vor lauter Stinkfinger zeigen gar nicht richtig zum Fahren. Die Menschen hier werten das Fahrverhalten der Anderen nicht. Sie werten nicht!
Dass Anfänger das mit erleuchteter Bewusstheit verwechseln, ist leicht verständlich, denn der Erleuchtete tut scheinbar das Gleiche. SCHEINBAR!
Ich füge hier etwas ein, was nur von dir verstanden werden kann, wenn du schon viel Wissen oder und Erfahrung hast.
Der Erleuchtete wertet sehr wohl auch. Aber, im Gegensatz zum Unerleuchteten iIDENTIFIZIERT er sich nicht mit seinen Wertungen.
Der Erleuchtete hat sehr wohl ein Ego, welches sich in seiner Ecke jauchzt oder flucht, aber ER, der er wirklich ist, kann dem Treiben seines Egos seelenruhig lächelnd zuschauen! Und weil ER der Boss ist, kann ER sich im Menschenkörper trotz Egogedöns ECHT freundlich, ja HERZLICH geben.
Ich komm zur Sache, heisst zu dem Teil, welcher uns möglicherweise zum besseren Verständnis unserer Brüder und Schwestern hier verhelfen kann.
Ich fahr hier sehr viel Moped. Vor einem Jahr habe ich erstmal die Erfahrung gemacht:
Ich bin mit meiner Yamaha Vixion von Java nach Hause gefahren, etwa 200km Distanz.
Ich bin ausnahmslos immer am Limit gefahren. Vollgas. Hohe Tourenzahl. Hohe Geschwindigkeit. Immer und überall Alles und Jedes überholen.
Ich wurde auf der ganzen Strecke ein einziges mal selber überholt, von einer Maschine mit exakt 6 mal so viel PS wie eine Vixion leistet, also 90 und nicht 15 PS.
Nun, soweit nix Besonderes, ja? Das Besondere nun:
ICH bin nicht gefahren. „ES“ ist gefahren.
In dieser Eindeutigkeit, und das vier Stunden am Stück, so hatte ich das noch nie erfahren.
„ES“ wusste absolut zweifelsfrei: Es reicht – Vollgas, überholen. Es reicht nicht – in Lauerstellung warten. Zweifelsfrei! Es gab kein „Denken“, kein: „Oh, das ist aber knapp“, nein, es gab nur entweder:“Es reicht, los“. Oder: „Es reicht nicht, warten“.
„ES“ bremste von selber – und wenn ICH mir mal einen Gedanken erlaubte, die Frage in diesem Falle also: „Warum bremst „ES“ denn gerade?“ so folgte die Antwort auf den Fuss: ICH hatte die Gefahr, den Engpass, die Kuh, das Kind, das Schlagloch nicht gesehen, „ES“ aber hatte mit traumwandlerischer Sicherheit rechtzeitig gebremst.
Messungen haben ergeben, dass Leute wie Michael Schumacher, so sie Rechtshänder sind, ausschliesslich mit der rechten Hirnhälfte fahren, mit der Hälfte also, welcher man Inuition nachsagt, welche mit der linken Körperhälfte, mit der Gefühlsseite verbunden ist.
Auf Grund meines Wissens wage ich zu vermuten, dass „ES“ meine rechte Hirnhäfte ist.
Wenn ich heute aufs Moped steige, erinnere ich mich absichtlich und schnell, wie es ist, wenn „ES“ fährt, und dann übernimmt „ES“ das Steuer. Ich interpretiere es dahingehend, dass es meine rechte Hirnhälfte ist, welche zu100% das Ruder übernimmt
Denken ist verboten! Das linke Hirn zuschalten und Denken beeinträchtigt „ES“ oder schaltet es sogar aus.
Werten, auch links im Kopf situiert, ist ebenfalls streng verboten.
Wenn „ICH“ denke: „Mann, diese Kurve hast aber doll hinjelechd“ oder wenn „ICH“ denke, Erzarsch, wie der mir grad den Weg abschneidet“, dann bin ich sofort in hoher Gefahr, dann ist „ES“ nicht mehr frei in seinen Entscheidungen, meine mit dem Denken gekoppelte Aggressivität oder und Aengstlichkeit beeinträchtigt die Klarheit der Entscheidungen der rechten Hälfte – und damit ist die Voraussetzung für Unheil gegeben.
Postulat (ich weiss, gewagt)
Indonesier leben und erleben auf diese Art,sie leben und erleben so, wie ich auf dem Moped.
Das Leben und Erleben ist einerseits kristallklar, ist aber gleichermassen wie in einer dicken Wolke. Grosse Teile dessen, was normalerweise auch „ist“, ist wie durch sanften dichten Nebel ausgeblendet.
Ich behaupte nicht, damit mit Sicherheit DIE Wahrheit gefunden zu haben.
Ich behaupte aber, das Postulat ist des Bedenkens wert.
Ich fasse zusammen:
Wenn ich mich, auf dem Töff, in dieser Art der Wahrnehmung wieder finde,
– werte ich nicht und bin emotionslos,
– handle ich, aus jedem Moment neu geboren, ohne Skrupel, Bedenken und Zweifel in
traumwandlerischer Sicherheit, es gibt keine Vergangenheit und keine Zukunft.
…. und so kommt mir das Verhalten von Indonesiern vor, zumindest in etwa so….
Könnte da was dran sein?
Ich rege an, dass du, wenn du andere Völker kennst, bezugnehmend Stellung beziehst.
15.01.2013, thomas ramdas voegeli
Lieber Thom Ram,
ich genieße Deine hier geteilten Eindrücke zu einem Land und zu Leuten, die mir sympathisch sind, die ich jedoch selbst zuwenig kenne. Im Gegenzug möchte ich einige meiner in den letzten 20 Jahren gesammelten Eindrücke und Erfahrungen über mein eigenes Leben außerhalb der vertrauten Heimat mit Dir teilen.
Zunächst jedoch ein paar Worte zum Töff:
Scheuklappen in der Schräglage
In meiner Jugend, im zarten Mopedalter, verschlang ich stapelweise die Zeitschrift „Motorrad“ vom Motorbuchverlag München. Am meisten interessierte mich der wöchentliche Ratgeber zur Fahrtechnik (Kurventechnik, richtiges Bremsen etc.). Die Grundregel war stets die gleiche: vorausschauend fahren, jedoch im entscheidenden Moment Scheuklappen aufsetzen. Beispiel: Beobachte alles gut, wenn du dich einer Kurve näherst. Sobald du dich jedoch in die Schräglage begibst, interessiert nur noch eines: die Innenseite der Kurve, dort mußt du hin und nicht in den Gegenverkehr. Ich habe damals gelernt, beim Zweiradfahren einen Teil meines Bewußtseins auszublenden, damit ich nicht aus der Kurve fliege. Diese Motorradfahrerweisheit erwies sich für mich im späteren Leben auch in anderen Situationen als äußerst nützlich.
„Gelassenheit“ = Scheuklappen/Ohrstöpsel
Wenn die äußere Umgebung keine Ruhe bietet, dann bleibt nur noch ein Zufluchtsort. Man muß seine eigene Einstellung ändern. Die Ruhe muß von innen kommen, wenn sie sonst nirgendwo zu finden ist. Ich wohne seit etwa 20 Jahren in einer dichtbevölkerten Hafenstadt. Deutsche Gesetze haben hier keine Gültigkeit. Hier herrschen Platzmangel, kulturelle Gegensätze und Trubel ohne Ende. So manch einem Zugereisten platzt dadurch gelegentlich der Kragen. Jene, die hier aufgewachsen und zuhause sind, haben sich jedoch mit ihrer „natürlichen Umgebung“ arrangiert; sie tragen unsichtbare Scheuklappen und Ohrstöpsel. Wenn man sich täglich über das ständige Fehlverhalten anderer aufregen würde, wäre man schnell am Ende seiner Nerven. Ändern würde sich der Trubel dadurch aber nicht. Der Nachteil einer solchen, bewußt aufgesetzten, scheinbaren Toleranz gegenüber nicht zu ändernden äußeren Umständen besteht allerdings darin, daß notorische Regelbrecher unzureichend in die dringend benötigten Schranken gewiesen werden. Wer sich hier blind auf die Verkehrsregeln verläßt, der ist nicht einmal auf dem Gehweg sicher. Erst wenn das allgemeine Fehlverhalten allzu sehr ausufert, wird von offizieller Seite aus hart durchgegriffen. Dann zeigt man plötzlich Strenge. Ansonsten alltägliche Regelverstöße werden dann auf einmal streng geahndet und es wird überall scharf kontrolliert. Danach läßt man die Zügel wieder schleifen, bis es zur nächsten Ausuferung kommt.
Was sich nicht ändern läßt, wird hier einfach ignoriert. Es gibt hier dafür sogar einen Ausdruck, der sich auf Dein gewähltes Domizil bezieht. Wenn jemand etwas, was er lieber nicht hören will, prinzipiell überhört, also völlig „taub auf einem Ohr“ ist, dann sagt man hierzulande: der hat die „indonesische Taubheit“.
Die deutsche Ordnung schafft die nötigen Randbedingungen für die innere Gemütsruhe der dortigen Eingeborenen: die deutsche Gemütlichkeit. Diese geschützte Ordnung läßt sich jedoch leicht aus der Ruhe bringen. Sie verträgt keine Störenfriede, kein „Chaos“, keine Unruhestifter. Die deutsche Ruhe bedarf des ständigen äußeren Schutzes durch die deutschen Ordnungshüter.
Tatsächlich empfinde ich meine deutsche Heimat als einen schützenswerten, zu behütenden Ort der Ruhe. Ich rate meinen lieben Landsleuten jedoch, zum Zwecke des inneren Selbstschutzes, zu etwas mehr Gelassenheit.
Liebe Grüße von einem Waldmenschen in der Großstadt,
Wolf
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Hallo Thom,
Dein Bericht ist inzwischen einige Jahre alt. Mich würde interessieren, ob Deine Eindrücke noch stets dieselben sind.
Wolf
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Wolf
Ich habe meinen Bericht von 2013 in Ruhe und mit Vergnügen durchgelesen, erstmal seit damals. Ich habe keinen Anlass, auch nur eine Silbe zu ändern, unterschreibe ihn auch heute.
Lediglich etwas ändert sich sukzessive, und wieder nehme ich den Strassenverkehr als Ort, da sich das Symptom zeigt. Es kommt nun ab und zu vor, dass sich Einheimische gegenseitig rügen, per Hupe. In anderen Lebenssituationen habe ich Solches so gut wie nie beobachtet, doch scheint mir unmöglich, dass die leise, gelegentliche Intoleranz im Strassenverkehr sich nur dortens manifestiert.
Ich deute es als Einfluss durch Ausländer. Zum Beispiel nach Uhr geregelte Arbeitszeiten gab es früher nicht. Früher stand man vor Morgengrauen auf, legte sich bei mittäglicher Affenhitze in den Schatten und mit den Hühnern pennte man ein. Hindufeste richteten (und richten sich gottseidank noch) nach dem Lauf der Gestirne… Hotelangestellen kommen solche Gewohnheit abhanden. Es ist sowas wie Verwestlichung im Gange.
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Was du vom Mofafahren erzählst, bestätige ich voll ganz. Exakt meine Erfahrungen und meine tägliche Art des Fahrens. Es gibt, möchte noch ergänzen, keine Kurve, die ich nicht möglichst perfekt durchzuziehen trachte. Permanentspass, hihi.
Wenn wir schon es bitzeli weg vom Thema sind: Wie bremsen Profis vor den Kurven? Ich kriege das einfach nicht spitz. Bremsen sie und im Moment des Umlegens sind die Bremsen voll gelöst, oder bremsen sie ein wenig in die Kurve hinein? Ich kann mich trotz einiger Hunderttausend km immer noch nicht wirklich entscheiden. Meist bremse ich NICHT in die Kurve hinein, und wenn, dann natürlich nur ganz am Anfang, und auch nur, wenn ich gemässigt Zahn drauf habe. Wenn ich scharf fahre, dann lasse ich das Hineinbremsen, mache es nur, wenn ich mich äh doch etwas verschätzt habe. Was Gottseidank äusserst selten vorgekommen ist, toitoitoi.
Gibst du mir einen Anhaltspunkt, in welcher Erdenecke deine Hafenstadt liegt? Auch was du sagst zum sich zurechtfinden an eh weniger liebsamen Orten – ich tue es so wie du…..so gut ich kann. Es gibt Einiges, das kann ich noch nicht ausschalten, vor allem lauter elektronischer Bass aus schlechten Lautsprechern. Ist für mich Botschaft aus der Hölle direkt, und da gelingt mir das mich nicht identifizieren meist nicht. Und dann leide ich.
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