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128. von 144 – ELTERN, KIND UND KINDERSTUBE – Wozu noch Tempel und Kirchen?

Eckehardnyk, 21. April NZ 10

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Ausnahmsweise nicht nur aus der Urschrift von 1999 sondern weiter gehend nach der bearbeiteten Fassung von „Abenteuer Erziehung“ im Verlag tredition (Hamburg, 2013). – Für wen gilt eigentlich der Satz: „Steck dein Schwert an seinen Platz. Denn, die nach dem Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen.“ (Matthäus 26,52)?

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Ein heißes Pflaster betritt jeder, der im Land der Kirchensteuern etwas gegen Kirchen sagt. Wozu brauchen wir sie? Nach dem, was wir soeben besprochen haben, tragen Kirchengemeinden ebenso wie Kindergärten oder Schulen zur Charakterbildung bei. Täuflinge, Messdiener, Firmlinge oder Konfirmanden, Chöre, Brautpaare, Prozessions-, Rosenkranz- oder andere Gebetsgruppen und auch Bestattungszüge: Sie gehören noch in die von Priestern begleitete Biografie unserer Gesellschaft. Selbst in der DDR gab es „die Partei“ als eine Art Ersatzkirche mit „Jugendweihe“ als Ritualersatz für diejenigen, die den Kirchgang selbst mieden.

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Wenn man etwas nachgräbt, findet man tausenderlei sozial sinnvolle Verrichtungen, die von Mitgliedern der Kirchen bescheiden und nicht selten unter Opfern erledigt werden. Es besteht also von daher noch Grund genug, den Tempeln auch unserer Zeit gegenüber wohlwollend gesonnen zu sein. Anders lag es häufig in der Vergangenheit. Zu den kriegerischen Handlungen im Namen und unter dem Banner eines Gott genannten Wesens trat auch die Verfolgung und Vernichtung von „Ketzern“ oder „Giauren“. Eine Blutspur von Folter und Tod zieht sich durch die Geschichte der Völker, auch von sogenannt christlichen Staaten, und hat sich besonders an dem festgemacht, dass viele den Frieden mit einer Einrichtung ausschließen, die sich Römische Katholische Kirche nennt.

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Eins aber fällt doch ins Auge: Je mehr Leute die Kirche verlassen haben, desto häufiger ist Ratlosigkeit auch in Erziehungs- und Bildungsfragen auf den Plan getreten. Das mag eine „Sekundärrelation“ gewesen sein, analog dem Beispiel: Je weniger Störche in einer Region auftraten, desto weniger Babys wurden geboren. Dieser „Zusammenhang“ konnte statistisch belegt werden. Das hatte aber eine beiden Erscheinungen gemeinsam zugrunde liegende dritte Ursache: Die Folgen von Industrialisierung. Diese fallen auch Erziehung und Bildung zur Last. Die Industriegesellschaft hat ihre eigenen „Werte“ geschaffen und verwahrt sich gegen Dreinreden durch Andere, womit „Tempelherren“ aller Art gemeint sind, solange sie sich der industriell und sonstwie formierten „Wertegemeinschaft“ nicht unterworfen haben. Dabei bleiben im Innern der sich wie auch immer modern ständig wandelnden Gesellschaft die Fragen offen, welche Ideale und Verhaltensformen denn gültig seien. Was im 19. Jahrhundert noch wie selbstverständlich in Übereinstimmung mit der Kirche geregelt war, kann heute selbst Kirchenvertreter ins Straucheln bringen, wenn es um die „richtige“ Einstellung zu Christus, Auferstehung, Gott oder Kinderkriegen und Staatsformen geht.

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Das ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Menschen ihre einstige (in den alten Mysterienstätten „hermetisch“ verschlossene) Verbindung zum selbständigen Geist im Lauf der Kirchengeschichte ganz aufgegeben und sich dem „Fortschritt“ der materialistisch gewordenen Welt anvertraut haben. Dadurch ist wohl viel an Freiheit gewonnen worden, und zwar an Freiheit von Allem. Aber wie schon gezeigt, ist ein Zuviel an Freiheit von Allem, allemal für kleine Kinder fatal. Sie gehört – und zwar sofort nach der ihr zugehörigen Möglichkeit – ersetzt durch die Freiheit zu Etwas. Und dazu gehört zum Beispiel die Fähigkeit, eine Entscheidung frei treffen zu können, wie krabbeln, robben oder laufen, oder später dann trödeln oder rennen, was sich von Moment zu Moment ändern kann.

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Mit Berufung auf das Nicäanische Glaubensbekenntnis steht zum Beispiel im Augsburger Bekenntnis von 1530 in Artikel 18 Vom freien Willen: „Aber ohne Gnade, Hilfe und Wirkung des Heiligen Geistes kann der Mensch Gott nicht gefallen, … die angeborenen bösen Lüste nicht aus dem Herzen werfen, sondern dies geschieht durch den Heiligen Geist. Denn so spricht Paulus: Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes“ (Erster Korinther 2,14). Und in Artikel 20 Vom Glauben: „…weil durch den Glauben der Heilige Geist gegeben wird, darum wird auch das Herz befähigt, gute Werke zu tun. Denn zuvor, ohne den Heiligen Geist, ist es zu schwach.“

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Die Auslegung dieses Apostelbriefes an die Korinther zeigt sich schon auf den zweiten Blick als viel zu kurz gegriffen. Die Sätze davor lauten: „‘Was kein Auge gesehen hat, … was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben’. Uns aber hat es Gott offenbart durch seinen Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit. Denn welcher Mensch weiß, was im Menschen ist, ohne den Geist des Menschen, der in ihm ist? Also weiß auch niemand, was Gott ist, ohne den Geist Gottes.“ (Erster Korinther 2,9-11)


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Hätte man diese zuletzt genannte Stelle dem Volk zu verstehen gegeben, dann wären Einzelne und allmählich immer mehr auf die Idee gekommen, sich selbst um die „geistlichen“ Angelegenheiten von Weltanschauung, Bildung und Erziehung zu kümmern. Heutzutage ist Geist für die meisten etwas wie ein Ausdruck von Persönlichkeit geworden, ein origineller Stempel, der mit dem Einfallspinsel, der ihn führt, entstanden ist und vergeht. Eine lebendige, eigenweltliche Existenz von Geist (mit einer Schnittstelle zum einzelnen Ich) verschmähen die „Promis“, die Großen von heute, öffentlich zu akkreditieren. Oder sollten sie sich etwa in eine Ecke stellen lassen mit anders Denkenden, mit Gruppen, die allenfalls dank Menschenrechten wie eine vom Aussterben bedrohte „Art“ geduldet werden müssen?

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Dass einige Spitzenvertreter der Naturwissenschaften, insbesondere der Physik, inzwischen längst anders ticken, wird vermutlich in 278 Jahren, wenn nutzloser Urwald und frei lebende Fische längst verschwunden sein könnten, auch den populären Journalismus erreichen. Das Denken könnte sich dadurch zu beträchtlichen Erkenntnissen hinauf entwickelt haben. Aber ob wir uns das leisten können, ein allgemein tragfähiges Menschenbild so lange noch zu ignorieren? Angesichts zunehmender Ängste und Nöte namentlich unter bisher friedlich zu sich selbst erwachenden Kindern ist eine „Zusammenarbeit von Natur und Geist“ dringend geboten. Ob Kirchen oder ähnlich konstruierte Glaubensgemeinschaften das leisten werden? Es ist angesichts einer rascher als in „geologischen Zeiträumen“ sich wandelnden Natur unerlässlich.

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Viele unserer jungen Leute pochen jetzt schon darauf, eine rational glaubwürdige Weltanschauung vorgelebt zu bekommen und zu erfahren, von welcher Art und Herkunft sie selber seien. Sagen wir’s uns selbst und beweisen es ihnen, noch einmal mit den Worten des Apostels: „Wisset ihr nicht, dass ihr Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? So jemand den Tempel Gottes verderbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig – der seid ihr.“ (Erster Korinther, 3,16-17)

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Gehen wir davon aus, dass die Himmel stürmenden Kathedralen im Mittelalter mit ihren die Schwerkraft „erlösenden“ Pfeilern und Netzgewölben Häuser darstellten, wo der Menschengeist mit dem Gottesgeist kommunizierte (das Wie behielten die Baumeister aber für sich, sonst wären sie auf den Scheiterhaufen der „heiligen Inquisition“ gelandet), dann sehen wir, wie weit davon entfernt unsere Epoche inzwischen davon ist, die sich in „Mainhattan“ als Europas Geldtürmestadt repräsentiert (und so leicht verletzt werden kann, wie die Türme von Manhattan 2001 gezeigt haben). Was brauchen aber wir und unsere Kinder und Enkel? Wir wollen im Verlauf dieser Schrift noch etwas darüber sprechen. Manches, was wir schon angeschaut haben, wird in verwandelter Form wieder erscheinen; auch Musik ist lebendig durch Wiederholung und Durchführung von Themen und ihren Variationen, damit sie „ankommt“, sich mit dem ganzen Menschen verbindet. Deshalb erfordern unsere Kinder jedes für sich jeweils neue Aspekte und (ihnen jeweils) angepasste Aktionsarten von bereits erprobten „Systemen“.

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Möglicherweise gilt das, was wir oben über das Dürfen (126. von 144) gesagt haben, für das eine, und das, was wir erst weiter unten besprechen für das andere Kind. Wir lassen also die Kirche buchstäblich im Dorf, wollen aber verhindern, dass da „Nieten in Nadelstreifen“ heraus kommen. Das heißt, wir sehen „den Tempel“ in einem von der Tradition her bunt geprägten Bild, das die Jugend durchaus dabei sein lässt, aber Gefahr läuft, durch Gemeinschaftsaktionismus Sinn entleert zu werden. Die im Charakter erworbenen und gelebten Werte, Tugenden und Umgangsformen könnten sich dort, wie überall in Gemeinschaften, bewähren, müssten aber von den Eltern überliefert werden und sowohl zu Fantasie als auch zur Gewissensbildung beitragen (135. von 144. Eltern erlauben, Kinder dürfen, Gewissen erzieht). Wir nämlich selbst sind der Grund, auf den unsere Kinder ihre Kirche bauen. Oder, um es an die Antike, unsere Lehrwerkstatt anzuknüpfen: Die einst schwimmende Insel Delos verankern, damit der Gott und Geist Apoll darauf geboren werden konnte. Doch er war es selbst, der das Eiland befestigte, bevor er dort das Licht der Welt erblickte.

© 🦄 (eah)

30. März 1999, Februar 2013 und 21. April 2022


2 Kommentare

  1. haluise sagt:

    Hat dies auf haluise rebloggt.

    Gefällt 1 Person

  2. haluise sagt:

    was ich durfte, musste, ich empfing mit FREUDE oder ablehnte war der nährboden für meine sich entwickelnde DASEINS-FORM — KÖRPERLICH, GEISTIG , SEELISCH … ALLESZUSAMMEN … luise

    Gefällt 2 Personen

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