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DIE GANZ ANDERE GESCHICHTE EUROPAS 1900 -2000: ERGEBNISSE EINER FORSCHUNG / 3

Lupo hat die Geschehnisse im Europa des letzten Jahrhunderts genau erforscht und zusammengefasst. Das Ergebnis steht im Gegensatz zu dem, was du und ich in der Schule und aus der Zeitung gelernt haben. Weil die Geschehnisse unsere Gegenwart bestimmen, ist es von entscheidender Bedeutung, sie zu kennen.

thom ram jan2014

Quelle: http://lupocattivoblog.com

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3. von 7 Folgen

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Großbritannien war von Anfang an der Angreifer, und nicht Deutschland.

Jahre später, als Wilhelm II 1916 über das unbeschreibliche Abschlachten an der Front grübelte, jammerte er in einem Brief, den er der Mutter eines gefallenen Offiziers schickte, dass er diesen Krieg niemals gewollt habe. Damit meinte er das Gemetzel globalen Ausmasses.

‘Das ist genau richtig’,

pflichtete ihm der britische Premierminister, Lloyd George, in einer öffentlichen Antwort auf die Klage des Kaisers bei,

‘Der Kaiser Wilhelm hat diesen Krieg nicht gewollt. Er wollte einen anderen Krieg, einen, der es ihm erlaubt hätte, Frankreich und Russland in zwei Monaten zu erledigen. Wir waren es, die diesen Krieg, so wie er ausgefochten wird, wollten, und wir werden ihn bis zum Sieg führen.’

 

Großbritanniens und später Amerikas Eroberungszug war unmissverständlich durch Mackinders flüchtige, aber fast orakelhafte Erwähnung der verschiedenen Brückenköpfe angekündigt worden, Brückenköpfe, die die Seemächte in das Herzland vortreiben mussten, um deren Armeen in einer beabsichtigten Folge unabhängiger Zusammenstöße einsetzen zu können.
Um jeden Konflikt zu isolieren, musste das Territorium, auf das man zielte, von seinen angrenzenden Gebieten abgetrennt und eigens ausgeblutet werden. Das geschah durch künstlich in die Länge gezogene Streitigkeiten, die im Namen politischer, religiöser oder ethnischer Unterschiede ausgetragen wurden.

Auf diese Weise sind die Anglo-Amerikaner immer vorgegangen:

  • In Europa, in dem sie alle gegen Deutschland (1904-45) aufgewiegelt haben;
  • im Nahen Osten, indem sie Israel mitten ins Herz der arabischen Welt gestoßen haben (1917 bis heute);
  • im Fernen Osten, indem sie China Dornen (Korea, Vietnam, und Taiwan) in die Seite gestoßen haben (1950 bis heute);
  • und in Zentralasien, indem sie mit Hilfe Pakistans die gesamte Region durch Stammeskriege verunsichert haben, um zu verhindern, dass die Küste der Kaspischen See in den russischen Einflussbereich gerät (1979 bis heute).

Es ist wichtig festzuhalten, dass bei derartigen Eroberungsversuchen man niemals rasche Erfolge erwarten kann, sondern sie können sich über Jahre oder sogar Jahrzehnte erstrecken. Imperiale Kriegslisten betreffen Angelegenheiten, die sich sehr in die Länge ziehen.Die Befehlshaber der Weltaggression messen ihre Errungenschaften oder Misserfolge in Zeitspannen, deren Einheit die Generation ist. In einem solchen Rahmen muss die Inkubationszeit des Nationalsozialismus beurteilt werden. Sie gehorchte einem langen und komplexen Plan, um jede Möglichkeit einer deutschen Hegemonie auf dem Kontinent auszumerzen. Die Verwalter des Empires ließen sich dabei Zeit.

Das Blut der Romanows und die Einkreisung Deutschlands Deutschland und Großbritannien bereiteten sich auf den Krieg vor. Deutschland erwartete ein begrenztes Geplänkel, England die allumfassende Belagerung.

  • 1898 begann das Deutsche Reich ernsthaft, die kaiserliche Flotte auszubauen.
  • Um 1906 besaß es die zweitgrößte Flotte der Welt.
  • Um 1900-02 verlagerte England seinen strategischen Brennpunkt weg von den überholten, antirussischen Intrigen in Zentralasien und den kleinlichen Eifersüchteleien mit Frankreich in Afrika, und konzentrierte sich auf die fortschreitende Einkreisung Deutschlands mit der Perspektive, zum geeigneten Zeitpunkt einen umfassenden Angriff gegen es als der nächst gelegene nordwestlichen Landbrücke zu führen.
  • 1904 kamen sich Großbritannien und Frankreich diplomatisch näher, und zwar durch ein Geschäft oder die Entente Cordiale, als die es bekannt wurde: Marokko ging an die Trikolore und Ägypten kam unter den Union Jack.(23)

In März notierte sich Helmuth von Moltke, der Oberbefehlshaber der deutschen Armee, dem später die Schuld an der Niederlage gegeben wurde, weil er die Armee an der Marne zum Stehen gebracht hatte (im September 1914,das wird weiter unten noch untersucht) aus Furcht vor dem kommenden Unwetter:

Keiner hat eine Ahnung, welche Gewitter sich über uns zusammenbrauen; statt sich in feierlichem Ernst auf die ernsten Zeiten vorzubereiten, zerreißt sich die Nation selbst in Stücke.’24

Im Juli 1904 wurde den Romanows, Nikolaus und Alexandra, nach vier Mädchen schließlich ein Junge und Erbe, der Zarewitsch Alexej, geboren. Die Doktoren bemerkten verdächtige Blutungen am Nabel des Kleinkinds, doch wurde die Angelegenheit sofort übergangen. Ein Jahr später, auf den Monat genau, erlitt Alexei den ersten Anfall dessen, was sich zum Schrecken seines Vaters und seiner Mutter als Hämophilie herausstellte. ‘Da sein Blut nicht zu gerinnen vermochte, konnte die leichteste Verletzung sein Leben gefährden.’(25)

Die herkömmliche Medizin war dieser Krankheit gegenüber machtlos.Sechs Monate vor der ersten Blutung des Zarewitsch, im Januar 1905, erlebte Russland seinen ersten und letzten spontanen Volksaufstand:
Er wurde nicht von selbst ernannten, ‘unverbesserlichen Atheisten’ wie dem Kommunisten Trotzki angeführt, der sich erst kurz danach zu dieser aufschäumenden Flut gesellte (26) , sondern von einem Priester, dem Popen Gapon. Aus Protest gegen Lebensmittelkürzungen, zu geringe Löhne und Tyrannei marschierten Tausende hinter dem Popen her auf den Winterpalast zu. Kosaken und Polizeibeamte eröffneten auf sie das Feuer und zerstreuten sie. Der Tag ging als ‘Blutsonntag’ in die Geschichte ein.

Dem folgten Streiks und wachsende Spannungen. Der Zar machte Zugeständnisse. Es kam zum St. Petersburger Sowjet (dem russischen Wort für Rat) als spontane, institutionelle Verkörperung der örtlichen städtischen Interessen. Dazu willigte der Zar in die Bildung einer beratenden Körperschaft, der Duma, ein. Im Laufe des Jahres beteiligten sich während der unklaren Zwischenzeit illusionärer Reformen viele der künftigen führenden Revolutionäre mit allem Eifer an dem neu gegründeten Sowjet. Doch ihre Agitation wurde niedergeschlagen. Der Zar hatte tatsächlich nur geblufft, und viele Störer des kaiserlichen Friedens wurden verhaftet und nach Sibirien verbannt, von wo sie einer nach dem anderen flohen. Russland war im inneren erschüttert. Nur wenige Monate nach dem Volksaufstand wurde Russland in einer weit entfernten kolonialen Streitigkeit von Japan in Korea und in der Mandschurei geschlagen.
Die Niederlage war beispiellos.
Inmitten dieses russischen Debakels versuchte Wilhelm schließlich doch noch eine eurasische Annäherung. Im Juli 1905 lockte er den Zaren nach Björkö am Golf von Finnland, und erreichte die Zustimmung des Zaren zu einem Vertrag, in dem sich die zwei Mächte erstens zur gegenseitigen Unterstützung im Kriegsfall verpflichteten und sich Russland zweitens verpflichtete, Frankreich über das Abkommen mit der Perspektive zu informieren, dass es der Allianz beitritt.(27)

Da die Deutschen bis zuletzt nicht begriffen, dass Großbritannien die gewaltige Belagerung gegen sie in Szene setzte – die letzte politische Fehleinschätzung, die den Untergang Deutschlands heraufbeschwor – konnte die späte Allianz mit Russland nicht zum Abschluss gelangen. Wahrscheinlich war es dafür auch 1905 schon zu spät. Als es Deutschland tatsächlich möglich gewesen wäre, Russland an sich zu binden, in dem es die russischen Gewährleistungen akzeptiert hätte (das heißt, seine Darlehen an Russland erweitert hätte) – die Gelegenheit dazu hatte sich 1887 geboten – hat es das verärgert über russische wirtschaftliche Konkurrenz abgelehnt.
Die Finanzinteressen Frankreichs und zu einem geringeren Umfang Großbritanniens drängten sich sofort hinzu und stellten die Gelder zur Verfügung.

Dadurch banden sie entschlossen das Schicksal des russischen Reiches an ihre imperiale Politik. Bismarck hatte nur mit Russland gespielt; er hatte es nicht an Deutschland gefesselt, als er es hätte tun sollen. Das eurasische Bündnis hätte nur durch eine deutsche Vermittlung zwischen den österreichischen und russischen Bestrebungen in Mitteleuropa mit oder ohne Frankreich zu Stande kommen können. Dies hätte im Mittelpunkt der geopolitischen
Mission der Mittelmächte als Gegengewicht gegen die bevorstehende Belagerung durch die Seemächte stehen müssen. Im Hinblick darauf haben alle Reichskanzler vor dem Krieg, von Bismarck bis Bethmann-Hollweg, kläglich versagt.
Dort lagen die Keime für Europas damaligem und heutigem Niedergang.

Der Vertrag von Björkö wurde nicht mehr ratifiziert. Nach seiner Heimkehr wurde Nikolaus von seinen Ministern ernsthaft zur Rede gestellt. Sie erinnerten den Zaren an seine Verpflichtungen gegenüber den Franzosen. Diese lehnten, als sie über Nikolaus besorgniserregende Seitensprünge informiert wurden, kategorisch jede Teilnahme an einer Entente mit dem Reich ab. Es schien so, als hätte Wilhelm vergessen, dass die Franzosen ‘hoffnungslos’ waren. Auch Nikolaus zog sich aus dem Abkommen zurück und der Kaiser protestierte heftig, aber vergebens, und im September war alles vorüber. Anglofranzösisches Geld und die deutsche Begriffsstutzigkeit hatten Russland von einer Verständigung mit dem Reich abgebracht. Ebenfalls behinderte die althergebrachte und intensive militärische Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Russland entschieden jeden weiteren verspäteten Wunsch Deutschlands, das nicht mehr Reparierbare zu reparieren.
Die Deutschen hatten ihre Chance lange vor Björkö verpasst.(28)

Im Oktober 1905 erwähnte der Zar in seinem Tagebuch die erste Begegnung mit dem ‚Gottesmann’. Rasputin, der nach Sankt Petersburg gekommen war. Die Umstände, wie er in die Kreise um den Kaiser eingeführt wurde, sind noch immer im Dunkeln. Doch muss Rasputin zwischen diesem ersten Treffen und 1907 während eines der Bluterangriffe des Zarewitschs an den Hof gerufen worden sein. Er hat die Blutung auf wundersame Weise zum Stillstand gebracht.29 Der sibirische Wunderheiler konnte allein durch Berührungen und Gebet den Romanow-Erben am Leben erhalten. Alexandra dankte dem Himmeln für die viel versprechende Erscheinung dieses Wandermönchs, nahm ihn als geistlichen Führer der Kaiserfamilie auf, und überließ sich zunehmend seinem Einfluss.
Die Zarin wurde Rasputin so hörig, wie der Zar ihr. Damit fiel das Schicksal des russischen Reiches in die Hände eines bäuerlichen Magiers.

Nach Frankreich stand nun Russland auf Großbritanniens Tagesordnung: Aus der Entente Cordiale (zu zweit) mit Frankreich wurde die Tripelallianz zwischen Großbritannien, Frankreich und Russland. 1907 handelte der Kopf hinter der Verstrickung Deutschlands in den Ersten Weltkrieg, Lord Grey, Großbritanniens Außenminister, mit Russland die Teilung des Iran anstelle von Afghanistan aus und die Übergabe von Tibet. ‘Das Große Spiel’ [im Osten] war damit anscheinend zu Ende gebracht worden (30) und somit stand der Zweifrontenkrieg gegen Deutschland bevor.

Inzwischen war der Flottenwettkampf weitergegangen. Zwischen 1907 und 1909 hatte Großbritannien Deutschland zweimal eingeladen, einem Abkommen über den allgemeinen Kriegsschiffbau unter der Voraussetzung zuzustimmen, dass Großbritannien in dieser Hinsicht eine zahlenmäßige Überlegenheit zugesichert wurde. Zweimal lehnte Deutschland ab. Frankreich und Russland hätte ebenso gut das Reich auffordern können, seine eigenen Landstreitkräfte zu begrenzen, witzelte Wilhelm (31) und er fügte hinzu:

Wir leben einfach in Mitteleuropa und es ist ganz natürlich, dass andere, kleinere Nationen sich uns zuneigen. Dagegen protestieren die Briten, weil es ihre Theorie vom Kräftegleichgewicht völlig zunichte macht, d. h. ihr Verlangen zu ihrem eigenen Vergnügen, eine europäische Macht gegen die andere auszuspielen, und weil es auf die Vereinigung eines Kontinents hinausläuft.(32)

Die Prämisse war aus deutscher Sicht richtig, aber die Schlussfolgerung war falsch:Wieder einmal wurde Großbritannien verhängnisvoll unterschätzt. Deutschland machte 1909 zwei Gegenvorschläge, den ersten im April. Die Diplomaten der Wilhelmstrasse schlugen ein beiderseitiges Marineabkommen vor, vorausgesetzt Großbritannien bietet seine ‘wohlwollende Neutralität’ für den Fall an, dass Deutschland sich auf dem Kontinent im Krieg befindet. Mit anderen Worten verlangte das Reich, England solle die Rolle eines passiven Zuschauers einnehmen. Zum zweiten Mal boten die Deutschen im Dezember die Beschränkung der Tonnage ihrer Kriegsflotte gegen ein britisches Neutralitätsabkommen und damit ein festes Flottenverhältnis an. Zweimal lehnte England ab.

Darüber hinaus beschloss England die Produktion auszubauen, um für jedes deutsche Kriegsschiff zwei Dreadnoughts, Großbritanniens neue Schlachtschiffe, zu herzustellen. Ein letztes Angebot an Russland erging 1911 während der Verhandlungen in Potsdam, die offiziell angesetzt worden waren, um sich mit dem Vordringen deutschen Kapitals in den Nahen Osten zu befassen. Sie dauerten mehrere Monate:Deutschland erklärte sich bereit, Österreichs Intrigen in Osteuropa Zügel anzulegen, wenn Russland einwilligte, der von Großbritannien betriebenen Politik seine Unterstützung zu entziehen, die sichmöglicherweise feindlich gegen Deutschland richten könnte.
Der Kaiser bekam die Zusage für eine Eisenbahnstrecke in Mesopotamien aber keine Neutralitätsgarantie seitens Russlands. Die anderen zerbrochenen Teile von Deutschlands weitsichtigem und gewichtigem Plan wurden an Großbritannien und Frankreich wegverhandelt.

Damit war der Spielraum für weitere diplomatische Manöver erschöpft. Von diesem Zeitpunkt an befand sich England auf Kriegspfad. Je mehr der Kaiser versuchte, die Tripel-Entente zu schwächen, desto mehr verstärkte Großbritannien sie: 1912 unterschrieb England ein geheimes Flottenabkommen mit Frankreich, und Frankreich tat das gleiche mit Russland.

Insgeheim, ohne dass selbst das Parlament und die meisten Minister es wussten, wechselte Außenminister Lord Grey mit Cambon, dem französischen Botschafter in London, eine Reihe von Briefen, in denen sich Großbritannien auf der Grundlage geheimer militärischer Abkommen, die die Generalstäbe beider Länder ausgearbeitet hatten, im Kriegsfall verpflichtete, auf der Seite Frankreichs einzugreifen. (33)

In diesen Tagen war der deutsche Generalstab mit Übungen nach dem Schlieffenplan und an seiner weiteren Feinabstimmung beschäftigt. Dieser Plan war 1905 aufgestellt und nach 1906 von Schlieffens Nachfolger, dem jüngeren Helmuth von Moltke, dem Neffen des siegreichen Generals bei Sedan 1871 abgeändert worden. Der Plan sah vor, den Krieg mit einem einzelnen durchschlagenden Streich zu entscheiden. Schlieffen ging davon aus, dass Deutschland auf zwei Fronten angegriffen werden würde, von Frankreich im Westen und Russland im Osten. Ersteres musste vernichtend geschlagen werden, ehe letzteres mobilisieren konnte. Jeder länger dauernde Kampf, in den das kampfbereite aber an Ressourcen arme Reich voraussichtlich hineingezogen werden würde, sollte vermieden werden und statt dessen durch einen hinhaltenden Widerstand im Osten, und ein vor Ort bereitstehendes, gegen Frankreich gerichtetes Truppenkontingent ersetzt werden. Es sollte den Kern des Planes ermöglichen: Eine große Flügelbewegung durch Holland und Belgien, die auf der Seite westlich von Paris vorstoßen und die französischen Armeen von hinten angreifen sollte.’(34)
Den Briten war der Plan bis ins letzte Detail bekannt:

Ohne dass es jemand in Berlin wusste, war er [der Schlieffen-Plan] 1906 dank eines Verräters, der ihn für sechzigtausend Franken verkauft hatte, in den Besitz der französischen Armee gelangt.’(35)
(Anm.: halte ich für unwahrscheinlich , evtl. Legende, da der kaiserliche Geheimdienstchef, Max Warburg ein Mann Rothschilds war, was wohl nur der deutschen Politik nicht klar war)

Tatsächlich wurde Belgien zum Eckstein des diplomatischen Vorwands Großbritanniens, sich an den Feindseligkeiten zu beteiligen.
Großbritannien verließ sich darauf, dass Deutschland unvermeidlich gegen die belgische Neutralität verstoßen musste, sobald Moltke den Blitzkrieg Schlieffens beginnen würde. Schon 1906 beteiligte sich der britische Generalstab in voller logistischer und geheimer Zusammenarbeit mit seiner belgischen Entsprechung an simulierten Manövern in ganz Belgien.
Sie betrafen den Einsatz eines britischen Expeditionsheeres auf dem Kontinent. Dieses wurde tatsächlich im August 1914 unter dem Befehl von Sir John French in Bereitstellung gebracht, um die französischen Armeen gegen Deutschlands Offensive auf Paris zu unterstützen.
Die Öffentlichkeit wurde über diese Pläne nie unterrichtet.(36)

Von da an (1911-14) riss die Serie von Krisen kaum mehr ab: Zwischenfälle in Nordafrika, Intrigen und kriegerische Reibereien auf dem Balkan, Warnungen, Herausforderungenund Gegenwarnungen von allen Seiten. (37)Vom Frühjahr 1914 an war die Entente zum Überfall aus dem Hinterhalt auf die Deutschen bereit. Am 29. Mai 1914 berichtete Edward House, Präsident Wilsons Hauptberater und Amerikas Graue Eminenz hinter dem anglo-amerikanischen imperialen Bündnis, aus Europa:

‘Wenn immer England zustimmt, werden Frankreich und Russland in Deutschland und Österreich eindringen‘.(38)

Der ‘Nützliche Idiot’ in Sarajevo

Jetzt brauchte man nur noch einen Vorwand oder einen anderen ‘Zwischenfall’, um dieses große und geduldig zusammengetragene Unterholz aufgestauter Feindseligkeit im Herzen Europa zu entzünden. Dazu reichte ein zeitlich passender ‘Terroranschlag’ und ein Terrorist aus, der ihn verüben würde. Er ließ sich in der eher unauffälligen Figur eines serbischen Studenten namens Gavrilo Princip leicht finden. Die Gelegenheit? Sarajevo.

  • Am 28. Juni 1914 statteten der rechtmäßige Erbe des Habsburger Throns, Erzherzog Ferdinand, und seine Gemahlin Sophie einen offiziellen Staatsbesuch in der neuen Hauptstadt der Provinz ab. Als Vergeltungsakt gegen Österreichs einseitige Annektierung von Bosnien-Herzegowina im Jahr 1908, das die Serben für sich beansprucht hatten, postierte Cabrinovic in Grabez zwei militante Anhänger einer geheimen, panserbischen Organisation mit der mehrdeutigen Bezeichnung ‚Schwarze Hand’ und dem Motto ‘Vereinigung oder Tod!’.

Sie warfen die Bombe auf das Fahrzeug der Königlichen Hoheiten, doch verfehlten es.

Die Bombe ging hoch und verwundete ein paar Passanten. Der Wagen fuhr weiter, und der Staatsbesuch verlief wie geplant.(39)
Als der Empfang im Rathaus zu Ende ging, stiegen der Erzherzog und seine Ehefrau wieder in den Wagen. Da tauchte plötzlich Gavrilo
Princip, der Dritte aus der Gruppe, winkend auf der rechten Seite des Wagens auf. Als er näher kam, schoss er auf Ferdinand und seine Ehefrau und tötete beide. Zu der Zeit waren alle drei ‘Terroristen’ noch nicht 20 Jahre alt.

Der auslösende Zwischenfall, der das sich überlappende System der Bündnisse in Gang setzte und seine Unterzeichner schließlich in den Krieg hineinzog, war endlich eingetreten. Es handelte sich um einen typischen Fall von Terrorismus, nämlich um eine Gewalttat.

Diese war im besten Fall ohne nachweisbaren politischen Gewinn oder Motiv, und im schlimmsten Fall, wenn sie eine weit blutigere Vergeltungsmaßnahme ausgelöst hatte, verfehlte diese die Terroristen. Ein Terrorakt nimmt im Allgemeinen die Form einer spektakulären Verwüstung an, die Wellen öffentlicher Empörung schlagen soll und dementsprechend der Gegenseite den Vorwand lieferte, einen Krieg zu beginnen. Terroristen anzuheuern scheint niemals ein Problem gewesen zu sein: Bei ihnen handelte es sich anscheinend im Grunde um lose Vereinigungen von Desperados, die sich leicht ausbilden, versorgen, und von den Geheimdiensten ihres Heimatlandes ausrichten lassen.

Oberflächlich gesehen handelte es sich um ein sinnloses Verbrechen; seinem Wesen nach war es ein politischer Schachzug, der anderswo geplant worden war. Wo? Die verdeckte Rolle des serbischen Geheimdienstes bei der Vorbereitung der drei jungen Studenten auf den Meuchelmord wird allgemein anerkannt, doch ‘der eigentliche Leiter des Komplotts war der russische Militärattaché, Oberst Victor Artamanow, der in einem frühen Stadium [den Chefs des Serbischen Geheimdienstes] gesagt hatte:

Macht voran. Wenn ihr angegriffen werdet, seit ihr nicht alleine.“(40)

Im Allgemeinen gehört zum Handwerkszeug des Terrorismus, dass der Staat eine kritische Gruppe aus dem Untergrund unterstützt: etwa eine ‘ethnische Befreiungsarmee’, oder eine ‚radikale Miliz’, zu deren Vorkämpfern – eine verzichtbare Randgruppen – viele Princips zählen, die sich auf Knast oder Galgen zurichten lassen.
Inzwischen weist die höhere Ebene dieser verschwörerischen Randgruppe eine Mischung an Leuten aus: für Desinformation, Organisation und Verschleierungen zuständige Geheimdienstbeamte und ‘Berater’, die selbst Geheimdienstbeamte sind und sich gegen Bezahlung von anderen staatlichen, ausländischen und sonstigen Dienststellen anmieten lassen, oder frühere Glücksritter, deren Sachkenntnisse das ganze Spektrum von der Anwerbung über Geldbeschaffung, subversive Methoden und ähnliche Verfahren der Destabilisierung umfassen.

Im einfachsten Fall gehört die geheime Anleitung der ‚Terroristenzelle’ durch Geheimdienste des Staates zu dem Teil des Manövers, das darauf abzielt, diese ‚Phantomorganisation’ in einen mehr oder weniger spektakulären Sabotageakt zu verwickeln. Die Sabotage richtet sich entweder gegen den Staat selbst, oder gegen den ‘als Ziel ausgesuchten Feind’, das heißt gegen eine Nation, deren Führungskader von den angeheuerten Terroristen im Namen ethnischer oder religiöser Rivalitäten bekämpft wird. Im ersten Fall, wenn die betroffene Regierung in rachsüchtigem Eifer der Vergeltung ‘gegen die Terroristen vorgeht’, werden dann rasch zahlreiche, vorbereitete Maßnahmen, die alle auf die soziale Kontrolle und Überwachung abzielen, eingeführt.(41)Sarajevos Fall war ein ‘typischer terroristischer Akt’ der zweiten Sorte. Er verfehlte keines der Ziele, die man sich von dem Unternehmen erwartet hatte, nämlich erstens brachte er Deutschland mit Hilfe Österreichs, das mit Russland verfeindet war, welches wiederum Serbien schützte, in den Krieg, zweitens brachte er Serbien voran, so dass man es vor den Wagen der Tripel-Entente spannen konnte; drittens opferte man die eigentlichen Täter, indem man sie zu Freiheits- und Todesstrafen verurteilte; und konnte so viertens die Identität der eigentlichen Drahtzieher des Komplotts vor dem historischen Gedächtnis verborgen halten.

Gavrilo Princip war der erste einer langen Reihe späterer ‚Sündenböcke’, ‚Schachfiguren’ oder ‘nützlicher Idioten’,(42) deren im Einzelnen wenig schmeichelhafte, aber politisch wichtige Aufgabe es ist, die Entscheidungen in Gang zu bringen, die zuvor von einem höhergestellten Staatsmann vorbereitet worden waren.
Viele solcher ‘nützlichen Idioten’ werden uns im Laufe dieser Darstellung in Verbindung mit entscheidenden Ereignissen noch begegnen: Felix Youssoupov (der Mörder Rasputins, 1916), Anton von Arco-Valley (der Kurt Eisner 1919 erschoss), Oltwig von Hirschfeld, Heinrich Tillesen und Heinrich Schultz (im Zuge der Mordversuche 1920 an und schließlich der Erledigung von Erzberger 1921), und Erwin Kern, Hermann Fischer und Ernst von Salomon (das Kommando hinter dem Tod Rathenaus, 1922), Martin van der Lubbe im Zusammenhang mit dem Reichstagsbrand 1933), und Alexei Nikolajew (die Ermordung Kirows, die die Säuberung der Trotzkisten 1934 auslöste).

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10 Kommentare

  1. Vollidiot sagt:

    Eränzende und erweiternde Literatur:
    Eggert, Israels Geheimvatikan
    Steiner, 173er Bände

    Die Rolle Bismarcks wäre da noch präziser zu untersuchen – klingt nach Sakrileg.
    Wahrscheinlich sollte es so sein.
    Verrat fand/ findet immer in den höchsten Ebenen statt.

    Hätte Principe nicht getroffen – der Nächste stand ein paar Ecken weiter schon bereit.
    Nach dem ersten, mißlungenen, Bombenversuch brach in London Unruhe aus.
    Dieses Fieber der Unruhe legte sich dann nach den Schüssen, die man kaum erwarten konnte.

    Warum erklärte Bethmann-Hollweg den Krieg – diese Pfeife?
    Auch so ein Gekaufter in einer langen Reihe Gekaufter.
    Welchen „Glauben“ hatter er wohl. Sag ich nicht.

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  2. luckyhans sagt:

    „In Europa, in dem sie alle gegen Deutschland (1904-45) aufgewiegelt haben“ –
    wie sonderbar deutlich erinnert uns das an die gegenwärtigen Vorgänge um Griechenland und die sog. „Austeritätspolitik“, die „natürlich“ von „Deutschland“ (?) ausgeht – die hiesigen und brüssligen Marionutten der CoL zeigen immer klarer, wem sie dienen…

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  3. Mit „Glauben“ hat das doch wenig am Hut, eher etwas mit den „Protestantischen“ Kaufmanns- und Banken-Dynastien. Die Guten Jungs des Papstes. LOL LOL — aber es braucht wohl noch mal 500 oder tausend Jahre bis der „europäisch“ abgerichtete und dressierte Mensch das Bewusstsein wieder erlangt …

    War er eine Pfeife, meinst du? Warum?

    Für seine Dynastie hat er doch einfach dicke fette Kohle durch „Deutschlands“ Verlust des WWI. gemacht.

    … übrigens sone Blogs wie „Lupo“, reine Scientology Filialen im Internet, diesen Dynastien herzlich willkommen 😉 … immer gut, um vom Wesentlichen abzulenken und die Leute mit totalen Nebensächlichkeiten zu unterhalten, die gar nichts ändern …

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  4. thomram sagt:

    @ Jauhu

    Ich bitte dich, der Gemeinde davon zu erzählen, was deine geäusserten Schmerzenslaute verursacht.

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  5. Vollidiot sagt:

    Na Jauhu
    So konnte man den Germanen die alleinige Kriegsschuld zuschieben.
    Dazu war er ausersehen – als Kanzler in dem damaligen Land.
    Wo man hinschaut Bnai Brit, Art et Trawei, Priöre de Sion, Schottenrituale, Gruftwesen.

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  6. das Gruftwesen wird doch hier seit Jahhunderten öffentlich praktiziert, was soll mir der Firlefanz von irgendwelchen kleinen „Sondergruppen“? Um einen „Gut-Böse“-Pol zu konstruieren? Immer weiter die gleiche Leier?

    @ thomram

    der absurde Unsinn von „Lupo“.

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  7. Vollidiot sagt:

    Jauhu

    Eben nicht Gut-Bösze-Pol.
    Man schafft Antagonismen, damit man das, was nötig wäre, vernebeln kann.
    Zwischen diesen Polen befindet sich der Ausgang . vor lauter Getöse und Geschrei und Nebelkerzen nicht zu sehen, es soll immer auf die beiden Gegensätze geschaut werden.

    Das echte Gruftwesen wird nicht offen praktiziert, noch nicht.
    Da scheinst Du vergeblich einer Möhre hinterher zu laufen.
    Bei Furzlogen vielleicht, Blutrituale aufm Marktplatz oder im Beichtstuhl sind eher ganz selten.

    Und Lupo als solchen kannst Du nicht als Unsinnmacher abtun.
    Da vermute ich bei Dir noch leichte Linsentrübungen.
    Einfach wechmeditieren – so wie Kämträls.
    Du siehst dann so klar wie ich den Säntis in klarer Winterluft.
    Und bei Abendrot.
    Es geht nichts über klare Luft und ebensolche Birne.

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  8. thomram sagt:

    @ Jauhu

    So es für dich notwendig ist zu leiden, wenn du Lupo liesest, so respektiere ich das.
    Und der allfällig auftauchende Leser hat es zur Kenntnis genommen.

    Sollte aber ein von Lupo aufgezeigter Fact widerlegbar sein, so bitte widerlege ungeniert, denn das könnte interessieren.

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  9. Ah, was, thomram, kräht kein Hahn danach, dass „Lupo“ von den Scientologen ist?

    „Die Geschichte“ ist die der Sieger, der Herrscher, der Menschenhalter — es ist nicht die meine, nicht die meines Volkes, nicht die meines „Stammes“ — was gehen mich die Geschichten dieser VERBRECHER an? Das hat sich eh früher oder später überlebt … die Karawane ist weitergezogen.

    Vor vielen Jahren kam so ganz spontan aus mir ein Text mit Melodie heraus: „Gefallen, Gefallen ist sie, die Große Hure Babylon, Gestürzt ist der Fürst dieser Welt – in einer Stunde ging’n sie zugrunde und und warn nie mehr gesehen. Sie die verführte die Könige dieser Welt – nun weinen alle Kaufleute um sie.“

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