114. von 144 – ELTERN KIND UND KINDERSTUBE – An den Früchten sollt ihr sie erkennen
Eckehardnyk, 2. November NZ 9
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Wer ist eigentlich der Beste auf der Welt? – Selbst wenn man diese Frage beantworten könnte: Der Beste würde niemals wünschen, daß dies bekannt würde. Immerhin ist bekannt, wer der Reichste sein soll, obgleich die Angaben der Zeitungen das nicht ganz einhellig anzeigen. Manche nennen einen Japaner, manche einen Mexikaner, manche (schon damals) Bill Gates. Aber sind das die Besten?
Können sie spontane Heilungen vollziehen und Tote erwecken? Was erwartet man denn vom Besten? Als der Französische König nach seiner Krönung aus der Kathedrale von Reims heraus geschritten kam, konnten Kranke, die sich dort schon gelagert hatten, durch seine Berührung noch geheilt werden. Im weiteren Verlauf des Königtums verlor das jeweils gekrönte Haupt dieses Können und nach der Revolution von 1789 ist es ebenfalls nicht wieder beobachtet worden, obwohl Ludwig XVIII. es noch einmal versucht haben soll.
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Einmal weniger hoch gegriffen erscheint uns unter denen, die sich in irgendeiner Disziplin bemühen, immer derjenige als der Beste, der in kürzester Zeit die schönste Leistung vollbracht hat. Nun treten aber beileibe nicht alle Menschen in einer sportlichen Disziplin an. Und nicht alle Menschen haben Berufe, in denen man sein Bestes geben kann. Kinder haben noch keine „Stellung“ – wie sollen sie da zu den Besten gehören? Sie können in den wenigsten Fällen wie ein Mozart irgendwelche Früchte ihres Talents für die Nachwelt zaubern. Sie bemühen sich aber dennoch unablässig, „die Besten“ zu sein. Haben Sie das schon bemerkt? Wie werden Ihre Kinder „die Besten“ oder doch wenigstens „gut“? Sie werden es kaum glauben: Zum Beispiel indem sie weinen dürfen.
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Es gibt einen Fachausdruck, dem das Weinen zugehört: Bindungsverhalten. Wissenschaft hat nämlich erforscht, daß Weinen von Kindern dann angewandt wird, wenn sie eine Bindung zu jemandem spüren und so zum Tragen bringen wollen, daß einem augenblicklichen Notstand bei ihnen abgeholfen werden soll. Investiert eine Bezugsperson, Mutter, Pflegeperson oder Vater in den ersten zehn Monaten genügend Aufmerksamkeit in dieses Weinen, so entsteht im Kind ein Gefühl von Sicherheit. Es fühlt sich gehalten oder bestätigt und wird nur dann mit seinem Schrei um Hilfe rufen, wenn es massiv von einer dummen Lage bedrängt wird, seien es Hunger, Durst, Schmerz, Kälte, Hitze, Enge, Druck, Vermissen von Bezugspersonen oder was sonst noch Angst und Kummer macht.
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Sie als Eltern werden von Ihrem Baby bald wissen, was es weint, weil Sie schon hören, wie es jammert, und Sie dieses Wie deuten können. Es kommt keineswegs darauf an, daß Ihr Baby gar nicht oder möglichst lange schreit. Nicht Zeit spielt die Rolle, sondern Qualität. Außer dem Weinen, Jauchzen und Lallen verfügt der Säugling über keine Sprache, die seinem Brüllen nach Belieben Ausdruck verleihen könnte. Gegenüber dem Tierreich ist das schon viel, dafür entwickelt sich das Bewegungskönnen langsamer. Nur je mehr Sicherheit Sie am Anfang durch Ihre verfügbare Wachsamkeit geben, desto unbekümmerter findet Ihr Kind in das Verhalten, das ihm die Welt draußen erschließt.
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Exploration nennt das die Wissenschaft und meint damit schon das erste Betrachten eigener Fingerchen, das mit vier Wochen bei Babys beginnt. Auch jedes Affenbaby spürt, ob sein Rücken von starken Eltern frei gehalten wird, ob es rasch zurückkehren kann zu einem Leib, an den es sich klammern darf. Da schon das Tierkind Vertrauen in verläßliche Bezugs“personen“ sucht und im Ernstfall sich mehr traut, als Kleintiere, die von solchen Stützen getrennt oder verlassen wurden, können wir unsere Behauptung getrost auf das Menschenkind übertragen. Auch hier liegen jedoch Beobachtungen vor, die belegen, daß der kleine Mensch, der Halt am großen bekommt, sicherer, kecker, unbefangener in neue Teile seiner Welt vorstößt und sie sich zu eigen macht. Der Erwachsene trägt viel dazu bei, daß sich der kleine Kerl in seiner Obhut sehr rasch ein eigenes Feld aufbaut, von dem aus er ständig agieren kann. Das Merkwürdige ist, daß gerade die mißlungenen Versuche bei solchen, auf rechtzeitige Hilfe bauenden Kindern, keinen Frust hinterlassen, sondern bald vergessen sind und Start in einen neuen Versuch ermöglichen. Dabei sind die Väter gerne Mitspieler, während die Mütter eher als das Rückzugsgebiet, die „mitwandernde Höhle“, bereithalten.
©
(eah)
1. März 1999 und 2. November 2021
Hat dies auf haluise rebloggt.
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[…] https://bumibahagia.com/2021/11/03/https-bumibahagia-com-p72004previewtrue/ […]
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Danke, haluise, die Überschriftfunktion war blockiert. Wie löst man das?
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Nee, Ram an meiner Stelle. Danke!
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