Warum Kinder zu ihren Eltern ein immenses Zutrauen haben
Eckehardnyk
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„Wer erklärt und die Welt?“ titelte das Monatsmagazin GEO schon im Dezember seine Ausgabe von Januar 1999. Man berichtete über die Annäherung zwischen Mystik und Naturwissenschaft. Sicher, da wird viel Wissenswertes bewegt. Aber ist es nicht doch so, daß immer nur du gefragt wirst, wenn dein Kind die Welt erklärt haben möchte? Steckt nicht in jedem seiner ungezählten Warums eine solche Bitte, die Zumutung zugleich höchsten Ausmaßes und tiefster Wirkung ist? Sieh doch selbst: Die Sache ist sehr einfach: Der, der die Welt geschaffen hat, soll sie auch erklären!
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Für dein Kind bist du (Vater oder Mutter) der Schöpfer, folglich auch der Erklärer. Gehörst du zu denjenigen, die Gott für den Urheber halten, müßtest du die Welt dir auch von ihm erklären lassen. Du sagst dann: Moment mal, ich geh fragen. Du rufst Gott an oder liest den Beipackzettel, den er dir beim letzten Rendezvous dagelassen hat, und vertraust auf deine Fähigkeit, den zu verstehen. Daraus kannst du ja dann deinem Kind ein bißchen erzählen. – Denkst du aber eher an einen Urknall als Entstehungsgrund des Alls, dann, versuch mal, den zu befragen. Wer oder was wird dich wohl am Ende weiser oder schlauer machen?
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Die Frage ist eben, wer oder was waltet eigentlich „in allem, was ist“? In den unermeßlich weiten Räumen, den endenlosen Zeiten, der Menschenseele Tiefen?[1] Ist es tatsächlich der Nachhall vom Urknall? Oder ist es das Göttliche? Wie gesagt, dein Kind vertraut darauf, daß du das weißt und, was noch viel schwerer wiegt, das du es auch bist, was du zu wissen vorgibst. Da bist du im ersten Moment überrascht und überfordert, meinst du. Eine solche Fülle ist dir noch nie unterstellt worden. Doch, dein Kind mutet dir das zu, es verdankt dir – zumindest ja sein leibliches – Hiersein, und es hält sich vorerst an seinen Leib. Der ihn gebracht hat, der hat ihn gemacht. Flüchte nicht zum Klapperstorch. Der bist du nämlich selbst.
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Mal ehrlich, bei welcher Vorstellung fühlst du dich besser: Ein Knall zu sein oder Gott? Du wirst denken, der (also ich) hat ja einen Knall, zumindest ein Knalltrauma; doch die Anfragen meiner kleinen Patienten haben in mir einen Nachklang erzeugt, in dem mehr mitschwingt, als der Urknall. Da schwingt so etwas wie Erinnerung mit. Und immer, wenn du über die Entstehung des Universums sinnierst, wird tief unten so eine Stimme raunen: Und du bist doch dabei gewesen! Das ist die Sonne, die in dir „nach alter Weise“ tönt! Und wenn du genauer hinhörst, wirst du gewahr, daß du nicht nur dabei gewesen, sondern es gewesen bist; denn was du in dir hast, ist nicht nur „die Sonne“, es ist: du selbst. Deshalb trifft auf dich zu, was Goethe im Faustprolog die Sonne sein läßt. Etwas, das niemand ergründen kann und mag. Das ist der Mensch in seiner Tiefe, Höhe und Weite; das bist du. Und dein Kind wird es ebenfalls sein. Wir alle sind es. Das mag dich erschüttern, aber es ist der Grund, warum du Gott eben mitten unter euch findest, wenn zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind. Nur trenn dich nicht von ihm, sei mutig er selbst, dann bist du auch: Du selbst.
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Erst jetzt verstehen wir, warum unsere Kinder solch immenses Zutrauen zu uns haben. Sie erleben live das Spiel „Schöpfungsgeschichte“ mit ihrer augenblicklichen Existenz, ein Mysterienspiel, wenn du erlaubst. Das ist das Vertrauen, daß der Verursacher von allem auch in allem waltet. Und der Garant dafür bist für dein Kind erstmal nur du. Akzeptiere diese Rolle in aller Bescheidenheit. Halte dich nicht deshalb für toll oder großartig, sondern schlicht und einfach für Gott; das reicht deinem Kind. Es soll dich ja nicht anbeten, sondern nur Gewißheit haben, daß es eines Tages als „verlorener Sohn“ heimkehren und bei sich den Ursprung, den Grund und den Vater für alles (und sich selbst) finden kann.
© (eah) 19. Dezember 1998 und 22. Juli 2020
[1] Es wird mich freuen, wenn jemand diese Satzfügungen wieder erkennt.
Haha….diesmal muß ich schon sehr schmunzeln.
Die Theorie mit Gott ist ohnehin die Glaubhaftere. Beim Urknall war ich ja nicht dabei 😉
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Hat dies auf haluise rebloggt.
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