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Eltern, Kind und Kinderstube: 50. von 144. Alles vom Feinsten

Wohin führt der Weg?

Eckehardnyk

1

In Korinth zur Zeit Alexanders des Großen gab es eine Menge Reiche, vor allem Neureiche. Sie besaßen wohl viel, aber eines fehlte ihnen: Zufriedenheit. Ganz anders Diogenes (412-324 vor Christus). Der lebte nur in einer Tonne; die war sein Zuhause und er war zufrieden. Deshalb hatte er Schüler. Einer von ihnen – oder er selbst? – sollte zum Ansehen eines etablierten Korinthers beitragen und wurde in dessen neue Stadtvilla eingeladen. Mosaiken, Täfelungen, Kassettendecken, geschliffene Marmorsäulen, goldenes Besteck, Elfenbeinsessel – wohin das Auge blickte: Nur erlesenes Material. Am Ende der Hausbesichtigung verspürte der Gast Druck im Rachen und erleichterte sich, indem er seinem Gastgeber ins

Gesicht spuckte. Dieser entrüstete sich: Dankst du mir so, daß ich gut zu dir war und dich an all meiner Pracht teilnehmen ließ? Der Philosoph darauf zynisch(1): Du Armer, in deinem Haus ist alles vom Feinsten, wo hätte ich da noch hinspucken dürfen?

2

Wozu mag diese Anekdote(2) dienen? Wir hatten ja im vorigen Abschnitt (49. von 144) eine Szene erlebt, die „schön gelaufen“ war. Irgendwie könnte sich im Betrachter eine Art von Bewunderung bemerkbar gemacht haben, daß ein Kind genau spürt und weiß, was es soll. Ein Kind bewundert umgekehrt auch dich, wenn und weil du genau das tust „was du sollst“. Es ist so alltäglich vertraut, wie du mit dem Geschirr flott und sorgsam umgehst, Betten aufräumst, bügelst, Kleider in den Schrank hängst, einkaufen gehst und vieles mehr, um nur mal bei Verrichtungen des Haushalts zu bleiben. Alles geschieht selbstverständlich und sieht leicht aus. Das kleine Kind sagt sofort: „Ich auch!“ Und dann gibt es bildlich gesprochen eine Weggabelung, die künftige Lebensformen bestimmen wird, auf deren Wegweiser Sätze stehen wie: „Das kannst du nicht; du bist viel zu klein; mach Platz!“ Oder: „Probier mal; siehst du, so geht das; da hast du auch einen Löffel.“ Es sollte klar sein, welchen Weg du mit deinem Kind nimmst. Ohne Bewunderung für dein Tun, könnte dein Kind niemals Folge leisten, aber es muß dieses Tun durch Selbermachen, durch Identifikation, den eigenen Möglichkeiten anpassen. Das kostet dich am Anfang etwas mehr Zeit, aber wird ungezählte Male diesen Zeit“verlust“ überholen, indem es immer geschickter und zu einem Teil von dir, genauer gesagt: ein Bürger der Provinz deiner Gewohnheiten, Fähigkeiten und Fertigkeiten wird.

3

Wenn du dann weiterkommen willst, wirst du die „Zutaten“ so auswählen, daß im Kind etwas erwacht, das über den Impuls, alles können zu müssen, hinaus führt. Es lernt auch deine Sphäre zu achten. Es läßt dir dein „Reich“. Aber auf dieselbe Art und Weise wie der Zyniker dem reichen Korinther sein schönes Haus „gegönnt“ haben mag?

4

Wie sorgen wir vor, daß unsere Kinder zwar unsere schönsten Sachen in Ruhe lassen, uns aber stattdessen nicht „ins Gesicht spucken“? Lassen wir es uns durch die unzähligen Minnesänger und Troubadoure des hohen Mittelalters vormachen: Sie besangen die edelsten Frauen eines Fürstenhofes und fanden in dieser, Minne genannten, Liebe, was ihnen in der Welt des Kampfes draußen Begeisterung unKraft verlieh: Den Geist einer edlen Seele. – Sie konnten ja diese Frauen nicht „besitzen“, aber „verehrend lieben“.

5

Manche kennen das Gefühl beim Betreten eines piekfeinen Geschäftes: Am liebsten dort alles so lassen, wie es ist. Manche gehen dort um nur mal zu stöbern erst gar nicht über die Schwelle, nicht nur aus Furcht vor den hohen Preisen. Was „edel“ ist, auch in der Natur, verbindet sich schlecht oder mit gar nichts. Es läßt sich aber aufs Feinste arrangieren. Im Heranwachsenden finden wir diese Schwellenangst auch beim Berühren oder Betreten solcher heiligen Zonen, zu denen dein Revier und deine Sphäre gehören. Er wird auch vermeiden, dich in Sachen zu verwickeln, nicht nur, weil du davon nichts verstehst, sondern auch aus – Ehrfurcht. Diese wird ja empfunden, wenn es darum geht, die eigene Herkunft zu ergründen, zu kennen und die des anderen zu respektieren. Hieraus erwachsen die Umgangsformen zwischen Menschen im Feinen und die mit Etiketten verbundenen, (von Diogenes als Konvention abgelehnten) Auftritte von Kavalieren und Damen.


© 🦄 (eah) Dezember 1998 und 1. Juni 2020

(1) Diogenes nannte sich ob seiner Schamlosigleit selbst einen Hund, griechisch kyoon, daher die Schule seiner Denkweise die der Kyniker benannt wurden, woher unser Begriff zynisch stammt.

(2)Die genauso erfunden sein kann, wie das meiste der Geschichten, über Diogenes. Von ihm selbst ist nichts Schriftliches erhalten.


1 Kommentar

  1. palina sagt:

    „Ein Kind bewundert umgekehrt auch dich, wenn und weil du genau das tust „was du sollst“. Es ist so alltäglich vertraut, wie du mit dem Geschirr flott und sorgsam umgehst, Betten aufräumst, bügelst, Kleider in den Schrank hängst, einkaufen gehst und vieles mehr, um nur mal bei Verrichtungen des Haushalts zu bleiben. Alles geschieht selbstverständlich und sieht leicht aus.“

    Da sind wir in dem Thema Nachahmung.

    Kinder lernen nur von den Erwachsenen. Und immer durch TUN.

    Leider verkümmern sie heute in den Kitas. Und die Erwachsenen tun zu wenig was Kinder nachahmen können. Es wird immer nur etwas unsinniges „gebastelt.“ Es wird kein Bezug zum richtigen Leben hergestellt.

    Beispiele von mir bei der Kind-Begleitung.

    Meine Kinder und Besuchs-Kinder „durften“ immer helfen. Habe das Wort „dürfen“ ganz gewusst gebraucht.
    Nicht ihr müsst das Zimmer aufräumen, sondern ihr dürft das Zimmer aufräumen.

    Geschirrspülen von Hand (obwohl Geschirrspüler vorhanden) und sie durften das alles polieren. Hatten ihren Spass, wenn sie sich in den glänzenden Töpfen und Löffeln sehen konnten.
    Sassen dann auf dem Boden mit den Topf und dem Geschirrtuch und haben ordentlich gerubbelt bis es blank war.

    Blumen auf dem Tisch beim Spaziergang auf der Wiese gepflückt. So wird die Verbindung zum Geistigen angelegt.
    Und alles ist gut und schön, das muss man Kindern vermitteln. Sie nicht vorzeitig in die Kausalität bringen.
    Das raubt Lebenskräfte.

    Beispiel dafür.
    Ich kaufe ein Pfund Erdbeeren und die Hälfte ist schlecht. Sage ich nicht, so ein Mist, da ist fast alles verschimmelt.
    Sage ich: Schön da sind noch so viele gute Erdbeeren drin.

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