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Jill – Opferdasein ade! 3

Auszug aus Colin Tipping: “Ich vergebe – Der radikale Abschied vom Opferdasein“

3. Folge

Vom Standpunkt der Radikalen Vergebung aus betrachtet war

Jeffs seltsames Verhalten unbewusst darauf ausgerichtet, Jill zu

helfen, die unverarbeitete Beziehung mit ihrem Vater zu heilen.

Wenn sie dies sehen und die Vollkommenheit von Jeffs Verhalten

erkennen könnte, würde ihre Verletzung heilen – und Jeffs Verhalten

sich höchstwahrscheinlich ändern. Ich war mir jedoch

nicht sicher, wie ich dies Jill auf eine ihr momentan einleuchtende

Weise erklären konnte. Glücklicherweise brauchte ich es gar

nicht erst zu versuchen. Sie kam ganz von selbst auf diesen offensichtlichen

Zusammenhang.

Später an diesem Tag fragte sie mich: „Colin, findest du es nicht

auch seltsam, dass Jeffs und deine Tochter denselben Namen

haben? Und mehr noch: Beide sind blond und sind die ältesten

Kinder. Ist das nicht ein seltsamer Zufall! Glaubst du, dass es da

einen Zusammenhang gibt?“

Ich lachte und erwiderte: „Mit Sicherheit. Dies ist der Schlüssel

zum Verständnis der gesamten Situation.“

Sie sah mir lange tief in die Augen. „Was meinst du damit?“

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„Das musst du schon selbst herausfinden“, erwiderte ich. „Siehst

du noch mehr Ähnlichkeiten zwischen dieser Situation mit Dad

und meiner Lorraine und deiner gegenwärtigen Situation?“

„Mal sehen …“, sagte Jill. „Beide Mädchen haben denselben

Namen. Beide scheinen in ihrem Leben das zu bekommen, was

ich von den Männern in meinem Leben niemals bekam.“

„Was ist das?“, fragte ich nach.

„Liebe“, flüsterte sie.

„Sprich weiter“, forderte ich sie vorsichtig auf.

„Es scheint, dass deine Lorraine von Dad die Liebe bekommt, die

ich nicht bekam. Und Jeffs Tochter Lorraine bekommt von ihrem

Dad auch alle Liebe, die sie will – aber auf meine Kosten. O

Gott!“, rief sie aus. Anscheinend begann sie zu verstehen.

„Aber warum? Ich sehe die Ursache nicht. Es ist etwas beängstigend.

Was geht da vor?“ fragte sie in Panik.

Es war Zeit, das Puzzle für sie zusammenzusetzen. „Lass mich

erklären, wie es funktioniert“, sagte ich. „Dies ist ein perfektes

Beispiel dafür, dass – wie ich vorhin sagte – eine völlig andere

Realität hinter dem Drama, das wir ‚Leben‘ nennen, steht.

Glaub’ mir, es gibt nichts, wovor du Angst haben müsstest.

Wenn du siehst, wie es funktioniert, wirst du mehr Vertrauen,

mehr Sicherheit und mehr inneren Frieden spüren, als du es jemals

für möglich gehalten hättest. Du wirst erkennen, wie wir

durch das Universum oder Gott, wie auch immer du es nennen

willst, getragen werden, in jedem Moment jeden Tages, ganz

gleich, wie schlimm uns die Lage erscheinen mag“, sagte ich so

zuversichtlich, wie ich konnte.

„Aus spiritueller Perspektive betrachtet, ist unsere Unzufriedenheit

mit einer gegebenen Situation ein Zeichen dafür, dass wir

spirituell aus dem Gleichgewicht geraten sind und sich uns eine

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Gelegenheit bietet, etwas zu heilen. Es kann ein echter Schmerz

sein oder auch ein vergifteter Gedanke, der uns davon abhält,

unser wahres Selbst zu sein. Wir sehen es jedoch häufig nicht

aus dieser Perspektive. Stattdessen beurteilen wir die Situation

und machen andere dafür verantwortlich, was geschieht. Dies

hält uns davon ab, die Botschaft zu verstehen und unsere Lektion

zu lernen. Es verhindert unsere Heilung. Wenn wir nicht

heilen, was geheilt werden muss, bleibt uns nichts anderes übrig,

als weitere Unzufriedenheit zu erzeugen, bis wir buchstäblich

gezwungen sind, uns zu fragen: ‚Was geht hier eigentlich vor?‘

Manchmal muss die Botschaft sehr laut sein oder der Schmerz

unerträglich, bevor wir anfangen, hinzuschauen. Eine lebensbedrohliche

Krankheit etwa ist eine deutliche Botschaft. Doch

manche Menschen sehen den Zusammenhang zwischen dem

aktuell Geschehenden und der Chance zur Heilung selbst im

Angesicht des Todes nicht.“

„In deinem Fall ist das zu Heilende dein alter Schmerz hinsichtlich

deines Vaters und der Tatsache, dass er dir niemals Liebe

zeigte. Darum geht es bei deinem aktuellen Schmerz und deiner

Unzufriedenheit. Dieser Schmerz entstand immer wieder, in den

verschiedensten Situationen. Aber da du die Gelegenheit nicht

erkanntest, konnte die Verletzung nicht heilen. Daher ist es ein

Geschenk, wenn der Schmerz nun wiederkommt und dir Gelegenheit

gibt, hinzusehen und Gesundung zu ermöglichen.“

„Ein Geschenk?“, fragte Jill. „Du meinst, es ist ein Geschenk, weil

darin eine Botschaft für mich enthalten ist? Eine Botschaft, die

ich schon vor langer Zeit hätte erhalten sollen, wenn ich sie nur

verstanden hätte?“

„Genau“, sagte ich. „Hättest du es damals verstanden, wäre deine

Unzufriedenheit geringer gewesen, und du müsstest nicht

durch das gegenwärtige Leiden gehen. Doch es spielt keine Rolle.

Jetzt ist es auch gut. Es ist perfekt. Du brauchst keine lebens-

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bedrohliche Krankheit, um zu begreifen, wie es so viele Menschen

tun. Du beginnst, es zu verstehen – und zu heilen.“

„Lass mich dir einmal genau erklären, was geschehen ist und wie

es dein Leben bis heute beeinflusst hat“, sagte ich. Ich wollte,

dass sie die Dynamik ihrer gegenwärtigen Situation klar vor

Augen hatte.

„Als kleines Mädchen fühltest du dich verlassen und ungeliebt

von deinem Dad. Dies ist eine niederschmetternde Erfahrung. Aus

entwicklungspsychologischer Sicht ist es notwendig für ein junges

Mädchen, sich vom Vater geliebt zu fühlen. Da du diese Liebe

nicht gefühlt hast, hast du daraus geschlossen, dass etwas mit dir

nicht stimmt. Du begannst, wirklich daran zu glauben, dass du

nicht liebenswert und nicht gut genug bist. Dieser Glaube verankerte

sich tief in deinem Unterbewusstsein und begann später – als es

zu Beziehungen kam – dein Leben zu ruinieren. In gewisser Weise

kam es immer wieder zur Bestätigung dieser unbewussten Überzeugung:

Es gab in deinem Leben genügend Situationen, die dir

vorspiegelten, du seist in der Tat nicht gut genug. Unser Leben wird

immer unsere Überzeugungen bestätigen.“

„Für dich als Kind war der Schmerz, die Liebe deines Vaters nicht

zu bekommen, mehr, als ein Kind ertragen konnte. Also hast du

einen Teil des Schmerzes – und damit noch viel mehr – unterdrückt.

Wenn man ein Gefühl unterdrückt, weiß man, dass es da

ist, aber man frisst es in sich hinein. Unterdrückte Gefühle werden

so tief im Unterbewusstsein vergraben, dass man sich ihrer

nicht mehr bewusst ist.“

„Später, als du merktest, dass dein Vater von Natur aus kein liebevoller

Mensch ist und wahrscheinlich niemanden lieben konnte,

begannst du dich etwas davon zu erholen, nicht von ihm geliebt

zu werden. Du begannst zu heilen. Wahrscheinlich hast du

begonnen, einen Teil des unterdrückten Schmerzes loszulassen

und einen Teil deiner Überzeugungen aufzugeben, dass du nicht

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liebenswert bist. Wenn er wirklich niemanden lieben konnte, war

es vielleicht doch nicht dein Fehler, dass er dich nicht liebte.“

„Doch in diesem Moment platzte die Bombe, die dich wieder

ganz zum Anfang zurückwarf. Als du beobachtetest, wie er meine

Lorraine liebte, löste dies in dir deine ursprüngliche Überzeugung

wieder aus. Du sagtest dir, ‚mein Vater kann doch lieben, aber

er liebt nicht mich. Es ist offensichtlich doch mein Fehler. Ich bin meinem

Vater nicht gut genug, und ich werde niemals für einen Mann gut genug

sein.‘ Von diesem Zeitpunkt an führtest du immer wieder Situationen

herbei, die dich in der Überzeugung bekräftigten, nicht gut

genug zu sein.“

„Wie habe ich das gemacht?“, unterbrach mich Jill. „Ich kann

nicht erkennen, wie ich es geschafft habe, in meinem Leben nicht

gut genug zu sein.“

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