Eltern erlauben, Kinder dürfen, Gewissen erzieht
Eckehardnyk, Dienstag, 5. Juli NZ 10
1.
Kinder empfinden durch ihre Sinne, was sie dürfen. Sie haben irgendwann eine schmerzhafte Erfahrung mit ihrem Leib gemacht, beispielsweise in eine brennende Kerze gefaßt, und sind gegen weitere Erlebnisse dieser Art „geimpft“. Tiere lernen auf dem gleichen Weg. Die Lernergebnisse nennt man auch „Dressate“. Als „gute“ Eltern weigern wir uns im Innern, anzuerkennen, daß wir unser Kind dressieren. Aber anders als über den Körper, der für erwünschtes Verhalten belohnt und für unerwünschtes bestraft, lernt der Mensch seine Lektion als Erdenbürger nicht beizeiten. Bis nämlich über den Verstand Zusammenhänge begriffen werden, ist unser Kind längst vielleicht von einem Fensterbrett gefallen, auf das es sich verstiegen hat.
2.
Andrerseits lernen Kinder niemals, was sie dürfen, wenn man es ihnen nicht erlaubt. Schon deinem Neugeborenen solltest du erlauben, seine Händchen wahrzunehmen, indem du ihm die Lage auf dem Rücken ermöglichst. Später wird sich dein Kind immer wieder vergewissern, ob du mit deiner Aufmerksamkeit so weit bei ihm bist, daß es sich zu seinen experimentellen Vorhaben „beurlaubt“ fühlen darf. Urlaub war in althochdeutscher Bedeutung eine „zeitweilige Erlaubnis, sich zu entfernen“. Sich aus der Obhut Hinauswagen und Ausprobieren, wie was geht, ist die grundlegende Erfahrungsweise für jede Wesenheit, die auf Sinnesorgane angewiesen ist. Deswegen fehlt dem Experimentierenden zunächst jede Bindung an eine gefühls- oder gewissensmäßige Instanz, solange Erfahrung nicht gesammelt und geordnet ist. Erst dann tritt mit dem erfahrenen Eindruck eine Erinnerung auf und verwebt damit ein Gefühl, das jederzeit wieder hervorgerufen werden kann, wenn die auslösenden Umstände geboten sind. Der Mensch kann sich diese Umstände in der Seele wachrufen, das Tier braucht immer wieder den sinnlichen Eindruck seines Reviers, um „Erinnerung“ zu haben. Du siehst also, daß Menschwerden damit zu tun hat, aus sinnlich erfahrbaren Tatsachen seelisch gewirkte Weisheit entstehen zu lassen. Das ist zwar einfach gesagt, aber schwierig zu bewerkstelligen, wie du der Unsicherheit, die das Abenteuer Erziehung auslöst, entrinnen kannst. Das ganze „Menschliche Drama“ und die damit verbundene „Göttliche Komödie“ drehen sich darum.
3.
Du weißt, oder auch nicht, daß die Menschheit sich ständig fragt, was sie darf. Das Klonen von Schafen soll erlaubt, das von Menschen verboten sein, das Produzieren von radioaktiven Abfällen gilt als erlaubt, das Verklappen derselben ins Meer als verboten. Mit Ethikkommissionen versucht man, den immer gefährlicheren Experimenten Manschetten anzulegen. Aber es geht kein Weg daran vorbei, daß Mensch im Lauf seiner Entwicklung „alles“ erfahren will und wird. Deshalb ist es auch in Ordnung, wenn dein Kind „alles“ ausprobiert. Aber bemerke auch bitte sein ständiges Referencing, also sein Sich Vergewissern, ob du erlaubst und ob es darf. In diesem Fall übernimmst du als Vater oder Mutter die noch nicht voll anwesende Instanz seines Ichs, das erst „um die Ecke“ geschaut haben kann, wenn es Voraussicht gelernt hat, was Folge einer Tat ist.
4.
Je folgerichtiger der Zusammenhang zwischen Erlaubtem und Gedurftem ist, desto besser kann sich euer Kind „vorbereiten“. Es darf alles, was ihm (und andern) keinen Schaden zufügt. Zwar sind darüber die Ansichten verschieden, was ein „Schaden“ sei, ich meine aber ein Defekt im Hirn ist gewiß ein solcher. Und den sollten Eltern verhindern helfen, indem sie keine Widersprüche entstehen lassen. Das Begehren einer Süßigkeit ist verständlicherweise mit einer erwarteten Freude verbunden. Doch das Gewähren, damit ein Kind Ruhe gibt, sorgt in minimalen Dosen und lange unbemerkt für eine bleibende Schädigung. Der Sinn von Schenken ist Freude Machen. Wenn daraus „Lästigkeit Abstellen“ wird, lernt ein Kind, lästig zu sein, um darüber wenigstens für sich Freude zu erlangen. Eine traurige Karriere, nur – leider – keine seltene. (Statt Süßigkeiten werden heutzutage Smartphone an kleinste Kinder verabreicht). Eines Tages wird statt seiner vorübergehenden Lästigkeit sein ganzes Wesen „abgestellt“, und entsprechend abgeschoben und irgendwie sinnlos verbringt es sein übriges Dasein.
© (eah)
2. April 1999 und 5. Juli 2022
„Doch das Gewähren, damit ein Kind Ruhe gibt, sorgt in minimalen Dosen und lange unbemerkt für eine bleibende Schädigung. Der Sinn von Schenken ist Freude Machen.“
Schon tausende Male bei den jungen Eltern beobachtet.
Wie heißt der Satz immer:“Wenn du das………machst, bekommtst du das…………….
Es ist eine Art Dressur, bei der gelernt wird zu gehorchen bzw. sich anzupassen.
Der Erwachsene sollte immer als Vorbild dienen. Das heißt Selbsterziehung.
Was bei vielen Eltern nicht mehr gegeben ist, da das Bewusstsein dafür fehlt.
Wird so ein Kind erzogen und ist auch noch ein „Einser-Kandidat“ im Abitur, kann es z.Bsp. Medizin studieren.
Das sind die Ärzte, die wir heute haben.
Was sich massiv die letzten 2 Jahre gezeigt hat.
War allerdings schon vorher sichtbar, wer es sehen wollte.
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Am Samstag im übervollen Regionalzug. Ein Kind weint. Zwischen den vielen stehenden Leibern bekam ich einen Platz angeboten. Neben mir ein etwas ergrauter Mann in Sportsachen und gegenüber irgendwo das Kind mit seiner Mutter, die ihm anscheinend ein Stück Schokolade in den Mund gesteckt hatte. Doch den Rest musste sie dem Vater zwischen den stehenden Passagieren rüber reichen. Sein Beitrag war darüber hinaus nur Gerede, mit dem er die etwas in Singsang verfallende Mutter unterbrach. Ich versuchte nach einer Weile, den Tostämmiger n des Kindes zu treffen, eine Oktave tiefer. Gegen Ende der Fahrt wurde das Weinen stiller. Die Mutter holte das Kind aus dem Wagen. Es war ein Junge, ohne eine einzige Träne, er konnte stehen und sah aus, als hätte er schwere Gewichte gestemmt. Wie wird diese Karriere enden? Zwanzig Minuten Dauerweinen bedeutet doch was, aber was?
Ich bin Herrscher in meinem Reich, und die Grenzen werden durch den Ton bestimmt, den ich anstimme. Dann habe ich weder Angst vor vielen Fremden, noch vor dem drängelnden Vater, noch vor der ängstlichen Mutter und so weiter.
Die Erwachsenen halten das für Weinen. Die Ungeduldigen, Unduldsamen für Geschrei. Ich glaube das Kind hat sich behauptet. Deshalb waren seine Augen trocken geblieben.
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@eah
Ein schönes Beispiel dafür wie gewisse Kinder die Eltern erziehen, welche nicht der Verantwortung gewachsen oder die zu (Denk)Faul sind das zu tun das nötig wäre und damit meine ich diesmal keine „Schelle“
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Hat dies auf haluise rebloggt und kommentierte:
AUSSERORDENTLICH WICHTIG
HEUTE IGNORIERT … luise
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