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Dreißigster Einwurf des Ziegelbrenners

In früheren Zeiten regelmäßig – jetzt nur noch sporadisch kommen die „Einwürfe“ vom Ziegelbrenner, einem Menschen, dem das Buch in seiner schönsten weil gedruckten Form am Herzen liegt. Und weil es mir ähnlich geht, nachfolgend diese Übernahme aus seinem Rundbrief.
Luckyhans, 28. März 2019
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Liebe Freundinnen und Freunde des gedruckten Buches,

zunächst ein Hinweis in eigener Sache: am 26. März ist der 50. Todestag von B. Traven / Ret Marut, nach dessen Zeitschrift „Der Ziegelbrenner“ (1917-1921) auch mein Buchvertrieb benannt ist. Entsprechend findet sich Literatur von & zu Traven auf meiner Homepage: www.ziegelbrenner.com/produkt-kategorie/buecher/ret-marut-b-traven/.

Jenseits verklärender Sozialromantik schrieb Traven in seinen ab den 1920er Jahren publizierten Büchern nicht zuletzt von der durch das Kapital bedrohten einfachen, harten, zugleich weitgehend autonomen Lebensweise der indigenen Bevölkerung in Chiapas/ Mexiko. Zu lesen war von einem Leben, in dem es noch möglich war, sich Zeit zu nehmen. Zeit für ein Leben, das Momente der Muße bot.
Eine Muße, die man sich – dies vor allem – nicht kaufen brauchte.

Auf der Rückfahrt von einer Antiquariatsmesse komme ich an einer Plakatwand vorbei, „Mal tun und lassen was ich will“ ist zu lesen. Beworben wird eine Karibik-Kreuzfahrt. Ab 2595 Euro pro Person ist man dabei, bei Belegung einer 2er Kabine (für Einzelreisende, und auch sonst, wird es schnell deutlich teurer). Ja, tun und lassen, was man will, muss man sich leisten können. Immerhin, mit einem Buch wird eine kleine Auszeit schon mal deutlich günstiger.
Aber wer will schon noch ein Buch?

Kommt ja häufiger vor: Das Telefon klingelt, am anderen Ende der Leitung ein Bücherproblem. Das Bücherproblem hat die Bücher geerbt und ein Problem damit oder das Bücherproblem will umziehen und die Bücher sind das Problem dabei oder… Das Problem sind immer die Bücher“, schreibt eine Kollegin so zutreffend in ihrem Blog. Und beschreibt dann, wie verzweifelt Antiquare – immer noch eine ziemlich männerdominierte Branche, im Unterschied zu Neubuchläden – kontaktiert werden. Ja, wer Bücher hat, hat, in dieser Lesart, keinen Schatz, sondern ein Entsorgungsproblem. Entsorgungsproblem – ja, so sagte es mir einst wörtlich ein Kollege.

Selbst die Bibliotheken wollen sie nicht mehr, die Bücher. Ernsthaft schlägt der Chef der Bibliothek der angesehenen Züricher Eidgenössisch-Technischen Hochschule eine bücherlose Bibliothek vor. Ja, am Eingang dürfe noch ein Regal stehen, für den Aha-Effekt. Attrappen würden da reichen. „Weil die Leute ein Bild der Bibliothek haben… Wenn sie in einer Bibliothek keine Bücher sehen, dann denken sie, sie seien am falschen Ort“. Mag ja sein, dass solches Denken dem vielbeklagten Platz- und Geldmangel der Einrichtungen geschuldet ist, dennoch kommt es der Selbstaufgabe gleich. Vergessen wir nicht, dass an den Bibliotheken das Lesen noch unabhängig von den Profitinteressen großer Konzerne möglich ist, das man dort (wie in guten Buchläden) jenseits von „Wer dies kauft…“-Algorithmen noch auf Unerwartetes, Unbekanntes stoßen kann, das Bibliotheken auch ein öffentlicher Raum sind, ein Ort von Begegnung und Austausch. Orte eben, an denen Gesellschaftlichkeit, Sozialität, Kultur – nicht zuletzt Buchkultur – sichtbar sind.

All dies wird kurzerhand für obsolet erklärt. Doch eine Ahnung ist da, dass etwas fehlt. Die Haptik, der Geruch. Keine Nische im Kapitalismus, die lange unbesetzt bliebe, und so bringen Online-Händler (ausgerechnet) in großer Auswahl Duftkerzen mit Buchgeruch unter die buchsozialisierte Menschheit. Ein verfrühter Aprilscherz? Keineswegs. Bei Amazon kann man sich entscheiden – soll es nach alten Büchern, einem Buch-Café oder der ehrwürdigen Oxford Library riechen? Fehlt nur noch, dass man nach einzelnen Titeln gefragt wird. Der passende Duft zum an der Nordseeküste spielenden Krimi, der in Printform nicht mehr aufgelegt wird, etwa. Heimeliger Bücherduft, um das Lesen des e-books angenehmer zu machen. Wie riecht eigentlich die Anarchie?

Immerhin, e-books brauchen keine Plastikfolie. Aber brauchen Bücher eine Folierung? Doch wohl kaum, diese Unsitte hat auch erst in jüngeren Jahrzehnten um sich gegriffen. Nun verzichten immer mehr Verlage auf das Einschweißen, und sie machen aus einer eigentlichen Selbstverständlichkeit noch ein großes Bohei. Nach kleineren Verlagen wol­len auch Die Werkstatt, Hanser, C. H. Beck und andere weitgehend auf Plastik verzichten, teils (C. H. Beck) auch klimaneutral werden.
Nun ja, Anares – dessen Resteverwalter Der Ziegelbrenner ist – war schon vor 10 Jahren klimaneutral, als erster Buchversand über­haupt. Ohne großes Tamtam. Im Gegensatz zu den Verlagen heute war für Anares aller­dings klar, dass die Klimafrage nicht von grundlegenderen Auseinandersetzungen um Kapital & Klasse zu trennen ist, wenn sie denn nicht nur ein einlullender Werbegag sein soll.

Einmal im Jahr brummt das Buchgeschäft ja noch mal ordentlich, doch nun dauert es wieder eine Weile bis zum nächsten Weihnachtsfest. Wobei ja im März oder August nicht weniger Zeit oder Geld zum Lesen da ist. Die Fixierung auf das Weihnachtsgeschäft kommt so einer Ohrfeige gleich für jene Menschen, denen es an Büchern liegt. Bereits 1928 erinnerte der mit Franz Kafka und Max Brod befreundete Publizist Willy Haas – in noch nicht gegenderter Schreibweise – daran, dass Buchhandel und Verlage sich auch die übrigen 11 Monate um die Leseinteressierten zu kümmern hätten: „Der typische Buchkäufer… ist kein Bücherverschenker, sondern ein Bücherleser“. Die Reduktion auf den Weihnachts-Hype trägt dazu bei, der Buchkultur als einer gelebten Alltagskultur das Grab zu schaufeln.

Vor einem Jahr machte ein Alarmruf die Runde, der Buchmarkt habe massiv LeserInnen verloren. Vor allem jüngere Altersgruppen beträfe dies, und zwar unabhängig vom Bildungsstand. Dies zeige sich nur deshalb in den Umsätzen noch nicht so krass, weil immer weniger Menschen zugleich immer mehr Bücher kaufen, es also in einem kleinen Bereich eine „steigende Kaufintensität“ gab. Im Laufe von 2018 seien nun aber der Marktforschung zufolge immerhin 500.000 BuchkäuferInnen „aktiviert“ worden, immerhin, nachdem sich in den Jahren zuvor rund 6 Millionen vormalige KäuferInnen von Medium Buch abgewendet hatten. Euphemistisch spricht der Chef der Frankfurter Buchmesse von einer „Sättigung des Buchmarktes“. Gut, die Buchbranche ist Krisenstimmungen gewohnt, erst waren es die großen Buchhandelsketten, dann Amazon, dann das e-book, und nun also noch eine Buch-Totalverweigerung.

Aber ist das wirklich so? Sicher, die Mediennutzung hat sich differenziert. Das Buch teilt sich die Zeit, die für die tägliche Mediennutzung zur Verfügung steht, mit dem Posten, Chatten, Liken, Bloggen, Streamen der verschiedenen Kanäle. Einerseits. Ja, die Ressource Zeit ist endlich. Die absolute, zur Verfügung stehende Zeit, hat ein Limit. Wie wir sie nutzen, ist aber immer auch eine Frage der Prioritäten. Insofern machen wir es uns zu einfach mit dem Verweis auf die neuen Medien.

Vielleicht haben viele LeserInnen einfach auch zu viel vom immer Gleichen gesehen. Wenn ich inmitten der vermeintlich trendigen, effektheischenden Buchumschläge auf den Bestseller- und Aktionstischen der Buchläden mal ein schlichtes Cover entdecke – wie sie etwa der Berliner Verbrecher Verlag so vortrefflich zu gestalten weiß – schlägt mein Herz gleich höher. Die trauen sich was, denke ich, die machen keinen Augenkrebs mit grellbunten Farben, nein, die machen mich einfach neugierig. So soll es sein. Und dann: die Klappentexte! Für wie dumm hält man die Menschen eigentlich, dass man derart reißerisch-plattitüdenhaft daherkommen muss? Das sind keine Verkaufsargumente, da blitzen mir nur Austauschbarkeit, Langeweile und Einfallslosigkeit entgegen.
“Macht die Bücher billiger“ rief Tucholsky einst, als den Menschen oft noch das Geld fürs tägliche Brot fehlte (derlei existentielle Notstände nehmen, angesichts zunehmender Schere zwischen Arm und Reich, auch in den mitteleuropäischen Wohlstandsinseln längst wieder zu). „Macht die Klappentexte besser“, möchte ich heute ausrufen.

Apropos „Macht die Bücher billiger“: ja, immer wieder ist zu hören, Bücher seien zu teuer. Und ja, für viele sind sie das auch, in einer Zeit, da die rot-grüne Hartz IV-Agenda einher­geht mit Verboten noch prekärster Existenzsicherungen wie dem „Containern“.
Doch gerade von „denselben, die ohne Murren 18 Euro für zwei Gläser Wein ausgeben“, wie Buchgestalter Rainer Groothuis zutreffend anmerkt, ist die Buchpreis-Klage besonders oft zu hören. Bücher sind auf dem besten Weg, die ersten wertlosen Güter im Kapita­lismus zu werden (oder genauer: Güter, die einen Wert haben, der gegen Null tendiert).

Derweil ist eine widersprüchliche Entwicklung zu beobachten: während Bücher angeblich niemanden interessieren, nimmt die Festivalisierung rund ums Buch zu. Regionale Buchmessen entstehen, so in Lübeck, Kassel, Osnabrück. Die „klassischen“ Buchmessen in Leipzig und Frankfurt verzeichnen BesucherInnen-Rekorde. Ist es schick, sich auf Buch-Events blicken zu lassen, während Buchregale daheim dem Feng-Shui unzuträglich sind?

Wir werden sehen, wohin die Reise geht. Demnächst mehr zum Thema in den Einwürfen.

Es grüßt

Der Ziegelbrenner


Gerald Grüneklee
, Alter Dorfweg 15, 
Bremen 28259
, Deutschland, 


info@ziegelbrenner.com,
https://www.ziegelbrenner.com, 
Tax ID: DE114992750


8 Kommentare

  1. Griseldis Runhardt sagt:

    Die Voraussetzung zur Lösung aller deutschen Zukunftsfragen:

    Link Gelöscht. Zu heiss. Thom Ram

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  2. Thom Ram sagt:

    Griseldis Ruhardt 19:20

    Ich heisse dich willkommen, Griseldis.
    Um den hohlen Kauz mache ich einen Bogen, war bereits im Hotel, habe bereits Busse bezahlt, weil ich ihn auf bb kritisch beleuchtet hatte. Ich meine, ein freier Thom Ram, der einen Bogen um den hohlen Kauz macht, sei nützlicher als ein Thom Ram, der (mindestens) 3 Monate im Hotel hockt, indes sein Blog zensiert oder gelöscht wurde, weil er das Thema trotz Warnung nochmal hochspielen liess.

    Ich kenne das verlinkte Buch. Es ist wichtig. Andere Wege der Verteilung müssen begangen werden.

    Contre coeur biete ich dafür keine Plattform mehr. Ich tat es während 4 Jahren intensiv.

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  3. Texmex sagt:

    Warum und was jammert denn der Herr Buchhändler?
    Er weiß doch bestens, dass sein „Produkt“ eine Modeerscheinung ist. Es sind doch nicht die Bücher oder deren Verpackung! Es ist der Inhalt!
    In der BRvD sind mehr Bücher auf dem Index als in den Zeiten von Adi und Walter-Erich zusammen. Die darf er gar nicht verkaufen, wollen wohl auch nicht.
    Und dann noch der ganze äh, nee, Dreck darf ich nicht schreiben, also ich meine die ganzen Ergüsse , die „hochverdien(Ende)te Polinutten zwecks Anerkennung ihrer „Leistungen „ absondern dürfen. Wer will das denn lesen? Ich nicht! Und Geld dafür ausgeben? Nee. Niemals nicht. Ich komme gerade von einer Reise in die alte Heimat zurück. In Frankfurt hatte ich mäßig Zeit für einen Rundgang durch die Stadt, habe neben dem Denkmal vom Gutenberg und Goethe einer Buchhandlung auch einen kurzen Blick gewidmet. Nur tolle Bücher, aber sowas von toll. Eines habe ich sogar in die Hand genommen und durchgeblättert, handelte von „Verschwörungstheorien“ (Kampfbegriff der CIA), nee- nicht von Verschwörungen. Nur von Theorien. Hab ich wieder hingelegt. Mich interessiert Praxis. Bin dann auch gleich wieder raus. Ich bin aber auch bestens mit Büchern versorgt. Ich kenne nämlich die Adresse von Archive.org.
    Dort stehen sie alle fein geordnet, auf Hochglanzpoliert, egal von wem, egal auf welchem Index und gratis- aber nicht umsonst!

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  4. Thom Ram sagt:

    Griseldis

    Obschon wir hier offtopic sind eine Korrektur.
    Ich irrte. Das Buch ist mir neu. 21:26 war ich zu schnell. Was ich im Weiteren darin gelesen habe, ist beispielhaft klar, vernichtend für äh so einige der äh Behauptungen, welche äh seit 75 Jahren äh kursieren. Vor Dez.17 hätte ich es ausgestellt. Seit Dez.17 halte ich diesen Ball flacher denn flach.

    Das Beste ist immer noch Briefpost.

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  5. Luckyhans sagt:

    zu Texmex 29/03/2019 um 22:36
    Lieber Tex,
    zwei Anmerkungen.
    Natürlich hast Du recht, daß der überwiegende Teil der heute erscheinenden Bücher inhaltlich totaler Schund ist. Allerdings ist in den anderen Medien NOCH MEHR Schund, der rund um die Uhr auf uns einprasselt, und den kann man kaum so einfach „wieder weglegen“… 😉

    Und es geht auch um das „Medium Buch“, und mancher meint eben, daß die E-Bücher zwar ganz nett sind, wenn man sich über etwas schnell mal informieren will, aber daß man vieles dort auch nicht findet.
    Insofern möchte ich nochmal eine Lanze für die vielen still vor sich in sterbenden Antiquariate brechen und alle dazu auffordern, diese meist kleinen und unscheinbaren Lädchen, die es in jeder größeren Stadt NOCH (!) gibt, aufzusuchen und dort ein wenig herumzustöbern – gewiß sind dort (natürlich „rein zu Studienzwecken“) noch ganz interessante Büchlein zu erwerben, wenn man mit dem (meist) Herrn Antiquar ein wenig geplaudert hat… Denn der Index greift dort (noch) nicht, wenn man ein „wissenschaftliches Interesse“ glaubhaft machen kann… 😉

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  6. luckyhans sagt:

    Hallo Thomram,
    schickst Du mir bitte den Link per Briefpost?
    😉
    Danke.

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  7. Texmex sagt:

    Lieber Lucky, es ging um Bücher, nicht darum zu vergleichen, welches Medium noch mehr Dreck über uns auskippt. Den Vergleich verkneife ich mir, kann ich ja dann laufend duschen.
    Und ich schrieb ja, ich lese Bücher. Sogar recht viele. Das Risiko, dass man auf dem Stick gespeicherte Bücher nicht mehr zugreifen kann, ist aber für mein Empfinden nicht viel größer als die physische Vernichtung durch abfackeln.
    Aktuell genau das Gegenteil. Stick gezückt, und die Konterbande gratis und frei verteilt. Du nennst das „anstupsen“ 😉

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  8. Luckyhans sagt:

    zu Texmex 30/03/2019 um 20:14
    … gut, ich gebe zu, ich bin etwas altmodisch. Ich lese auch Bücher am Bildschirm, aber schöner ist es, wenn ich das Buch in der Hand habe. Gewohnheitssache, auch. 😉
    Und: ja, es ist teurer…

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