Mo ntag, 30. September NZ 12 von Eckehardnyk (eah)
1. Gibt es irgendwen und irgendetwas, das dich zu irgendetwas drängt? Dann gibt es auch unterbewusst eine Angst, die droht: „Wenn du dem Drang nicht nachgibst, wirst du mich zu spüren kriegen“. Wenn der Angstmacher seine Nötigung positiv formuliert hätte: „Wenn du dem Drang nachkommst, wirst du mich zu spüren kriegen“, könntest du innerlich leichter: „Und wenn schon!“, „Nur zu!“ antworten. Denn, in der Tat: Wem folgen, wem gehorchen wir? Gibt es irgendwen oder irgendwas, das uns zu etwas zwingt?
2. Angenommen dem wäre so. Dann folgt dem Drang oder Zwang ein Ritual, Händewaschen oder sonst eine Zwangshandlung, und die Angst, der grausame Gott-Ersatz, ist durch das „Opfer“ befriedigt. Aber wie lange? Welchen Preis sind wir oft bereit dafür zu zahlen, dass wir keine Angst mehr haben müssen? Welche Lügen oder Tabus haben wir unterbewusst präpariert, um uns kurzfristig vor Angst zu retten? Wie viel Schutzgeld oder was auch immer als Tribut erscheinen mag, haben wir, um uns gegen eine Drohung zu sichern?
3. Ist das alles deinem Leben fremd, dann bist du ein zufriedener Mensch. Was ist aber mit der Meinung deiner Freunde, Nachbarn, Kollegen? Lässt diese dich auch so in Ruhe? Was hältst du von einem Anruf aus der Schule, dein Kind habe gestohlen? Wem folgst du, wenn du dann mit deinem Kind sprichst? Der Meinung der Lehrkraft? Oder tust du immer, was deine Umgebung für richtig hält?
4. Hast du Auseinandersetzungen – ich meine keinen Rosenkrieg – mit deinem Ehepartner bevor du handelst? Hast du Angst, „etwas falsch gemacht“ zu haben? Und wenn ja, dann was? Als Erstes würde dein eigenes Ansehen von dir selbst leiden, bevor die Selbstablehnung in deiner Umgebung die Runde macht und sich frech dir gegenüber setzt. Ignorierst du hingegen alle auf dich bezogenen Erwartungen und machst trotzig nur, was du selber für das Richtige hältst, würde Angst vor dem Alleinsein im Untergrund auf dich lauern. Eine Folge davon könnte sein, dass du dich von der Außenwelt distanzierst, und deine Abschottung deinem Kind eine vernünftige Sozialisierung verbaut.
5. Verborgene Angst kann überall hervorbrechen und sabotieren, was dein eigenes Gefühl zu dir sagt. – Wir sprachen davon, dass Gefühle oder Empfindungen ein Format besitzen. Gehen wir auf das oben Gesagte ruhig nochmals ein, dass dir missfällt, was eine Schulperson über dein Kind redet. Wenn sie Recht hätte, wäre das peinlich. Du warst sicher, dein Kind sei absolut ehrlich. Du warst oftmals zu beschäftigt; aber die Aussagen deines Kindes haben dich niemals alarmiert. Und nun soll es gestohlen haben, bestreitet aber die Tat. Du fühlst dich einem Verlust ausgesetzt: Guter Ruf, Ansehen, Stolz, alles „verderbliche Ware“. Und du gehst in einen inneren Dialog mit deinem Kind. Du stellst dir Fragen vor, um in seinen Worten die Spur eines Tathergangs zu entdecken und lässt bei dir auch verschiedene Antworten durch dein Gemüt ziehen.
7. Im inneren Dialog mit dem Kind folgest du deinem Gefühl und deiner Erfahrung, die du mit dem Wesen dieses Kindes gemacht hast. Du wirst im anschließenden Gespräch mit ihm eine weise Vereinbarung treffen, die Künftiges moralisch absichert. Wichtig ist dabei die gedankliche oder „meditative“ Untersuchung vor der Vernehmung.
8. Wenn selbst Spitzenskiläufer sich vor dem Rennen die Piste anschauen, die sie nachher hinunter jagen, und mit jedem Tor und jeder Kuppe „ins Gespräch“ kommen, ist es dann abwegig, bevor du ein heikles Thema besprichst, auch dieses Terrain zu sondieren? Es ist wichtig, dass auch du dabei gut vorbereitet „ins Rennen“ gehest. Mit deinem Kind allemal und auch sonst überall.
9. Warum sollte eine Schwierigkeit dich auf den Kopf stellen? Beim Handeln brauchst du dein Gefühl gedankenschnell und deine Gedanken gefühlsstark. Deshalb kläre alle langwierigen und peinlichen Episoden, solange du Ruhe und Gelegenheit dazu hast und du mit innerem Gleichgewicht deine Handlungen in Gedanken ausgleichen kannst. Sieh auf die Nuancen deines Gefühls und stimme deine Vorbereitung darauf ab, dass die Gestalt dieser Vorschau hinreichend realistisch erscheint und dir Vertrauen einflößt. Das, meine ich, ist dann eine Qualität, die deinem Auftritt – bei deinem Kind, bei seinen Lehrern und eventuell mit beiden Parteien zusammen – Format gibt.
© eah 2012 und 30. September 2024