Wir hatten hier genau dies Thema vor einiger Zeit – welche realen Möglichkeiten hat der gewöhnliche Mensch, sein Leben tatsächlich schöpferisch zu gestalten und dabei auch seine Umgebung zu beeinflussen – bis hin zum Wetter – ja, genau diese Frage: die kann ich eine lange Trockenperiode beenden und Regen herbeirufen…
Hier nun eine Antwort aus dem sonderbaren Osten…
© für die Übersetzung aus dem Russischen by Luckyhans, 15. Juli 2017 – Kommentare und Hervorhebungen wie üblich von uns.
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Der den Regen herbeiruft
Autorin: Jekaterina Muraschowa
„Also“, der Junge rutschte im Sessel hin und her, um bequemer zu sitzen. „Mein Vater hat eine andere Familie. Dort ist mein Schwesterlein, sie ist vier Jahre alt, wie ich das verstehe. Mama tut so, als wüßte sie davon nichts. Aber die andere Frau wartet immer, daß der Vater zu ihr kommt, denn allem Anschein nach hat er das versprochen. Und manchmal setzt sie ihn auch unter Druck – dann läuft er von uns weg und fährt zu ihr, um sie zu überrreden. Manchmal sogar nachts. Bei uns in der Familie heißt das „Störfall im Objekt“. Aber eigentlich geht er nicht weg, so denke ich, er wird einfach weiter ihr den Kopf verdrehen.
Mein jüngerer Bruder hat ICP , sie sind vor einiger Zeit mal bei Ihnen gewesen, aber Sie erinnern sich wohl nicht daran. Mit dem Kopf ist beim Bruder alles in Ordnung, er geht in die zweite Klasse und findet sich im Computer prima zurecht. Nur mit den Händen und Füßen geht es nicht sonderlich gut.
Aber Mama denkt, daß es irgendwo eine Arznei dafür gibt oder was, das ihn vollständig gesund machen kann. Sie bringt ihn zum Ponyreiten, weil unter den ICP-Leuten das der letzte Schrei ist, und sie spart Geld, um auf die Krim zu den Delphinen zu fahren.
Aber Ljonka hat Angst vor Pferden und fällt immer runter. Und zu den Delphinen hat er mir gleich gesagt: dann ist mein Ende da, da ertrinke ich gleich. Und sie sind auch noch bei einer Zauberin im Pskower Gebiet gewesen, die hat einen Fluch von Ljonka genommen.
Und die Oma hat Krebs und sie ist ständig in Behandlung – manchmal im Krankenhaus, machmal mit Naturheilmitteln…“
„Und du?“ fragte ich.
„Ich kratze mich die ganze Zeit, und in der Schule habe ich schlechte Noten“, antwortete bereitwillig der Knabe. (Die Neurodermitis zwischen den Fingern und am Hals hatte ich gleich gesehen.) „Was raten Sie mir? Wie kann ich das alles in Ordnung bringen? Und überhaupt, ist das möglich?“
„Ich weiß es nicht“, bekannte ich ehrlich. „Wahrscheinlich nicht. Wie auch die ICP bei deinem Bruder nie ganz zu heilen sein wird.“
„Na gut, ich geh dann wohl?“ er erhob sich vom Sessel.
„Ja, aber erst ich erzähle dir noch eine kleine Geschichte, von dem, der den Regen herbeirief.“
„Gut, ich mag Geschichten“, er kratzte sich mit den Fingernägeln am Hals und machte sich bereit zuzuhören.
„Das war vor langer Zeit, als es noch die UdSSR gab. Einer meiner Bekannten, ein Sinologe, war mit seinen Kollegen in China auf Dienstreise; sie haben die lokalen Volks-Bräuche studiert.
Und einmal rief sie ein chinesischer Kollege an: ‚In einer Provinz hat es schon vier Monate nicht geregnet. Die Ernte verdirbt, den Menschen droht Hunger. Drei Dörfer haben das letzte Geld zusammengelegt und beschlossen, aus einer anderen Provinz einen Regenmacher kommen zu lassen.
Für euch wird es gewiß interessant sein, sich das anzusehen. Aber bitte berücksichtigt: ich habe euch nichts gesagt, denn die Kommunistische Partei Chinas ist mit Zauberei gar nicht einverstanden.‘
Die Gelehrten waren natürlich begeistert, haben sich sogleich irgendeinen ethnografischen Vorwand ausgedacht und sich zu jenem Ort hinbegeben. Es war ein kleines Dörfchen, und am selben Tag kam auch der Regenmacher dort an – ein kleiner sehniger alter Chinese.
Er erbat sich eine Hütte ganz am Dorfrand und eine Schale Reis jeden Tag. Mit unseren Gelehrten lehnte er jeden Kontakt ab. Der Dorfälteste sagte: ‚Der Würdige muß sich jetzt konzentrieren, wartet ab, sobald er seine Arbeit ausgeführt hat. Solange könnt ihr bei mir im Hause wohnen.‘
Schon am dritten Tage regnete es.
Der Alte nahm sein Geld (nach damaligen Verhältnissen eine ungeheure Summe) in Empfang und wollte sich auf den (recht weiten) Heimweg begeben. Der Dorfälteste übermittelte ihm erneut den Wunsch der Gelehrten. Diesmal erklärte der Regenmacher sich einverstanden, ihnen ein wenig Zeit zu widmen.
‚Erzählen Sie uns btte, wie sie den Regen herbeigerufen haben‘, fragte sogleich mein Bekannter, um keine Zeit zu verlieren, den Alten. ‚Wahrscheinlich gibt es einen speziellen Ritus? Wird er vererbt?‘
‚Seid ihr verrückt geworden?!‘ wunderte sich der Alte. ‚Ich soll den Regen herbeigerufen haben? Bin ich ein Zauberer? Wie konntet ihr denken, daß ich in meiner Nichtigkeit hätte die mächtigen Naturkräfte lenken können?!‘
‚Aber was habt Ihr dann getan?‘, fragten entgeistert die Sinologen. ‚Denn es regnet doch jetzt…‘
‚Niemand kann niemanden ändern‚, hob der Alte mahnend den Finger. ‚Aber jeder kann sich selbst verändern. Ich habe darin, bei aller Bescheidenheit, einige Höhe in dieser Kunst erreicht. Und da bin ich hierher gekommen, in einem richtigen harmonischen Zustand, und habe gesehen, daß hier alles nicht richtig ist.
Die Ordnung der Dinge war gestört, die Ernte war in Gefahr, die Leute waren verzweifelt.
Ich kann daran nichts ändern. Das Einzige – ich kann mich ändern, das heißt unrichtig werden, mich dem anschließen, was hier passiert. Und genau das habe ich getan.‘
‚Und dann? Woher kam der Regen?‘
‚Dann habe ich natürlich an mir gearbeitet, habe mich zurück in den richtigen Zustand gebracht. Aber da ich nun mit allem hier im Einklang war, so hat sich auch mit mir, einer gewissen Trägheit folgend, etwas später hier alles auf den richtigen Weg begeben.
Und richtig war für dieses Land jetzt die Bewässerung. Deshalb ist der Regen gekommen, aber absolut nicht deshalb, weil ich ihn herbeigerufen hätte…‘
‚Aber wenn das alles so einfach ist, warum habt Ihr dann das viele Geld genommen?‘ fragte einer der Gelehrten. ‚Die Bauern mußten wirklich ihr letztes Hemd verkaufen, um euch zu bezahlen…‘
‚Weil ich schon ein klappriger alter Mann bin, und als ich mich in die Disharmonie einklinkte, wurde mir genauso schlecht wie allem und allen ringsum. Freiwillig aus dem richtigen in den unrichtigen Zustand zu wechseln, kostet sehr viel‘, und mit einem Zeichen beendete der Regenmacher die Audienz.
Am selben Tage begab er sich auf den Rückweg in sein Dorf, und die Gelehrten fuhren zurück nach Peking.“
Der Junge schwieg sehr lange. Dann fragte er: „Das haben Sie mir jetzt aber nicht einfach so erzählt? Sie denken, daß ich…“
„Genau. Und zwar brauchst du jetzt nicht, wie der alte Chinese, selbst in die allgemeine Disarmonie eintauchen. Mit deinen schlechten Noten und dem Gekratze bist du schon dort. Und dabei ist das alles für dich nichts eigenes, persönliches, weil du klug bist – so über seine Familie zu erzählen, das kann in deinem Alter bei weitem nicht jeder – und, nach deiner medizinischen Karteikarte zu urteilen, bist du völlig gesund.“
„Und wie komme ich selbst in dern ‚richtigen Zustand‘ zurück?“
„Nachdrücklich und sogar fanatisch genau all das tun, was du selbst innerlich als richtig fühlst, aber bisher nicht getan hast.“
Der Junge dachte wieder nach.
„Also lernen bis ich schwarz werde“, begann er unentschlossen. „Morgens selbst und dann mit Ljonka Gymnastik machen, dann mich kalt abwaschen und dann Ljonka begießen, keine Chips mehr essen, die Diät einhalten, welche der Dermatologe verschrieben hat, nach der Schule mit Ljonka im Park radfahren (er kann besser radfahren als laufen), nicht alle anderen in der Klasse für Deppen halten und bei ihnen die Vorzüge suchen, wie Mama rät… und Sie meinen, das hilft?“
„Es gibt da eine einfache Sache, die nennt sich Experiment“, zuckte ich mit den Schultern. „Probier es aus, und es wird klar werden. Wenn du es nicht schaffst, dann hast du dich wenigstens angestrengt…“
„Und wie lange soll ich ausprobieren?“
„Na, wenn ich rechne, daß der Chinese 50 – 60 Jahre trainiert hat, und er hat drei Tage gebraucht, und du fängst erst an… Ich denke für den Anfang sollten drei Monate reichen, und dann beschauen wir das Zwischenergebnis – und du kannst dann entweder alles vergessen oder weitermachen…
Dann kommst du also gleich kurz nach dem Sommerende mit dem Bericht zu mir, Anfang September. Gut?“
„Hm“, sagte er und ging.
Ich habe oft an ihn gedacht und ihm viel Erfolg gewünscht. In seinem Alter ist es sehr schwierig, ohne jegliche Kontrolle etwas konsequent einige Monate lang durchzuziehen. Wird er es schaffen?
Er kam dann am zweiten September zu mir in die Sprechstunde.
„Ljonka!“ rief er schon von der Tür aus. „Mama denkt, daß die Pferde geholfen haben und die Arznei aus Deutschland. Aber wir beide wissen es… Ich hab ihm das mit dem Chinesen erzählt. Er hat das verstanden, ist ja ein kluger Kopf.“
„Ausgezeichnet!“ rief ich und dachte, daß die Abhärtung, die Radfahrübungen und die Aufmerksamkeit des älteren Bruders einfach unbedingt zur Verbesserung des Zustandes des kleinen Bruders beitragen mußten. „Was noch?“
„Auch noch die Oma: der Arzt hat gesagt, daß sie ein gute Remission hat, und er hat sie für mindestens ein Jahr entlassen.“
„Und du?“
„Ich habe das Schuljahr mit nur zwei Dreiern abgeschlossen, und Papa hat unlängst gesagt, daß er gar nicht bemerkt hat, wie ich gewachsen bin, und vielleicht kann er auch von mir etwas lernen. Zum Beispiel das mit der Diät… (Die Hände waren sauber, das hatte ich gleich anfangs bemerkt, aber im Sommer gibt es oft Verbesserungen.)
Also folgt daraus, daß die chinesische Sache doch funktioniert?!“
„Natürlich funktioniert sie“, sagte ich fest. „Hast du das nicht selbst bewiesen?“
Quelle – © Страна Мам – das Land der Mütter
Genial.
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Du hast immer so tolle Geschichten, die die Dinge wieder ins richtige Licht rücken. Danke schön, Luckyhans.
Und Du thom ram hast die rechten Bilder dafür ausgesucht.
Danke dafür, dass nicht immer von negativen Sachen die Rede ist.
Bei aller Bescheidenheit, versuchen seine eigene Harmonie und sein Gleichgewicht zu finden, welche dann in Resonanz mit der Umwelt gehen kann. Das ist der Weg (Ziel).
Von Herz zu Herz
Annegret
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Das Bemerkenswerte bei dem Schinesen war, daß er erst einmal sich aus seinem Gleichgewicht und seiner Harmonie begab um in Resonanz mit seiner Umgebung zu kommen (er nahm alles auf was disharmonisch um ihn war, was störte was chaotisch war).
Das war der 1. Schritt.
Der ging dem 2. voraus.
Daraus folgt: ich kann erst harmonisieren, wenn ich mich ganz der Disharmonie hingebe, diese in mich aufnehme.
Der war so christlich, wie es kaum Christen gibt.
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