Vor 15 Jahren lebte ich im kleinen Zimmerchen eines Weinbauern, auf einem Hof also. Wie das so ist, hatte der Bauer einen Hund, einen immer angeketteten Hund mit giftigen Auglein, welcher tobte und sirachte, wenn jemand in seine Nähe kam.
Ich kenne mich mit Hunden aus, doch einem angeketteten Hund, der mich nicht kennt, dem trau ich nicht:
Er ist an sein Revier gefesselt, er will und muss es verteidigen. Er kann nicht fliehen, so ist sein Verteidigungswille auf dem höchstmöglichen Zacken. Er hat Angst, weil er mich nicht kennt. Weil er stets angeleint ist, ist er von der Grundstimmung her aggressiv – ganz anders als ein frei lebender Hund, welcher von dern Grundstimmung her immer gesellschaftlich neugierig freundlich ist.
Der Hund dauerte mich, und so bat ich eines Tages den Bauern, mit mir zusammen den Hund von der Kette zu lassen und ihn mir als Begleiter beim Joggen mitzugeben.
Gesagt getan. Ich hatte den Hund, Rambo hiess er, und der Name beschreibt sein Naturell genau, ich hatte den Hund an der Leine und joggte los.
Das ging gar nicht. Er hedderte um meine Beine, zog hier und da hin, und so liess ich ihn frei.
Hoppla. Rambo sauste los und weg war er.
Ich lachte, fürchtete aber ein bisschen, dass mein Hauschef wenig Freude haben würde, wenn Rambo vielleicht längere Zeit nicht zurückkommen würde. Nun, was wollte ich machen, ich joggelte weiter.
Nach gut 10 Minuten, ich war längst im Wald, trapppeltrappel, war er wieder bei mir. Er machte auch danach weitere eigene Runden, und zielgenau fand er mich wieder, während des ganzen einstündigen Laufes.
Bei der Rückkehr erwartete ich, dass Rambo sich nicht werde anbinden lassen wollen.
Nix da. Ich rief, hatte Wasser für ihn im Becken, ich brachte ihm „Sitz!“ bei, er liess sich anleinen und guckte mich die ganze Zeit an.
Das haute mich um. Normal dumme Hunde würden sich bei einem neuen Herrn weigern, in die Nähe der Leine zu kommen.
Ich komm zum Thema: Humor.
Beim drittenmal Joggen war es, da war Rambo grad in meiner unmittelbaren Nähe, als ich auf eine Wegkreuzung zulief. Hehehe, ich dachte: Jetzt erwisch ich dich, und bog nach links ein. Rambo erkannte die Richtung und stürmte auf dem gewählten Weg voraus. Ich aber drehte um, zur Kreuzung zurück und nahm neu den Weg rechts. Es dauerte nur kurz, und Rambo war wieder bei mir.
So.
Bei der nächsten Kreuzung, Rambo war voraus, WARTETE er bei der Gabelung, spielte halb verrückt, bellte, wedelte, sprang an mir rauf – er war völlig aus dem Häuschen, weil er nicht wusste, welche Richtung, und weil er wusste, dass ich ihn vielleicht auf den Arm nehmen würde.
Ich lief rechts, er kam mit, in der Nähe, und erst als er sicher war, dass es mein Ernst sei mit dem gewählten Weg, machte er seine nächste Runde.
Von da an war JEDESMAL, bei jeder Gabelung, unser wer – weiss – Spiel. Gelegentlich machte ich nach einigen Metern wieder Rechtsumkehrt und wählte dann doch den andern Weg – und Rambo GENOSS das, kam jedesmal völlig aus dem Häuschen!
Du müsstest ihn sehen, wie er fast durchdrehte vor ……. ja, ich würde sagen, vor LACHEN. Bellen, jaulen, wedeln hochspringen, schlecken, einfach jede denkbare Hunde – Liebeszuwendung und Lebensfreude über den Witz, den wir immer wieder spielten.
Lieber Leser, darf man das nicht füglich als Sinn für Humor bezeichnen?
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Hat nun weiter mit Humor nix zu tun, aber für Tierfreunde noch:
Mal kam ich zu einem andern Hof, dort hauste ein Riesenhund. Ich ging mit dem Bauern, der grad rumstand, ein Gespräch ein. Da kam Rambo. Und was machte er? Er machte etwas, was voll neben dem gesunden normalen Hundverhalten ist.
Normal wäre gewesen: Er kommt und zeigt dem ortsansässigen Hund seine Unterwerfung. Da gibt es NICHTS. Ein gesunder Hund weiss genau: Hier bin ich nicht zuhause, hier ist der andere Hund zuhause, hier habe ich zu gehorchen.
Rambo aber fiel über den viel grössern und stärkern Hund her. Ich musste das Feld schnellstens verlassen, damit Rambo seinen Kampf abbrach und mir folgte. Rambo war ein sehr sehr zäher Hund, doch hatte ihn der weit stärkere unfreiwillig kämpfen müssende Gegner ARG zerbissen…
Was war denn das?
Ganz einfach. Rambo hatte das Gefühl, er müsse MICH gegen diesen viel grössern Hund verteidigen, er müsse ihn sozusagen präventiv unschädlich machen.
Auch das haute mich einfach um. So was von Ergebenheit und bedingungsloser Treue…
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Und noch.
Als ich dann weggezogen war, starb Rambo nach wenigen Wochen. Als ihn der Bauer ausnahmsweise mal von der Leine liess, lies sich Rambo von einer Kuh tottreten. Eine Kuh haute ihm den Hinterhuf ins Genick.
Das nun gibt es AUCH nicht. Rambo kannte sich mit Kühen aus. Es war nicht das erste Mal, dass er mit Kühen draussen zusammen war. Ein Hund von Rambos Intelligenz und Körperfitness lässt sich NIE von einer Kuh treten.
Und warum dann eben doch?
Rambo wollte nicht mehr leben, nicht mehr so, nicht mehr 99% der Zeit traurig und angebunden, und so steuerte die Seele Rambo den Körper Rambo so, dass er gnädig das Kettenleben hinter sich lassen konnte…
thom ram feb2014
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Eine sehr tiefsinnge Geschichte mit einem leider traurigen Ende. Das zeigt welche Verantwortung man gegenüber den Tierseelen hat. Die Realität schreibt die schönsten und lehrreichsten Geschichten! Ich selbst habe da auch so einige Erlebnisse mit meinen Tierfreunden erfahren dürfen. Auch wenn ich manchmal einen als Sonntagsbraten verzehrt habe. Gott vergelts!
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@Ohnweg.
16:30
Trauriges Ende? Ja, ich war traurig, als ich hörte, dass Rambo gegangen war. Doch was daran ist traurig? Nur ich hatte das Gefühl von Verlust. Es war doch ganz prima! Rambo hat das gemacht, um wieder auf einen heiter begehbaren Weg zu kommen. Wenn ein Hinterbliebener traurig ist, heisst das, dass eine Begebenheit traurig sei?
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