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Die Flucht – ein Zeitdokument des „Kalten Krieges“ / Teil 1 / Hintergrund und Entschluss zur Flucht

Vorwort von Räuber Hotzenplotz

Dieser Bericht ist ein Zeitdokument des „Kalten Krieges“ zwischen Ost und West. Ich beschreibe hier meine eigenen Erlebnisse von 1970 bis 1971: meine Fluchtversuche aus der DDR und meine Erfahrungen während der Haft in DDR-Gefängnissen, bis zu meiner Entlassung nach West-Deutschland. Ich war damals ein Student an der Technischen Universität Dresden. Die Vorgeschichte zu meiner Haft, die Beschreibung der Fluchtversuche, ist spannend, tragisch und manchmal auch lustig. Ich habe nichts erfunden oder künstlerisch beschönigt. So habe ich das erlebt!

Als ich im Dezember 1971 aus dem DDR-Gefängnis entlassen wurde und im Westen ankam, wollte ich den „Albtraum“ der Haft so schnell wie möglich weit wegschieben. Ich wollte aber auch nicht, dass dieses schreckliche Erlebnis völlig vergessen wird. Aus diesem Grund entschloss ich mich, meine Geschichte schnell niederzuschreiben, bevor das Meiste in Vergessenheit gerät. An die Ereignisse, die zur Verhaftung führten, erinnerte ich mich zu dieser Zeit noch auf die Minute genau, denn darüber musste ich während der Untersuchungshaft monatelang Tag und Nacht bei den Verhören berichten.

Meinen Originalbericht habe ich damals auf der Schreibmaschine getippt. Diese Schreibmaschinen-Seiten habe ich später eingescannt, einige orthographische Fehler korrigiert, und mit ein paar Fotos aus meiner eigenen „Stasi-Akte“ und aus dem Internet illustriert. Ansonsten ist der Bericht im Originalwortlaut, wie ich ihn 1972 geschrieben habe. Um die Anonymität der beteiligten Personen zu schützen, habe ich allerdings die Namen geändert, denn die Meisten von ihnen leben noch unter uns. Die Ortsnamen habe ich nach Möglichkeit unverändert gelassen, damit die Leser meine “Reise” besser nachvollziehen können.

Um meinen Erlebnisbericht verstehen zu können, muss man die abartige und absurde politische Situation in Deutschland in den Sechziger/Siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, und insbesondere die Situation in und um West-Berlin, verstehen. Für die Leser, die mit dieser Zeit nicht so vertraut sind, möchte ich hier kurz die politische Konstellation erklären.

Deutschland wurde nach dem 2. Weltkrieg von den Alliierten Siegermächten besetzt und zerstückelt. Die deutschen Ostgebiete, östlich der Flüsse Oder und Neiße, wurden an Polen und die Sowjetunion zur Verwaltung übergeben, und die meisten Deutschen wurden von dort brutal verjagt. Mitteldeutschland wurde von der Sowjetunion besetzt, und daraus wurde 1949 die kommunistische “Deutsche Demokratische Republik” (DDR). Dieser Teil von Deutschland wurde im Volksmund meistens ”der Osten”, „die Ostzone“ oder kurz “die Zone” genannt. Aus den westlichen Teilen Deutschlands, der amerikanischen, britischen und französischen Zonen, wurden im Jahre 1949 die “Bundesrepublik Deutschland” (BRD), und dieser Teil hieß im Volksmund „der Westen“ oder „West-Deutschland“.

Um die Niederlage von Deutschland im 2. Weltkrieg auch symbolisch zu bekräftigen, und wahrscheinlich auch zur vollkommenen Demütigung der deutschen Bevölkerung, wurde nicht nur Deutschland, sondern auch die Hauptstadt Deutschlands, Berlin, ebenso in vier Teile gespalten. Später wurde der sowjetische Sektor an die DDR angegliedert, während die drei westlichen Sektoren unter der Verwaltung der Amerikaner, Briten und Franzosen, den sogenannten Alliierten, verblieben. Im westlichen Teil von Berlin, der von der DDR und Ost-Berlin völlig umgeben war, lebte man wie auf einer Insel, die praktisch zu West-Deutschland gehörte.

Während des sogenannten „Kalten Krieges“, wurde die Grenze zwischen der DDR und der BRD ständig mehr und mehr befestigt und von der DDR undurchlässig gemacht, damit die Bürger der DDR nicht weglaufen können. Die Sektorengrenzen innerhalb Berlins blieben dagegen bis 1961 transparent, man konnte dort über die Grenze gehen oder mit der S-Bahn von Sektor zu Sektor fahren.

Der Lebensstandard war im Westen, nach dem Wirtschaftswunder der 50er und 60er Jahre, viel höher als in der DDR. Außerdem haben die Kommunisten in der DDR-Diktatur viele Freiheiten ihrer Bürger eingeschränkt, um an der Macht zu bleiben. Im Allgemeinen waren die kommunistische Regierung und die sowjetische Besatzung in der DDR äußerst unbeliebt bei der Bevölkerung. Der einfachste Weg, in den Westen wegzulaufen, war damals über Berlin, das immer noch offene Grenzen zwischen den Sektoren hatte. Auf diese Weise sind in den Jahren von 1949 bis 1961 ungefähr 3 Millionen DDR-Bürger in den Westen geflohen. Um diese gewaltige Flucht der DDR-Bürger zu stoppen, hatten sich die DDR-Regierung und die Sowjets entschlossen, das Abkommen der Alliierten über Berlin zu brechen, und die Grenzen zu West-Berlin wurde am 13. August 1961 hermetisch abgeriegelt. Um die drei West-Sektoren von Berlin wurde über Nacht eine Betonmauer gebaut, und Niemand aus Ost und West durfte über die Grenze wechseln. Nur den Mitgliedern der Alliierten Streitkräfte, also den Sowjets, den Amerikaner, den Briten und den Franzosen, war es erlaubt, innerhalb von Berlin die Grenze von den West-Sektoren zum Ost-Sektor zu überschreiten. Dafür wurden spezielle Grenzübergänge eingerichtet. Der bekannteste von diesen Übergängen war Checkpoint Charlie.

Die Mauer am Brandenburger Tor

Viele DDR-Bürger, die mit dem Kommunismus nicht klarkamen, haben versucht, über die Grenze von der DDR in die BRD, oder über die Mauer um West-Berlin, in den Westen zu gelangen. Die Grenze in Berlin bestand aus der berüchtigten “Mauer” und bewaffneten Posten mit Wachhunden, die Grenze zwischen Ost- und West-Deutschland bestand aus hohen Metallzäunen, Minenfeldern, Wachhunden, Selbstschussanlagen und bewaffneten Wachposten. Bei diesen Fluchtversuchen habe viel Menschen ihr Leben verloren, oder sie wurden von den DDR-Posten zu Krüppel geschossen.

Mein Bruder, der sich als Student mehr und mehr von den kommunistischen Behörden bevormundet fühlte, hatte die Flucht nach West-Deutschland, unter Lebensgefahr, geschafft. Er war einer von den Glücklichen, bei denen die Flucht über die Grenze zur BRD erfolgreich und ohne tragische Zwischenfälle gelang. Soviel ich weiß, ist er 1966 mit einem Bekannten, den er beim „Kartoffeleinsatz“ nahe der Grenze beim Ort Salzwedel, kennengelernt hatte, zusammen in den Westen entkommen. Der Bekannte stammte aus dieser Gegend und er wusste, dass die DDR-Grenzposten dort noch keine Tretminen und Selbstschussanlagen installiert hatten, weil die Grenze durch ein Sumpfgebiet verlief. Dadurch war dort die Lebensgefahr beim Grenzübertritt nicht ganz so hoch, wie an den meisten anderen Stellen. Die Flucht der Beiden soll 2 Tage und Nächte gedauert haben.

In den 70er Jahren wurde zwischen der DDR und der BRD ein „Transit-Abkommen“ ausgehandelt, damit die West-Bürger mit dem Auto oder mit der Bahn von West-Berlin nach West-Deutschland reisen konnten, ohne große Schikanen und Kontrollen der DDR-Grenzer. West-Deutschland zahlte für dieses Abkommen riesige Summen Geld an die kommunistische Regierung der DDR. Auch konnten West-Deutsche (nur West-Deutsche, keine West-Berliner) mit einem Tagespassierschein von West-Berlin in den Ost-Sektor der Stadt reisen. Diese “Tagesaufenthalte” spielen in meinem Bericht eine große Rolle.Als sich mein Bruder zur Flucht nach West-Deutschland im Jahre 1966 entschloss, war ich noch zu jung, um ihn zu begleiten. Nach seiner Flucht wurde ich jedoch von den kommunistischen Behörden, beim Wehrdienst in der “Nationalen Volksarmee” und als Student an der Universität ständig schikaniert, so dass auch ich nur noch eine Flucht in den Westen als Lösung zu meinen Problemen sah.

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Originalbericht: Meine Flucht in den Westen 1971-1972

Hintergrund

Eigentlich fing alles an, als mein Bruder Dieter im September 1966 in den Westen floh. Für mich war das ein Ereignis, das ich damals zwar mit Schmunzeln aufnahm, doch ein ähnlicher Schritt kam für mich nicht in Frage. Einmal waren meine Eltern ja auch noch in der DDR, die ich nicht zurücklassen wollte, und zum anderen ging ich noch zur Schule, das Abitur stand bevor, ein Studienplatz war mir auch schon sicher; meine nächste Zukunft stand so gut wie fest und ich war einigermaßen zufrieden damit. Schon während der Schulzeit war meine Meinung über die DDR und ihrem Sozialismus allerdings nicht besonders positiv. Ich gehörte zu den Schülern, denen es nicht leichtfiel, ständig mit zwei Zungen zu reden: Im Unterricht durfte man nur nachplappern, was in der SED-Presse stand und was einem die Lehrer diktierten. Die geringste Kritik, nicht nur am System der DDR, konnte einem eine schlechte Beurteilung, das Abitur und damit das Studium kosten, und wer wollte es darauf schon ankommen lassen. Zu Hause dagegen, oder im engen Freundeskreis, wurde über alles offen gesprochen. Hier konnte sich meine Mutter Luft darüber machen, wenn es im Fleischerladen nichts zu kaufen gab. Hier konnte mein Vater auf die Partei-Bonzen schimpfen, wenn er als Arzt mehr mit Verwaltungskram und sinnloser Parteiarbeit (obwohl er kein Mitglied war) zu tun hatte, als mit der Medizin. Und hier konnte ich mit meinen Freunden statt über FDJ-Arbeit auch mal über die neueste West-Musik diskutieren. Wenn man die Zeitung aufschlug, konnte man täglich neue Lobeshymnen auf die SED und die Sowjetunion lesen, Bilder zeigten lächelnde DDR-Bürger, die für “ihren Staat“ immer neue ”Heldentaten in der sozialistischen Produktion“ vollbrachten, und im Kapitalismus dagegen würde die „zunehmende Verelendung der Arbeiterklasse“ die Menschen täglich von einem Chaos ins andere stürzen. Beim Lesen der Briefe von meinem Bruder Dieter, der in West-Berlin lebte, fühlte eher ich mich „verelendet“.

A person standing in front of a white car parked on a city street

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Mein Bruder als student in West-Berlin mit seinem FIAT

Diese Widersprüche zwischen dem offiziellen Leben und den täglichen Erfahrungen nagten ständig in mir. Andere sind davon immer abgestumpfter geworden, mir ging das alles sehr nahe und ich konnte nicht immer meinen Widerwillen darüber verbergen. So musste ich bald spüren, dass mein Bruder ein “Feind der DDR“, ein „Verbrecher“ war‚ und man unbedingt verhindern wollte, dass ich genauso werde wie er. Obwohl ich nach Beendigung des Abiturs einen festen Studienplatz an der Universität in Leipzig zugesichert bekommen hatte, holte man mich als Einzigen aus der Abiturklasse plötzlich zur Armee, um dort eineinhalb Jahre den „Ehrendienst“ abzuleisten. Während dieser Armeezeit hat sich meine Meinung über die DDR nicht zu ihren Gunsten entwickelt. Gleich am ersten Tag hatte ich dieses Erlebnis: Nachdem jeder seine Uniform ausgehändigt bekommen hatte, ging es zum Stiefelanprobieren. Nach langer Sucherei fand ich endlich ein halbwegs passendes Paar, und der Feldwebel in der Kleiderkammer trieb mich an, weiter zu gehen. Doch die Stiefel waren hinten aufgerissen, und das sagte ich ihm. Im schönsten Sächsisch bekam ich als Antwort:   “Mit diesen Stiefeln können Sie auf jeden Fall noch bis nach Bonn marschieren! Machen Sie jetzt, dass Sie weiterkommen!”

Text Box: Dirk in West-Berlin mit seinem Fiat
Beim Wehrdienst in der Nationalen Volksarmee

Erst wurde ich wegen meines Abiturs einer Nachrichten-Kompanie zugewiesen. Nach zwei Wochen hatte man in meinen Akten herausgefunden, dass ich Verwandte in der BRD hatte. Noch am gleichen Abend fand ich mich als MG-Schütze in einer Mot-Schützen-Kompanie wieder, wo wir täglich von morgens bis abends entweder im Stechschritt marschieren oder im Schlamm rumkrauchen mussten.

Als einziger Abiturient in der Kompanie wurde ich von Unteroffizieren mit 5-Klassen-Bildungsniveau täglich schikaniert. Ich erlebte dann als Soldat die CSSR-Krise im August 1968, die Besetzung eines “Bruderlandes”, und musste selber die Waffen und Panzer aufmunitionieren helfen. Offiziere und Berufssoldaten habe ich in dieser Zeit kennengelernt, die kaum noch abwarten konnten, dass es endlich „gegen den Westen losginge“.

Beim Zielschießen feuerte uns unser Kompanie-Chef zum besseren Treffen mit den Worten an:

“Stellen Sie sich vor, dort vorn die Zielscheiben, das sind Brandt, Kiesinger, Strauß (west-deutsche Politiker der damaligen Zeit) und Konsorten! Dann muss man doch treffen.“

Dieses und noch viele andere Erlebnisse gaben mir damals sehr zu denken.

Als ich nach der Armeezeit dann an der TU Dresden mit meinem Studium begann (mein Studienplatz in Leipzig war nicht mehr verfügbar), war jedoch für die Polizei die Flucht meines Bruders in den Westen längst nicht vergessen, und ich musste weiterhin vor solchen „Verbrechen“ beschützt werden. Aus nie genannten Gründen durfte ich jetzt nicht mehr in die nachbarlichen „Bruderländer“ verreisen, und das verdross mich immer mehr. Alle meine Freunde verreisten in den Ferien in die CSSR, und ich saß zu Hause in Molkenberg, wo ich, außer meinen Eltern, weit und breit so gut wie keinen Bekannten hatte. An der Universität in Dresden gab es dann auch noch Ärger, als ich irgendwelche Maßnahmen der Parteileitung zur Verbesserung der Studiendisziplin – also neue Zwangsmaßnahmen – bei einer Versammlung offen kritisierte. Ich war plötzlich schuld, dass andere Studenten schlechte Zensuren bekamen, obwohl ich mit diesen Kommilitonen gar nichts zu tun hatte und auch selber ganz gut mitkam. Vielleicht spielte auch noch der Neid einiger Genossen eine Rolle, denn ich besaß als einziger Student einen alten, klapprigen “Trabant”, der ja von diesen Leuten als „bürgerliches Luxusobjekt” angesehen wurde.

Mein Trabant

Jedenfalls kam es so weit, dass einige Parteileute aus meiner Seminargruppe schon erwogen, mich bei einer passenden Gelegenheit exmatrikulieren zu lassen. Eine offene Aussprach darüber kam nicht in Frage, denn mir gegenüber traten die Parteileute stets freundlich auf. Von ihren Vorstellungen über mich und ihren Absichten erfuhr ich nur über andere Studenten, die ich unmöglich wegen ihrer Auskünfte in diese Sache hineinreißen konnte. Außerdem wäre das auch sinnlos gewesen, denn letzten Endes galt doch immer die Devise: Die Partei hat immer Recht. Für mich blieb also nur Eins: Alles stehen und liegen lassen und raus aus der DDR. Der Entschluss zur Flucht stand fest.

Der Entschluss zur Flucht

Mit meinem Bruder Dirk konnte ich mich selbstverständlich nicht direkt treffen, er war ja für die Ost-Behörden ein „Feind des Volkes“, und Bewohner West-Berlins durften sowieso nicht in den Ostteil der Stadt reisen. Nur Westdeutsche mit einem westdeutschen Pass konnten einen Tagespassierschein für Ost-Berlin bekommen. Im Sommer 1970 traf ich mich mit Marcell, einem Bekannten von meinem Bruder Dieter, in Ost-Berlin und ich vertraute ihm an, dass ich und noch andere Freunde von mir unbedingt abhauen wollten. Vielleicht, so dachte ich, kann uns Dieter helfen.

Marcell machte mir bei einem folgenden Treffen auch einige Hoffnungen, doch ließ er nichts wirklich Konkretes verlauten. Er sprach, zum Beispiel, über die Möglichkeit, vielleicht eine Tauchausrüstung aus dem Westen rüberzuschmuggeln, damit ich damit über die Ostsee in den Westen schwimmen kann. In den Sommerferien habe ich in einem nahegelegenen Badesee daraufhin wochenlang Schwimmübungen gemacht, um genug Kondition für eine kilometerlange Schwimm-Flucht über die Ostsee zu überstehen. Als dann bis zum Herbstanfang jedoch nichts passiert war, hatte ich eine Hilfe von Dieter schon wieder fast aufgegeben. Auf eigene Faust und mit Freunden untersuchten wir Interzonen-Züge (Eisenbahn-Züge, die im Transit von West-Berlins nach West-Deutschland fuhren) nach Fluchtmöglichkeiten, studierten Landkarten über die Grenzgebiete, berechneten die Dimensionen und Möglichkeiten der Flucht mit einem Ballon und erwogen sogar den Bau eines Flugzeuges. Heute muss ich eingestehen, dass wir eigentlich viel zu wenig Praktisches für die Flucht getan hatten, denn bis über einige theoretische Erwägungen oder ein paar Untersuchungen an Eisenbahnwagen und Fahrplänen gingen unsere Bemühungen nicht hinaus. Wahrscheinlich lag das daran, dass wir zu viele Personen waren, die zusammen fliehen wollen, und einer verließ sich auf den Anderen. Jedenfalls sprach ich darum in Zukunft mit den anderen Freunden nicht mehr über das Thema „Flucht“.

Inzwischen hatte ich mich auch öfter mit Regina‚ der Freundin meines Bruders, in Ost-Berlin getroffen, bei der ich auch wieder bekräftigte, dass ich unbedingt raus aus der DDR wollte. Bei diesen Treffs muss ich übrigens schon ab und zu vom Staatssicherheitsdienst beobachtet werden sein. Einmal, als ich auf dem Parkplatz am Bahnhof Friedrichstraße auf Regina wartete, kam plötzlich eine Frau vorbei, die bestimmt nicht wie ein Tourist aussah, fotografierte den Platz mit mir im Vordergrund, und verschwand schnell wieder. Erst fiel mir das gar nicht besonders auf, aber als ich mir den Platz noch mal richtig angesehen hatte, und dort wirklich nichts Fotogenes fand, blieb nur eine Möglichkeit: ich sollte auf dem Bild sein. Bei einem anderen Treffen bemerkten Regina und ich einmal auf dem Alexander-Platz einen Mann, der uns wegen seines Fotoapparates mit einem großen Teleobjektiv und Stativ auffiel. Das Merkwürdige war nämlich, dass das Objektiv genau auf die Stelle gerichtet war, wo ich mich gerade vorher mit Regina getroffen hatte.

Es geht los

Im Juni 1971 traf ich mich dann wieder mit Regina. Wir fuhren mit meinem „Trabant“ ein Stückchen raus aus der Innenstadt, und sie erzählte mir, dass es nun endlich bald losgehen würde….

Fortsetzung folgt


7 Kommentare

  1. Drusius sagt:

    Unter dem vom globalen Prädiktor veranstalteten Theater „Kalter Krieg“ mußten viele Menschen leiden. Ich wurde auch ausgebürgert und habe vorher lange Langstreckenschwimmen – auch bei Sturm- trainiert. Ich hatte das Angebot eines arabischen Handelsattaches (den ich lange kannte und er sagte mir das auch nur allein und auf einer stark befahrenen Straße. Er war Kriegsgefangener in einem arabischen „Feindstaat“ und wurde über das Rote Kreuz ausgetauscht) mit einem Diplomatenpaß das Land verlassen zu können, was ich aus Rücksicht auf die Familie ablehnen mußte. Ich habe das Spiel bis zur letzlichen Ausbürgerung mitgemacht. Auch Menschlichkeit und Vertrauen findet man, ebenso, wie aufdringliche Beschattung durch 3 Autos und einem „Begleiter“ der etwa 10 Meter hinter einem her läuft. Was Menschen auch immer mit Menschen machen, wenn sie programmiert sind und es für richtig halten, ist enorm. Ich war selbst lange programmiert, habe aber niemandem geschadet, habe aber eine große Runde gedreht.

    Was auf einer Ebene hier laufen könnte, ist hier zu finden (ab Minute 37:02): (https://www.youtube.com/watch?v=Htpczno62Gc)
    Bestätigt wird das letztlich auch hier: (https://www.youtube.com/watch?v=Q12NlBwtGwg)

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  2. Thom Ram sagt:

    Drusius 16:46
    Mehr und mehr bin ich beeindruckt davon, welcher Art die Menschen sind, welche sich hier auf bb einfinden. Meine Biographie ist, mit schweizerisch aargauischen Massstäben gemessen, bereits die eines seltsamen Paradiesvogels, doch tummeln sich hier Menschen, welche noch wahrlich ganz Anderes erlebet haben.
    Danke für dein klar angedeutetes Teilhabenlassen.

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  3. Drusius sagt:

    @Thom Ram
    Gern. Meine Mutter und ihre zwei Schwestern und meine Großmutter durften erst aus Tilsit in Ostpreußen heraus als die russische Artillerie in die Stadt schoß. Mein Vater war an der Front. Die hatten auch schon ihre Heimat verlassen müssen und durften nie wieder zurück. Da kam ich doch noch „human“ davon! Komisch, daß man das wiederholt, aber auf der bewußten Ebene.

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  4. Angela sagt:

    Als ehemaliger Westberlinerin werden bei mir viele Erinnerungen wach.
    Sehr schön beschrieben!

    Angela

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  5. Hubert sagt:

    Angela, kennen Sie das noch:
    Am Nordpol zeigt man in alle vier Himmelsrichtungen: Süden, Süden, Süden, Süden.
    Am Südpol zeigt man in alle vier Himmelsrichtungen: Norden, Norden, Norden, Norden
    Und wo zeigt man in alle vier Himmelsrichtungen: Osten, Osten, Osten, Osten……Na? wo? (in Westberlin)

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  6. mkarazzipuzz sagt:

    Liebe Leute,
    ich habe in der DDR nie an eine Flucht gedacht, obgleich ich den RIAS und den SFB konsumierte. Das Geschreibsel hier belustigt mich ein wenig.
    Heute aber weiß ich definitiv, dass wir genau so missbraucht wurden, wie die Leute des Maidan.
    Die USA und damit die Hakennasen haben auch dort die Regie geführt. Nur wußte es ich es damals noch nicht und war also arglos.
    Meine Wehen(die ich durchaus hatte) in der DDR zu schildern ist heute ein Ding der Unmöglichkeit.
    Ich sehe die Realität und das daß HEUTE verglichen mit der vergangenen DDR einfach nur ein KZ ist!
    Hier und heute werde ich für Dinge bestraft, die ich nur öffentlich anspreche.
    Hier sitzen Leute ein, die nur mit Worten fochten, und, obgleich sie älter als 80 Jahre sind, für viele Jahre weggesperrt werden . Solche Leute saßen in der DDR NIE im Gefängnis. Selbst dann nicht, wenn sie rechtskräftig verurteilt waren.
    Also ich verstehe nicht, weshalb dem hier derart viel Raum geboten wird. Unwürdig, meine ich.
    krazzi

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