Eckehardnyk, 26. Jänner NZ 12
1. Lebensentwürfe fangen im Eisernen Zeitalter an, bewusst zu werden. Innerliche Spiegel hängen neben den äußeren und werden intensiv befragt: Wie bin ich? Wer bin ich? Was bin ich? Wo gehöre ich hin? Wozu bin ich hier?
2. Der Mutter eines Jugendlichen, der unter Akne litt, hat Milton Erickson einmal geraten, während eines 14-tägigen Skiurlaubs auf einer Hütte sämtliche Spiegel zu entfernen. Der Junge soll nach dieser Kur geheilt gewesen sein.
3. Warum entsteht denn Akne und warum könnte sie aufgrund einer solch banalen Maßnahme überwunden werden?
4. In der Pubertät schauen wir auf unser äußeres Bild und sagen mehr oder weniger bewusst: Das soll ich sein? Mädchen versuchen, mit vorgeschobenen Schultern ihre Brüste zu nivellieren. Jungen ziehen sich zurück, werden blass und leben in einer Traumwelt von Idolen, von Batman bis Kelly oder Adams Family. Verkleidungen mit schwarzem Leder oder Samt, Entstellungen durch farbige Perücken oder Glatzen, Piercings, Tattoos oder andere Maskierungen sind „in“. Soll das alles vom Kern des Wesens ablenken, das entweder sexy, cool oder soft in die Arena tritt und laut oder leise zu verstehen gibt: Seht, wie ich nicht bin? Ohne Spiegel, ohne Beifall der Kameraden, würde diese Welt von Scheinauftritten implodieren wie die Akne des erwähnten jungen Mannes.
5. Je mehr Mut Jugendliche haben, die eigene Wirklichkeit zu sein, desto weniger Mummenschanz, desto weniger Körperbeschwerden scheinen nötig zu sein. Doch wer macht sie wie darauf aufmerksam, ohne als vorgestrig verrufen zu werden?
6. Kinder bringen oft die schönsten Begabungen mit. In diesem Eisernen Zeitalter der Pubertät wird aber durch die von Anderen übernommene Wirklichkeit so viel verfremdet, dass die Anfangsgenialität meistens verschwindet. Vielleicht ein wehmütiges:
Ach ja, ich hab auch mal gedacht, ich sei was Besonderes.
Kommt dann eine Art Ehe aufgrund von Verliebtheit oder sexueller Attraktion zustande, wird dieses einst vorhandene Besondere „bis zur Unkenntlichkeit verheiratet“.
7. Also, sollte man die Pubertät umgehen?1 Das Erwachsensein bedeutet nach einem Ausspruch von Stefan Herzka, die erlittenen Defizite nach verkonsumierter Kindheit zu verwalten.2 Als Kind waren wir alle vollständig. Uns fehlte jedoch Wissen, Übersicht und Einfluss. Verzichten wir aber auf dies, dann irren wir als erfolglos törichte Menschen ohne Ansehen und Kenntnisse durch die Welt und verschwinden einst wieder wie Kanonenfutter für die Bevölkerungsstatistik. Ein Dilemma! Manches Kind möchte deshalb ewig Kind bleiben.
8. Du siehst selbst, wie wichtig es ist, die Kinder mit ihren innerhalb der Seele verarbeiteten Daten groß werden zu lassen. Das Selbstbewusstsein, die Eigenart, die Besonderheit eines Kindes werden bleiben und blühen, wenn sie in einer guten Kinderstube zuvor behütet und gepflegt wurden. Die erstaunlichen Fähigkeiten eines Kindes gehen dann schon vor der Periode des Infragestellens in eine Art Ruhezone während der Pubertät über, verpuppen sich gleichsam. Das Selbstbildnis wird zwar als Person mit erstmals erlangtem Reisepass und aktivem Wahlrecht dokumentiert; es wächst jedoch innerlich durch eigene Überzeugungen, im Verstehen von Zusammenhängen, im Erkennen von Hintergründen und im Anerkennen von Geheimnissen, für deren Offenbarung es sich lohnt „am Ball“ zu bleiben.
9. Die Tugenden der kindlichen Zeitalter werden im Schmiedefeuer des Eisernen Zeitalters zu etwas Eigenem umgeschmolzen und entpuppen sich dann beim jungen Erwachsenen als unverwechselbare Talente: Das Schreibenkönnen wird zur eigenen Handschrift, aus einem echten Gefühl einer Autorität gegenüber wird verbindliche Liebe, aus Treue Verantwortung, aus Fleiß Selbstmotivation, aus Mut Macht sich Freiräume zu schaffen und zu gestalten, aus Verzeihenkönnen Taktgefühl, aus Nachgebenkönnen Diplomatie. Und so weiter.
10. Wie hast du dich damals gesehen, als Sturm- und Drang dich bis zur Verzweiflung trieben? Hast du unter dem Gefühl gelitten, weniger wert zu sein als Andere? Das kannst du jederzeit, am besten sofort, korrigieren. Denn das Eiserne Zeitalter in uns hält die Esse feurig, solange Erinnerungswille da ist. Was du sein wolltest und willst, kannst du noch immer umformen aus dem Material, das du in der eigenen Seele aus Kindertagen dir aufbewahrt hast, solange du lebendig bleibst.
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1 Was heute perverserweise sogar öffentlich vorgeschlagen wird, wenn auch aus anderen Gründen
2 Aus einer Liste von Publikationen: Heinz Stefan Herzka, Wolf Reukauf, Hanna Wintsch (Hrsg.): Dialogik in Psychologie und Medizin (1999, ISBN 3-7965-1051-5). Heinz Stefan Herzka: Die neue Kindheit. Dialogische Entwicklung – Autoritätskritische Erziehung (Schwabe, Basel 1989)
© eah 2012 und 26. Januar 2024
Behalten wir ein Stück Kind in uns, dann haben wir womöglich so etwas wie Lernfreude.
Diese, die das Element Schule zur Seite schieben konnte oder diese, die durch Wegdrängen dieser Vergewaltigung ein Stück Gesundheit sich bewahren konnte. Wer Kindsein in diesem Sinne bewahren konnte hat ein Reich in sich; leider haben viele Erwachsene durch radikale Verdrängung oder üble Ausmerzung durch den Sozialisationsdruck keine Beziehung mehr dazu. Gut erkennbar daran, wie es hier zugeht. Das Infantile kann als Surrogat dieser entfremdend tätigen Sozialisation entstehen oder aber soziopathisches; auf jeden Fall wachsen beschädigte Seelen, naturentfremdete Neurotiker und Mengen Neurastheniker in eine Welt, die genau das bezweckt. Das Häßliche wird zum Schönen, das Kranke zum Gesunden, das Perverse zum Heiligen.
Seelisches Gesunden kann durch Naturerleben, auch im allerkleinsten, erfolgen. Denn dadurch kann die ewige Wahrheit des Geistigen, die in der Natur sich offenbart, in der Seele wirksam werden.
Hier bietet sich mein Freund Illu an (Naturwissenschaftliche Betrachtungen) um sich etwas vorzubereiten.
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16:39 Volli
Freund Illu? Giptz da einen Recht, äh Link?
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Thom Ram 16.58
Hmh,ich glaube Volli denkt bei Freund Illu an den“ wehrten „Goethe, den ich im übrigen ebenfalls sehr schätze.
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Eckehardnyk
Ein wunderbarer Leitfaden auch für das verletzte innere Kind-Punkt 10 eines Erwachsenen.
Die Idole und Märchen unserer Kindheit können durchaus ein Hinweis sein,welche Ambitionen und Themen in uns schlummern.
Dazu braucht es natürlich auch Eltern,die förderlich wirken wollen
Ich habe mal auf dem 7. Kindergeburtstag meiner Tochter mit sämtlichen Gästen ein Märchen durchspielen lassen.Das Geburtstagskind durfte das Märchen, sowie ihre Rolle selbst aussuchen , die anderen Rollen wurden nach Wunsch der Kinder verteilt.und durchgespielt,während ich nur begleitend , also choreographisch das Märchen selbst gelesen habe.
Meine Tochter wollte unbedingt die böse Fee sein (Machtthema- bereits im Geburtshoroskop ersichtlich !) und bestand dann aber zu meiner Erleichterung :)auch darauf ,die 13 Fee spielen zu dürfen.
Zum Fasching ging es nicht im Prinzessinnenkleid als Dornröschen oder Cindarella,sondern als Zigeunerin und Pippi Langstrumpf.
Mein Lieblingsmärchen war Sterntaler und das hässliche Entlein-erst viel,viel später habe ich die tiefe Bedeutung erfahren und wie sehr das mit meiner Kindheit und meiner Erfahrungsebene zusammenpasst.
Toller Artikel deinerseits und Danke dafür
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Thom
Eigentlich müssert i saage Superillu. Alte DDR, Vor- und Nachfolge; der SI (Superillu) lebte letztlich auf dem Gebiet der DDR. Das kammer an der polit. Einstellig der Bürger dort sehen. Die ham mehr unterm Schädeldach als der dumpfbackige BRDzi. Der nahe Geist Schillers und Goethes. Auch die Schwiizer partipizifieren an Schiller – Willy Tell mit seiner hohlen Gasse und dem Appel anne Backe.
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Ihr Lieben, soeben dachte ich, 23 von 144 herauszuhängen, doch, Folge meiner komatösen Tage letztes Jahr im Mai, sah ich (mal wieder), was ich nicht sah. Danke Thom, Volli und Glückauf für eure Beiträge zum Text. Dieses Verschüttet werden von unabhängiger Lernfreude fällt unter dieses (nach Stefa Herzka) „Verkonsumieren der Kindheit“ viel zu vieler Erwachsener. Und zu Glückauf: Hier ist ein „Beweis“, dass Märchen, insbesondere von der Qualität der Grimmschen Sammlung, für Erwachsene gedacht waren, wenn auch vor Kindern vorzutragen. Zu Thom RAM: Der Geist Schillers sollte ja Churchill zu Folge den Deutschen ausgetrieben werden. Das ist in Westdeutschland am besten gelungen. Doch es gab die Deutsch sprechende Schweiz, Südtirol und die Sowjetzone, später DDR genannt. Hier herrschte die Macht, die allen Kulturen ihre Existenz belässt, wofür heutzutage W.W. Putin zu Felde zieht. Deshalb ist dieser Geist unserer Klassiker auch in Gesamtdeutschland und überall in Europa vorhanden, wo sich Russische Macht schützend darüber hält. Das geht auch aus dem jüngst hier zu sehenden Interview des Präsidenten durch den Journalisten Tucker Carlson hervor. Beide sind der in diesem Kapitel thematisierten Selbstgestaltung treu geblieben und zeigen, dass sie „Deutsche“ geworden sind.
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Szene 24 von 144 folgt heute. Grundlage ist die Printausgabe von Abenteuer Erziehung, das 2012 bei tredition erschienen ist, aber in seiner hier bereits vollständig veröffentlichten Urschrift bereits seit dem Winterhalbjahr 1998/99 entstanden ist. Deshalb erschienen zu den jetzt herausgehängten Szenen die Hinweise auf die textmäßig nicht ganz gleichen Szenen von damals. Es lohnt sich auf diese zuzugreifen; denn es gab dort schon damals wertvolle Kommentare von Bumibagia-Lesern.
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Lieber Ecky
danke für deine Beiträge. Bin zur Zeit sehr begrenzt mit Kommentaren.
Privat bin ich mehr eingebunden als mir lieb ist.
Lese aber gerne deine Artikel.
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