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20 bis 22 von 144 – BÜNDNIS MIT KINDERN –

Deine unsichtbaren Werkzeuge – In Vorbereitung für Abenteuer Erziehung. Zweite Auflage

Eckehardnyk, 4. Jänner NZ 12

20 von144 – Datenbänke und Dekaden

1. Für welches Einteilungsmodell bei den Phasen, die dein Kind durchläuft, entscheidest du dich? Im Angebot stehen das von Psychoanalyse nach Sigmund Freud, von Entwicklungsbiologie nach Jean Piaget, von anthroposophischer Erziehungskunst nach Rudolf Steiner und einige mehr oder ganz einfach: Jahrfünfte oder Dekaden.

Du findest gewiss noch andere Modelle. Das von mir nach Zeitaltern vorgestellte ist seit dem Griechischen Altertum in Geltung, aber dennoch für dich neu entdeckt und dir empfohlen. Es soll bei dir – und sei es durch Widerspruch – Wachsamkeit und Beobachtungslust aufrufen, um wichtige Etappen bei der Kindesentwicklung mitzubekommen, einordnen zu können und in Übersicht zu behalten (Siehe oben die Liste in Szene 19 ,Im heroischen Zeitalter’). Worin besteht wohl der Nutzen solcher – zugegeben: Zunächst postulierter und erst mit geschultem Blick erkennbarer – Phasen? Du könntest ja auch denken:

Mein Kind entwickelt sich sowieso. Wozu sollte ich mir den Kopf zerbrechen, in welcher Phase es steckt?

Du darfst so oder ähnlich denken. Nur, bei wem beschwerst du dich dann, wenn dein Kind dir „nicht gehorcht“ oder „nur zu Hause Theater“ macht, noch mit Neun oder später ins Bett macht, mit Dreizehn oder noch früher die Schule schwänzt, mit Sechzehn magersüchtig, mit Neunzehn drogenabhängig wird oder als Karriereziel einen Patronengürtel am eigenen Leib zündet? Da ist die Zuständigkeitsfrage dann auch überflüssig und, unter uns gesagt, es wird „in den besten Familien“ vorkommen. Andere werden sich schon vor dem Auftauchen irgendwelcher Probleme Gedanken machen: Ist Alles gut? Gehen wir richtig mit unserem Kind um? Kann man die genannten und weitere Risiken ausschließen? Gibt es einen Schutz, etwa eine Versicherung? Mit einer Versicherung schützen wir tatsächlich – aber ausschließlich vor einem finanziellen Fiasko. Alles andere, was mit dem Gedeihen des Kindes zu tun hat, bleibt preisgegeben und außen vor.

2. Ein Bildvergleich zwischen entwicklungsgerechter und finanzieller Vorsorge sei kurz erlaubt: Die Entwicklungsvorsorge als das Haus, die finanzielle Vorsorge als dazugehörige Garage. Das Unbehagliche an diesem Bild wird sofort im Hinblick auf unsere Wohlstandszivilisation erkennbar, in der viel zu viele Kinder nur eine Garage bekommen, aber kein Haus zum Darin leben. Manche Eltern leben in Wohlstand oder Reichtum, lassen aber innerlich ihr Kind im Regen stehen, bestenfalls bieten sie ihm einen Platz in der Garage. Das nennt man Wohlstandsverarmung oder -verwahrlosung bei heranwachsenden jungen Menschen. Sie bekommen äußerlich viel mehr als sie zu brauchen verstehen, bleiben dabei seelisch jedoch Analfabeten und sind am Ende ihrer Kindheit so arm, dass sie dem Rattenfänger von Hameln nachlaufen würden, um für ihr hungerndes Selbst ein Rattenfilet zu bekommen. Wenn du das ausschließen willst – du darfst finanziell reich sein, musst es aber keineswegs – dann denkst du weiter: Was das Kind in den Zeitaltern, die wir vorgestellt haben, erworben hat, bildet eine Art Datensammlung im Wesen und im Wissen deines Kindes. Auf diese Datei kann es zurückgreifen, wenn es sie „auf seiner Festplatte installiert“ hat. Wir könnten auch von unsichtbaren Schutzhüllen sprechen, die das junge Gewächs umgeben, dank der in seinen Kindheitsphasen gepflegten Entwicklungsbedingungen. (Mit dem Begriff „Datei“ habe ich ein dem Zeitgeist abgegucktes Bild eingeführt, mit dem wir jetzt, anders als vor achtzig Jahren, Entwicklung neu anschauen können, in der Erwartung, dass dadurch neue Erkenntnissprünge zustande kommen werden.)

3. Im Unterschied zum Computer spielt es beim Menschen jedoch eine Rolle, wann welche Daten installiert werden. Hierin hat die von Steiner angeregte Pädagogik mit ihrer menschenkundlichen Grundlage einen wichtigen Vorsprung1. Lehrpläne, die auf die Entwicklung des Menschen Rücksicht nehmen, werden zwar auch in anderen als in den auf Steiner zurückgehenden Schulen angewandt, bleiben allerdings Lehrzwänge, in denen irgend eine äußere Macht bestimmt, was gelernt werden muss. Dieses Oktroyieren von Inhalten ist der Tod jeglicher Bildung. Angeschaut wird beim Lehrplan zuerst der Lehrstoff oder -inhalt (und ob er schon oder womöglich noch früher begreifbar sei). In den anthroposophisch geführten Instituten sollte die Rangfolge genau umgekehrt sein: Das Entwicklungsstadium des Kindes vor dem Lernprogramm, das bei zu spätem Einsatz langweilt, aber bei zu frühem Gebrauch altkluge Kinder mit Defiziten ihrer körperlichen Reifung entstehen lässt. Das Kind soll zum Beispiel dann lesen lernen, wenn es die Kräfte dieser Fähigkeit zum Aufbau seines Körpers – am Zahnwechsel sichtbar – eingesetzt hat und nun zur Stabilisierung seiner Persönlichkeit mit denselben Kräften Lesestoff verarbeiten kann. Das ist zumindest von der Priorität her, die dem Kind eingeräumt wird, zu begrüßen. Darüber hinaus lässt auch das menschenkundlich auf das Kind abgestimmte Programm, sobald es als Lehrplan festgemacht wird, weder Kind noch Lehrkraft eine Freiheit etwas von sich selbst aus zu entwickeln, wozu ihnen eine wirklich freie Schule das Material, die Räumlichkeit und die zum Lernen notwendige Atmosphäre mit entsprechenden Pädagogen anbieten müsste. (Über eine „aktive“ Schule solcher Prägung berichtete Rebeca Wild in ihren Büchern.) Was soll denn gekonnt werden?

21 von 144 – Wünsche und Fähigkeiten

4. Mitunter magst du denken: Kann man denn Alles planen? Oder ist alles Schicksal, Vorsehung, göttliche Fügung? Sicherlich, aber auch das in erster Linie, durch den Gott in dir: Sei Gott, dann hilft dir Gott! Deine Macht auf diesem Gebiet ist tatsächlich göttlich. Hast du jemals und wenn ja, an wen, etwas davon abgetreten? Ans Schicksal? Manche sagen, es sei blind, Andere sagen, es sei gerecht, wieder andere nennen es Schrecken erregend. Willst du einer so unberechenbaren Einrichtung das Wohlergehen deines Kindes anvertraut sein lassen? Oder die Vorsehung: Wie oder was sieht sie denn vor? Weißt du, wer von ihr in seinen Reden mit Vorliebe Gebrauch gemacht hat? Und die göttliche Fügung! Wir hören ständig davon reden, dass Gottes ewige Ratschlüsse „unergründlich“ seien und dass man auf Gottes Gnade angewiesen sei. Und das führt dazu, dass bei jeder Katastrophe massenhaft gefragt wird:

„Wie konnte Gott das zulassen?“

Das Leid, das täglich millionenfach angetan wird: Hat in neuster Zeit sich darüber ein Gott erbarmt? Oder die sogenannten heiligen Kriege, die im Namen Gottes geführt werden! Möchtest du dein Kind von solcher Fügung „betreut“ wissen? Die Frage muss viel eher heißen: Wie kann der Mensch das zulassen? Er ist die Exekutive, und noch dazu eine mit freiem Willen!

5. Du wirst dich jetzt ärgern, vielleicht, weil dein Gott Erbarmen schon gezeigt hat Und wenn du den Eindruck hast, dieser Gott halte die Trümpfe deines Kindes in der Hand und werde sie ihm eines Tages zuspielen, dann bewahre dir dieses Wissen mit Dankbarkeit auf. Es wird sich zum gegebenen Zeitpunkt und dank deiner Einstellung mit Wirklichkeit füllen.2 Mag sein, dass dein Kind den hierfür mitverantwortlichen Gott übernimmt wie so viele Kinder vor ihm bei anderen Eltern. Es kann, soll und wird sich aber auch seinen eigenen Gottesbegriff schaffen. Das sei sein Schicksal und seine Sache!

6. Wenn wir nun wieder am Anfang der Frage sind: Welche Stufen soll eigentlich ein Kind erklimmen? Machen wir ein Experiment: Hast du schon einmal vor einem Umzug gestanden und dir die neuen Zimmer vorgestellt? Genauso visualisiere jetzt die Fähigkeiten und Berufswünsche deines Kindes und sieh es einige Jahrzehnte älter. Dein Kind ist erwachsen, in einem Anzug oder Kostüm, in professioneller Umgebung und von Menschen umringt, die dich erstaunen lassen. Tage später frägst du dein Kind, wie es sich denn selbst so sieht, wenn es älter ist und im Beruf steht. Notiere mit Datum und Uhrzeit die Antwort und das geistige Bild mit einer Beschreibung dazu. Mag sein, dass aus deinem Sprössling jemand Anderes geworden sein wird, als du oder sonst wer vorausgeschaut haben. Aber du wirst empfinden:

„Was und wie es werden wird, liegt bereits in der Art begründet, wie es jetzt ist. Ich habe es deutlich gespürt.“

Und dieses Bewusstsein von einem Gespür wird wie ein Vitamin wirken, es wird die Daten, die dein Kind heute sammelt, speichern und helfen sein Gewissen zu bilden. Egal-was werden und sterben? Wo kämen wir da hin? Sein Geheimnis entdecken und leben, indem Stufen erklommen und Ziele erreicht werden: Die Essenz seines Lebens. Goethe formulierte das in seinem Gedicht Urworte orphisch unter dem Titel Daimon: …

Keine Zeit und keine Macht zerstückelt geprägte Form, die lebend sich entwickelt.

22 von144 – Lebensentwürfe

7. Entwerfen wir uns selbst oder hat eine andere Macht ihre Hände im Spiel, nach deren Bild wir werden sollen? – so könnten wir die Überlegungen aus Szene 21 fortsetzen. Jean-Paul Sartre war überzeugt, dass jeder seine Existenz selbst entwerfe. Deshalb nannte man ihn einen „Existenzialisten“. Außerdem war er Atheist. Er glaubte weder an Gott noch an Himmel oder Hölle. Die Hölle, ließ er eine Gestalt in einem seiner Bühnenstücke ausrufen:

Die Hölle, das sind die Anderen.

Woran du glaubst, ist für dein Kind lebenswichtig. Darüber werden wir noch zu sprechen haben. Hier steht im Vordergrund:

Was kann dein Kind erreichen und was davon ist sein Entwurf? Was ist oder was wird seine Weltanschauung? Frag ein Zehnjähriges, was es einmal werden will, dann hat es Mühe sich das vorzustellen. Aber es merkt, dass es da etwas vorzustellen gibt, und bringt als Zukunftsbild etwas, was es heute schon kennt, und sagt:

„Etwas mit Tieren“ – „Was mit Kindern“ – „Was mit Reisen“ –

Was mit was auch immer. Frag dagegen ein Vierjähriges, dann weiß das viel sicherer, dass es König, Millionär, Brummifahrer, Lokführer, Doktor, Polizist, Seemann, Gangster, Feuerwehrmann, Rennfahrer oder dasselbe wie sein Papa werden will.

8. Bewahr dein Kind vor Einwänden gegen „unrealistische“ Berufswünsche! Hermann Hesse drückt es in seinem Gedicht STUFEN folgendermaßen aus:

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben

Ein kleineres Kind ist immer gekränkt, wenn jemand den kindlichen Berufswunsch mit Argumenten ausschließt. Ein Berufswunsch in ganz jungen Jahren ist ein Bild für die Art, wie ein Kind sich bei der Menschheit, die es aufgenommen hat, nützlich erweisen will, quasi die Vision seines Charakters und seiner Art von Dankbarkeit. Erst später, wenn mit dem Schulabschluss eine Ausbildung in Sicht kommt, sind „realistische“ Überlegungen willkommen. Entwürfe haben Kinder anscheinend immer im Sinn. Nochmals aus STUFEN:

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, An keinem wie an einer Heimat hängen, Der Weltgeist will nicht fesseln oder engen, Er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten.

In der direkten Befragung haben die Sich entwickelnden eher Mühe und reagieren mitunter verdrossen. Deshalb spitzen Eltern die Ohren, am besten mit Notizbüchlein zur Hand, und halten fest, was sich plötzlich vernehmen lässt, bei Tisch, auf Reisen, bei Spielen, Spaziergängen oder nach Besuchen. Was denkt Kind über Menschen und über ihr Tun? Was will es wissen, was können? – Wissen, Können, Sein wollen wie … ist eine der wichtigsten Triebfedern für das Entwurfswesen Kind. Warum will es denn wissen? Immer um etwas zu sein! Wie kommt echtes Wissen überhaupt zu Stande?

9. Das Anlesen von Wissen, das über die eigenen Seinsmöglichkeiten hinausgeht, gibt es erst, wenn abstraktes Denken gekonnt wird, also in der Regel mit Eintritt ins Eiserne Zeitalter der Pubertät. Wenn du ein Kind von überragender Denkfähigkeit hast, nimm dennoch Rücksicht darauf, dass es in Allem irgendwie drinsteckt, was es weiß, bevor es die Abstraktion beherrscht. Man verletzt es, wenn man mit ihm diskutiert. Diskutieren ist Lateinisch und heißt „zerschneiden“. Steckt jemand drin in etwas, was diskutiert wird, dann wird er „zerschnitten“. Abstrakt denken heißt, bei einer Sache zu sein, ohne seelisch hineinschlüpfen sich damit identifizieren zu müssen. Dazu muss ein Mensch erst seine Leibesfunktionen bis zur Genitalität in Besitz genommen haben. Dann dringt er ohne Gefahr, sich zu verlieren, auch auf Gebiete außerhalb seiner selbst vor, entwickelt zugleich Macht- und Verantwortungsbewusstsein. Jetzt kann abstrakt diskutiert und begonnen werden, die Entwürfe für den Berufsweg konkret auf ihre Machbarkeit hin zu erörtern.


1 auch indem sie ein Zu früh von Lerninhalten vermeidet

2 In den früheren Texten stand hier sinngemäß noch: Die Existenz Gottes ist durch den Menschen selbst mit Leben zu füllen. Wie hast du das gemacht? Ist Er mit dir gewachsen, und hast du dir den Gott deiner Kindheit erhalten, oder den übernommen, den Eltern und Geistliche für dich „entworfen“ haben? In höchst eigener Angelegenheit hast du es für richtig befunden, dass du einen Gott habest und dass dieser auch deinem Kind helfe. Und so wird es geschehen. Dann wächst es heran, erlernt einen Beruf, macht Karriere, gründet Familie, wird irgendwann irgendwie von Irgendwas Präsident – oder auch nicht – und wird alles ruhmreich oder bescheiden vollenden.

© eah 2012 und 4. Januar 2024


3 Kommentare

  1. Avatar von palina palina sagt:

    für die Erziehung meiner 3 Kinder waren die Grundlagen von Rudolf Steiner sehr entscheidend.
    Und Gottvertrauen hat mir sehr weiter geholfen.

    Danke ecky für diesen Text.

    Meine Kinder hatten auch negative Erfahrungen in ihrem Erwachsenen-Leben gemacht. Haben das aber sehr gut gemeistert.

    Durch die Willensbildung, angelegt in der Kindheit und Jugend, kamen sie da sehr gut durch.

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  2. Avatar von Thom Ram Thom Ram sagt:

    Ich kann mal wieder nicht läiken.

    Ecki, der Titel gefällt mir ganz besonders gut. Bündnis mit Kindern. Zusammen durch dick und dünn. Zusammen auch wenn es mal Spannung gibt. Zusammen Eins, dies bei 100%iger Individualität.

    Mich interessieren alle Zeitperiodischen Einteilungen, denn sie regen zum Beobachten an. Ich persönlich habe es mit der 7-Jahres-Einteilung. Beobachtungen meiner eigenen Entwickelung haben mir vielfach gezeigt, daß ich mich in 7-Jahres-Zyklen bewege.

    0-7 Kind
    7-14 Junge / Mädchen
    14-21 Jüngling / Jungfrau
    21-28 junger Mann / junge Frau
    usf

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  3. Avatar von eckehardnyk eckehardnyk sagt:

    Danke euch Beiden, es ist gut sich über Grundsätzliches einig zu sein. Mir erscheinen die 7 Jahrestakte auch am Besten geeignet, die Entwicklungsetappen zu gliedern, wie Ram sie aufgezählt hat und wie sie auch in Steiners Allgemeiner Menschenkunde erläutert sind. In meinem Text nun spiegeln die ersten sieben Jahre vier Entwicklungsstufen wieder. Das Heroische Zeitalter steht für „Junge/Mädchen“ und für die Backfisch/Halbstarken-Jahre fand ich das Eiserne als das passende Zeitalter. Dass ich der Kleinkindphase vier Zeitalter zugerechnett habe, soll die Wichtigkeit dieser Periode hervorheben und die Beobachtungsarbeit der Eltern für diese erste Epoche des Kindseins anregen.

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