(LH) Viele Menschen fragen sich, wo denn bei ihnen die Gottesähnlichkeit (erschaffen
„nach seinem Ebenbild“) stecken mag, also das Schöpferische, das sie als denkende
Wesen, die sich selbst voll erkannt haben, auszeichnet. Hier ein Beispiel…
© für die Übersetzung aus dem Russischen by Luckyhans – Kommentare von mir,
Hervorhebungen wie im Original und von mir. 9. Mai 2019
Eine erschütternde, heilende Erzählung vom Schöpfer, der die
Realität verändert!
06. Mai 2019

Elfka: „Die Berufung“
Künstler war er nur deshalb geworden, weil er nach der Schule irgendwas lernen mußte.
Er wußte, daß die Arbeit einem Befriedigung bringen sollte, und ihm gefel es zu
zeichnen – so traf er dann seine Wahl: er trat in eine Kunst-Fachschule ein.
Zu jener Zeit wußte er bereits, daß die Darstellug von Gegenständen Stilleben heißt, die
der Natur Landschaft und die der Menschen Portrait, und er wußte noch viel mehr aus
dem Bereich des gewählten Berufes. Nun stand ihm bevor, noch mehr zu erlernen.
„Damit man improvisieren kann, muß man erst lernen, nach Noten zu spielen“,
verkündete in der Einführungslektion der imposante Dozent, ein bekannter Künstler.
„Also macht euch bereit, wir beginnen mit dem ABC.“
(der verkündete „Leersatz“ ist schlichtweg falsch – es gibt viele begnadete Musiker, die
göttlich zu improvisieren imstande sind oder waren, ohne daß sie je auch nur eine
einzige Note gelernt haben – von Jimmy Hendrix bis zu Jazz-Musikern…)
Er begann zu lernen, „nach Noten zu spielen“. Würfel, Kugel, Vase… Licht, Schatten,
Halbschatten… Handhaltung, Perspektive, Komposition… Er lernte sehr viel Neues – wie
man das Leinen aufzieht und selbst die Grundierung kocht, wie ein Gemälde künstlich
gealtert wird und wie man feinste Farbübergänge hinbekommt.
Die Dozenten lobten ihn, und einmal hörte er sogar von seinem Mentor: „Du bist ein
Künstler von Gott!“
„Sind die anderen etwa nicht von Gott?“, dachte er, obwohl es – ungelogen – angenehm
war zu hören.
Aber dann waren die fröhlichen Studentenjahre vorbei, und nun hatte er ein Diplom
über die künstlerische Ausbildung in der Tasche, er wußte viel und konnte noch mehr, er
hatte Wissen und Erfahrung gesammelt und nun war es an der Zeit, etwas zurückzu-geben. Aber… irgendetwas klappte nicht bei ihm.
Nein, nicht daß er nichts erschuf. Und nicht daß ihm sein Beruf mißfel. Möglicherweise
war er nur erwachsen geworden und sah nun, was er früher nicht bemerkt hatte.
Und er erkannte dieses: rundum pulsierte ein Leben, in dem die Kunst schon lange zur
Ware geworden war, und erfolgreich waren beileibe nicht diejenigen, die der Welt etwas
zu sagen hatten – eher diejenigen, die ihre Schöpfungen gekonnt vorzeigen und ver-
kaufen konnten, zur richtigen Zeit an richtigen Ort waren, mit den „richtigen“ Leuten.
Das hatte er leider nicht geschaft zu lernen. Er sah, wie seine Freunde rotierten, sich
und ihren Platz an der Sonne suchten, und einige in diesen Bemühungen „zerbrachen“,
ihre Nichtbenötigtheit und Unbefriedigtheit im Alkohol ertränkten, die Orientierung ver-
loren, degradierten…
Er wußte: oft sind Schöpfer ihrer Epoche voraus, und ihre Bilder werden erst anerkannt
und preislich wertvoll nach deren Tod, aber dieses Wissen tröstete ihn wenig.
Er nahm eine Arbeit an, die gut bezahlt war, erarbeitete ganze Tage lang das Design
von allen möglichen Faltblättern, Visitenkarten, Prospekten, und es gab ihm sogar eine
gewisse Befriedigung, aber er zeichnete immer weniger und unlustiger.
Die Inspiration stellte sich immer seltener ein. Arbeit, Heim, Fernseher, Routine…
Immer öfter kam ihm der Gedanke: „Soll etwa dies meine Berufung sein? Habe ich
davon geträumt, mein Leben so als „punktierte Linie“ zu verleben, wie eine Bleistift-
skizze? Wann beginne ich endlich, mein eigenes Lebensbild zu malen? Und wenn ich
beginne – schafe ich das? Wie war das mit dem „Künstler von Gott“?“
Er kapierte, daß er dabei war, seine Qualifkation zu verlieren, sich in einen Zombi zu
verwandeln, von Tag zu Tag einen bestimmten Satz von Handlungen auszuführen, und
daß spannte ihn an.
Um nicht verrückt zu werden von diesen Gedanken, nahm er an den Wochenenden
seine Stafelei und ging in die Meistergasse, wo sich verschiedene Schöpfer-Könner
aufhielten. Gestrickte Schals und Erzeugnisse aus Birkenrinde, Schmuck aus Perlen und
Patchwork-Decken, Tonspielzeugfguren und gefochtete Körbe – kaum etwas, was es
nicht gab! Und die Künstler-Brüder standen auch da, mit ihren unvergänglichen Lein-
wänden in großer Zahl. Und hier war Wettbewerb…
Aber die Konkurrenz war ihm egal, er wollte einfach schafen… Er malte Blitzportraits
nach Auftrag. Papier, Bleistift, zehn Minuten – und das Portrait war fertig. Für einen Prof
nichts Schwieriges – hier ist es einfach erforderlich, die Details zu bemerken, die
Proportionen einzuhalten und dem Auftraggeber sachte zu schmeicheln, so ein klein
wenig die Natur verschönern.
Das konnte er gut, seine Portraits gefelen den Leuten. Sowohl ähnlich als auch schön,
besser als im Leben. Man dankte ihm oft von ganzem Herzen.
Nun wurde das Leben irgendwie fröhlicher, aber er war sich darüber im Klaren, daß
diese „Lebensmalerei“ als Berufung zu bezeichnen irgendwie … übertrieben war.
Dennoch, jedenfalls besser als gar nichts.
Einmal zeichnete er ein Portrait unter vielen, vor ihm saß ein nicht mehr ganz junges
langnasiges Tantchen, und er mußte sich schon gehörig anstrengen, um das „schön“
hinzubekommen. Die Nase konnte man natürlich nicht weglassen, aber in dem Gesicht
gab es etwas, das anziehend war (die Reinheit, vielleicht?), und er legte den Schwer-
punkt halt darauf. Und es kam ganz gut heraus.
„Fertig“, sagte er und gab das Portrait dem Tantchen rüber. Die sah sich das lange an,
schaute dann zu ihm auf, und ihm wurde ganz anders – bisher hatte noch nie jemand
ihn so durchdringend angesehen.
„Gefällt was nicht?“ fragte er, verwirrt von diesem Blick.
„Sie haben eine Begabung“, sagte die Frau. „Sie können in die Tiefe sehen…“
„Genau, ich hab Röntgen-Augen“, scherzte er.
„Das nicht“, schüttelte sie den Kopf. „Sie zeichnen so … die Seele… Ich schaue und mir
wird klar: tatsächlich bin ich so, wie Sie gezeichnet haben. Und alles, was drumherum
ist, das ist Aufgetragenes. Sie haben gleichsam die oberste Farbschicht abgetragen, und
darunter ist – ein Kunstwerk.
Und dieses Kunstwerk – das bin ich. Jetzt weiß ich es genau! Vielen Dank!
„Bitte sehr“, murmelte er verschämt und nahm den Geldschein – seine übliche Taxe für
ein Blitz-Portrait – entgegen.
Das Tantchen war, was soll man sagen, etwas sonderbar.
Sowas, „Sie zeichnen die Seele“!
Obwohl, wer weiß, was er da zeichnete? Vielleicht auch die Seele…
Denn jeder Mensch hat doch so eine äußere Schicht, so eine unsichtbare Spreu, die ihm
im Lebensprozeß anhaftet.
Aber von Natur aus ist doch jeder Mensch als Kunstwerk gedacht, er als Künstler war
davon einfach überzeugt!
Nun erfüllte sich seine Zeichnerei mit einem ganz neuen Sinn. Nein, er brachte nichts
Neues in seine Technologie ein – dasselbe Papier und Bleistift, dieselben zehn Minuten,
einfach seine Gedanken kehrten immer wieder zu dem zurück, daß man Maß nehmen
und die „obere Farbschicht abtragen“ muß, damit darunter hervor das unbekannte
“Kunstwerk“ frei wird.
Und anscheinend klappte das. Es gefel ihm sehr, die erste Reaktion der „Natur-Vor-
bilder“ zu beobachten – die Gesichtsausdrücke der Menschen waren hochinteressant.
Manchmal kamen ihm solche „Modelle“ unter, bei denen die Seele bedeutend häßlicher
war, als die „äußere Schicht“, dann suchte er darin irgendwelche hellen Flecken heraus
und verstärkte diese. Immer kann man helle Flecken fnden, wenn mein seinen Blick
darauf einstimmt. Jedenfalls ist ihm noch nie ein Mensch begegnet, in dem so gar nichts
Gutes mehr war.
„Hör mal, Freundchen!“, wandte sich einmal ein Kraftpaket in einer schwarzen Jacke an
ihn. „Du hast da… weißt du noch… meine Schwiegermutter hast du gezeichnet, voriges
Wochenende.“
An die Schwiegermutter konnte er sich gut erinnern, sie war einer alten Kröte ähnlich
gewesen, und die Tochter, wenn sie älter wird, wird eine Ratte werden, und der Kraft-
protz war bei ihnen, genau.
Und er hatte seine ganze Einbildungskraft anspannen müssen, um die Kröte in etwas
Annehmbares zu verwandeln, wenigstens etwas Gutes in ihr zu sehen.
„Na und?“, fragte er vorsichtig, nicht verstehend, was der Kraftprotz wollte.
„Na ja, es ist so… Sie hat sich verändert. Zum Besseren. Sobald sie auf das Protrait
schaut, wird sie zum Menschen. Und vorher, unter uns gesagt, solange ich sie kenne,
war sie eine krötige Kröte…“
Der Künstler mußte unwillkürlich kurz aufachen: hatte er sich nicht geirrt, hatte er doch
genau das gesehen…
„Nun, schau, ich wollte dich bitten: kannst du das auch in Öl zeichnen? Damit das dann
ganz bestimmt wirkt! Den Efekt festigen, weißt du… Das Geld ist dabei egal, brauchst
nicht zweifeln!“„Warum auch nicht festigen? Kann man in Öl, oder in Marinade, und auch in Mayonaise-
Sauce. Nur in Öl wird nicht gezeichnet, sondern gemalt.“
„Ja genau! Mal sie aus, im besten Aussehen, ich bezahle alles nach höchstem Tarif!“
Dem Künstler wurde fröhlich ums Herz. Direkt ein „Portrait des Dorian Gray“, nur mit
einem Plus-Zeichen! Und wenn es schon angeboten wird – warum das nicht probieren?
Er probierte und malte. Die Schwiegermutter war zufrieden, der Kraftprotz auch, und
dessen Frau, die Krötentochter, forderte, daß sie auch für die Jahrhunderte festgehalten
wird. Vor Neid, wahrscheinlich.
Der Künstler tat auch hier sein Bestes, die Inspiration überkam ihn – er verstärkte die
sexuelle Komponente, gab etwas Weichheit hinzu, hellte die seelische Güte auf… da
kam nicht eine Frau heraus, sondern eine Zarin!
Ofenbar war der Kraftprotz ein Mensch mit einer weiten Seele und teilte seine Ein-
drücke in seinem Umkreis mit. Die Aufträge rieselten einer nach dem anderen herein.
Vom Künstler ging das Gerücht um, daß seine Portraits wohltuend-heilsam auf das
Leben einwirkten: in den Familien zog der Frieden ein, häßliche Weiber wurden schöner,
alleinstehende Mütter heirateten augenblicklich, bei den Männern verbesserte sich die
Potenz.
Jetzt hatte er keine Zeit mehr, an den Wochenenden in die Meister-Gasse zu gehen, und
auch den Job gab er auf, ohne daß es ihm leidtat. Er arbeitete daheim bei den Auftrag-
gebern, die Leute waren alle reich, zahlten großzügig, reichten ihn weiter.
Das Geld reichte für Farben und Leinwand, und auch für schwarzen Kaviar, sogar an
Wochentagen. Die Wohnung verkaufte er, kaufte eine größere, gleich mit einem Zimmer
als Atelier, ließ gut renovieren.
Es schien, als ob nichts mehr zu wünschen übrigblieb.
Und erneut begannen ihn Gedanken zu beschleichen: sollte das seine Berufung sein –
irgendwelche „Kröten“ und „Ratten“ zu malen, mit ganzer Kraft in ihnen wenigstens
etwas Helles zu fnden?
Nein, das ist natürlich eine gute Sache, und nützlich für die Welt, aber dennoch,
dennoch…
Seine Seele fand keine Ruhe, als ob sie ihn irgendwohin rief, ihn etwas bat, aber was?
Er konnte es nicht erhören.
Einmal verspürte er das dringende Verlangen, sich zu besaufen. Einfach so, sich voll-
laufen zu lassen, bis der Film riß und er sich an nichts erinnert.
Dieser Gedanke erschreckte ihn: er wußte gut, wie schnell schöpferische Menschen auf
diesem fotten Wege bis zum untersten Grunde hinabsanken, und er wollte durchaus
nicht deren Weg wiederholen.
Er mußte etwas unternehmen, und das erste, was ihm in den Sinn kam: er sagte alle
Termin ab, nahm seine Stafelei und den Klappstuhl und ging dorthin, in die Meister-
Gasse. Und er begann gleich, wie im Rausch zu zeichnen – Skizzen der Straße, der
Menschen, des Parks über die Straße.
Langsam wurde ihm leichter, es ließ nach…
„Verzeihung, malen Sie auch Protraits? Daß man sie gleich mitnehmen kann“, fragte ihn
jemand. Er sah auf – da stand eine junge Frau, aber mit gequältem Blick, die Augen wie
verweint. Wahrscheinlich war ihr jemand weggestorben, oder sie hatte einen Kummer…
„Klar. Zehn Minuten, und fertig. Wollen sie ihr eigenes Protrait?“
„Nein. Das der Tochter.“
Hier erst sah er die Tochter – und er verschluckte sich und hustete. Das Kind von etwasechs Jahren war eher einem kleinen Außerirdischen gleich: trotz des recht warmen
Tages war es in einen grauen Overall verpackt, so daß man nicht mal sah, ob es ein
Mädel oder ein Bub war, auf dem Kopf eine dicke Strickmütze, im Gesicht eine
durchsichtige Maske, und die Augen… Die Augen eines alten Mannes, der schon sehr
sehr viel Schmerz ertragen hatte und der sich bereit machte zu sterben. Der Tod war
darin, in diesen Augen, das erkannte er darin ganz deutlich.
Er fragte nichts weiter. Solche Kinder hatte er im Fernseher gesehen und wußte, daß
dieses Kind höchstwahrscheinlich Krebs hatte, daß es Bestrahlungen bekam, die
Immunität auf Null gesunken – daher die Maske, und daß die Chance auf Überleben auf
dem Minimum war. Das erprobte Auge des Künstlers, das alle Details erfaßte…
Er warf einen Blick auf die Mutter – ja, so ist es, sie wußte es. Sie wappnete sich schon
innerlich. Wahrscheinlich wollte sie das Portrait, weil es das letzte ist. Damit wenigstens
etwas an Erinnerung blieb…
„Setz dich, Prinzessin, ich werde dich jetzt zeichnen“, sagte er zu dem Außerirdischen-
Mädchen. „Aber sitz bitte still und wackel nicht herum, sonst wird es nichts.“
Das Mädchen war wohl kaum in der Lage zu wackeln oder sich herumzudrehen, sie
bewegte sich vorsichtig, als ob sie befürchtete, daß ihr Körperchen durch eine unvor-
sichtige Bewegung auseinanderbricht und in kleine Splitter zerfällt.
Sie setzte sich, legte die Hände auf die Knie, sah ihn mit ihren Augen der weisen Schild-
kröte Tortilla an und erstarrte geduldig. Wahrscheinlich hatte sie ihre ganze Kindheit in
Krankenhäusern verbracht, und dort stellt sich die Geduld sehr schnell ein, ohne das
überlebst du nicht.
Er strengte sich an, versuchte ihre Seele zu erkennen, aber irgendetwas störte ihn –
entweder der formlose Overall, oder die Tränen in den Augen, oder das Wissen, daß die
alten Methoden hier nicht passen – er braucht etwas prinzipiell Neues, eine nichttriviale
Lösung. Und er fand sie!
Plötzlich dachte er: „Wie könnte sie aussehen, wenn sie nicht krank wäre? Nicht diese
blöde Kombi, sondern ein Kleidchen, nicht diese Kappe auf dem Glatzkopf, sondern
Schleifchen?“ Die Einbildungskraft begann zu wirken, die Hand begann von ganz allein,
etwas auf dem Blatt zu zeichnen, der Vorgang kam in Fahrt.
Dieses Mal arbeitete er nicht wie gewöhnlich. Das Gehirn war in dem Prozeß gewiß nicht
beteiligt, es war abgeschaltet, und etwas anderes schaltete sich ein. Wahrscheinlich die
Seele.
Es zeichnete mit der Seele, so als könnte dieses Portrait das letzte sein, aber nicht für
das Mädchen, sondern für ihn persönlich. Als ob er an einer unheilbaren Krankheit
sterben müsse und es bleibe nur noch ein klein wenig Zeit, vielleicht ebendiese zehn
Minuten.
„Fertig“, er trennte das Blatt von seiner Stafelei. „Schau, wie schön du bist!“
Tochter und Mutter schauten das Portrait an. Aber das war so gar nicht das Portrait und
überhaupt nicht „von der Natur“ abgezeichnet.
Auf der Zeichnung lief ein lockiges blondes Mädelchen in einem Sommerkleidchen mit
einem Ball über eine Sommerwiese. Unter den Füßen Gras und Blumen, über dem Kopf
die Sonne und Schmetterlinge, ein Lächeln von Ohr zu Ohr, und Energie ohne Ende.
Und obwohl das Portrait mit einem einfachen Bleistift gezeichnet war, schien es, als sei
es in Farbe ausgeführt, als sei das Gras grün, der Himmel blau, der Ball orange und das
Kleidchen rot mit weißen Punkten.
„Sehe ich etwa so aus?“ erklang es dumpf unter der Maske hervor.
„Ganz genau so“, versicherte der Künstler. „Das heißt, jetzt, vielleicht, nicht ganz, aberbald wird es so sein. Das ist das Portrait vom nächsten Sommer. Ganz genau wie eine
Fotografe.“
Die Mutter biß sich auf die Lippe, schaute irgendwohin, neben das Portrait. Sie hielt sich
ofenbar aus letzter Kraft aufrecht.
„Danke. Vielen Dank“, sagte sie, und ihre Stimme klang genauso dumpf, als ob sie auch
eine unsichtbare Maske trüge. „Wieviel kostet das?“
„Das ist mein Geschenk“, sagte der Künstler. „Wie heißt du, Prinzessin?“
„Anja…“
Er setzte seine Unterschrift unter das Protrait und schrieb „Anja“ drauf. Und noch das
Datum, den heutigen Tag, aber das nächste Jahr.
„Hier, nimm! Und im nächsten Sommer erwarte ich euch. Ihr müßt unbedingt kommen!“
Die Mutter verwahrte das Portrait in der Handtasche, nahm das Kind bei der Hand und
ging fort. Man konnte sie verstehen – wahrscheinlich schmerzte es sie, denn sie wußte
ja, daß es einen nächsten Sommer nicht geben wird.
Dafür wußte er davon nichts, er wollte das nicht wissen!
Und sogleich begann er, eine Skizze zu entwerfen – Sommer, die Meistergasse, er selbst
sitzt da, und die Allee herunter kommen beide – die glückliche lachende Frau und das
lockige Mädchen mit dem Ball in der Hand.
Er schuf begeistert diese neue Realität, ihm gefel es, daß es klappte. Und es sah sehr
realistisch aus!
Und das Jahr, das Jahr hinzuschreiben – das kommende! Damit das Wunder wußte, wann
es sich zu ereignen sollte!
„Sie schafen die Zukunft?“ fragte jemand interessiert, der sich unbemerkt von hinten
genähert hatte.
Er drehte sich um – da stand eine blendende Schönheit, so wundervoll, daß man nicht
wußte, wie man sie nennen soll. Ein Engel, vielleicht? Nur die Nase war wohl ein wenig
lang…
„Haben sie mich erkannt?“ lächelte die Engel-Frau. „Irgendwann haben Sie meine
Zukunft erschafen. Und jetzt die Zukunft dieses Mädchens.
Sie sind ein wahrer Schöpfer! Danke…“
„Was für ein Schöpfer?“ stieß er hervor. „Ein Künstler, ein Amateur, ein verkapptes
Genie… Man hat gesagt, ich hätte ein Talent von Gott, und ich… zeichne ein wenig, so
Kleinigkeiten, versuche ständig zu begreifen, worin meine Berufung besteht.“
„Haben sie das immer noch nicht verstanden?“ hob die Engel-Frau die Brauen.
„Sie können die Realität verändern. Oder ist das für Sie keine Begabung?“
„Ich? DIe Realität verändern? Ja geht denn das?“
„Warum nicht? Dafür braucht es nicht gar so viel! Liebe zu den Menschen. Talent. Kraft
des Glaubens, das ist eigentlich alles. Und das haben Sie.
Sehen Sie mich an – mit Ihnen hat doch alles angefangen! Wer war ich? Und wer bin ich
jetzt?“
Sie legte ihm aufmunternd die Hand auf die Schulter – als ob sie ihn mit dem Flügel
gestreift hätte, lächelte und ging davon.
„Und wer sind Sie jetzt?“ rief er ihr verspätet hinterher.
„Ein Engel!“ sie drehte sich im Gehen um. „Ich danke Dir, Schöpfer!“… Man kann ihn auch jetzt noch in der Meistergasse sehen. Eine ältere Stafelei, ein
Klappstuhl, ein Köferchen mit Künstlerarbeitsmitteln, ein großer Regenschirm…
Es steht immer eine Schlange bei ihm, die Legenden wandern von Mund zu Mund.
Man sagt, daß er im Menschen das sieht, was tief in ihm verborgen ist, und daß er die
Zukunft zeichnen kann. Und nicht nur zeichnen, sondern zum Besseren wenden.
Ebenso wird erzählt, daß er nicht wenige kranke Kinder gerettet hat, indem er sie auf
den Zeichnungen in eine andere Realität versetzt hat.
Er hat auch Schüler, und einige haben seine Zaubergabe übernommen und können
ebenfalls die Welt verändern.
Besonders leuchtet unter ihnen ein blondes lockiges Mädchen von etwa vierzehn Jahren
hervor, sie kann über die Bilder die heftigsten Schmerzen beseitigen, weil sie fremden
Schmerz wie ihren eigenen fühlt.
Und er zeichnet und zeichnet… Keiner kennt seinen Namen, alle nennen ihn nur den
Schöpfer. Ja, das ist halt dieses Menschen Berufung…
( Quelle )
Eine herzerfrischende Geschichte mit einem guten Ende 🙂
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Lange Reden kurzer Sinn, aber Glaube und Gedanken, können Leben retten, wir sind hier auf der Erde um zu lernen, um in das Paradies zu kommen.
Wer in diesen leben ein gutes ende findet, hat eine gute Zukunft. Ende gut alles gut.
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Herrlich, wundervoll, spannend, wahr, erhebend!
Danke für den Fund, lieber Lücki.
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Ja, die Zeit ist nicht mehr fern, da wird es jedem Menschen gegeben sein beim Anblick eines menschlichen Elendes in sich starkes Leid zu fühlen, es wird ihm schlecht gehen (so sagt es etwa R.Steiner).
Die Weisheit des Geistes läßt uns also erstmal reichhaltig Elend verursachen um dann später darunter zu leiden…………………
Darum: Vor das Vergnügen haben die Götter den Schweiß gesetzt….
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Hat dies auf haluise rebloggt und kommentierte:
es gibt sie, die grenzenlose LIEBE … luise
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…..Und wer schreibt solch feinsinnige Geschichten?
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petravonhaldem 12/01/2022 um 02:54
Liebe Petra,
tut mir leid, der Link ist bei der Übernahme ins WP abhanden gekommen; der Autor war hier: https://cont.ws/@id361509557/1257013
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Luckyhans
12/01/2022 UM 06:21
Danke für die sicher sehr interessante Seite. Leider bin ich der russischen Sprache nicht mächtig und kann es nicht einmal lesen. Aber egal……fein, dass Du das wunderbare Bild mit hierher auf BB geholt hast.
Wir haben uns gefragt, ob das ein komplett gemaltes Bild wohl sei…..interessant und stutzenswert 🙂
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https://www.udojuergens.de/lied/mein-bruder-ist-ein-maler
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petravonhaldem 12/01/2022 um 17:37
… der Autor nennt sich nur Artjom…
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Danke 🙂
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