Himmelweit lernen
Abenteuer Erziehung. Zweite Auflage
Eckehardnyk, Montag 10. Mai NZ 12
1. Du kannst und darfst wissen, glauben und hoffen was, an was und auf was immer du willst! Nur etwas bleibt dir – wenn du dabei stehen bleibst – versagt: Das Weiterkommen im Sinne von etwas „Dazulernen“! Denn was ist Lernen? Es ist eben ein Absehen von dem, was man schon weiß. Wenn dein Kind schon wüsste, wie man schreibt, wäre es dann noch gierig darauf, es ab einem bestimmten Alter zu lernen?
2. Wenn ein Student sein Examen hinter sich hätte, müsste er dann noch glauben, dass die Prüfungsfragen etwas bedeuten? Wenn die Regierungen wüssten, wie Himmel und Erde entstanden sind, würden sie Steuer-Milliarden nicht sinnvoller einsetzen als für Teilchenbeschleuniger und Kriege?
3. Benutzt du jedoch dein Denken, dann wendest du etwas an, was in geschäftlichen und militärischen Kreisen hoch geschätzt wird: Strategie und Taktik.
Du überlegst: Wie komme ich „aufs Schlachtfeld“? Danach entscheidet die Taktik, was konkret zum Erfolg führt. Strategie und Taktik sind zwar militärische Begriffe, kommen jedoch im friedlichen Alltag viel häufiger vor, als wir vielleicht gedacht, geglaubt oder gehofft hatten. Auf jeden Fall sind die Hilfen enorm, die uns diese „militärischen“ Denkakte im privaten Leben anbieten.
4. Das Lernen eines Säuglings oder anfangs auch eines Welpen geschieht voraussetzungslos: Ohne Vorbereitung oder Vorbelastung. Das Tier kommt zwar bald an das Maßvoll dessen, was es zu lernen hat, bei unserem Säugling dauert Lernen jedoch in immer wieder wechselnden Situationen von frühster Kindheit und Jugend bis hin zum Lebensende an. Der Mensch ist „unbegrenzt“, weit über die vermeintlichen Grenzen hinaus, also „himmelweit“ lernfähig – wenn er will. Will er denn immer? Mensch beschränkt sich im Lauf seines Lebens auf Wissenschaften, die dann seine Überzeugungen und Glaubenssätze unterstützen. Innerhalb dieser „Beschränkungen“ soll dann sein Bewusstsein bestehen und die Welt entsprechend aussehen.
5. Für das Glücklichsein eines Menschen hängt aber viel davon ab, ob es Grenzen seiner Erfahrung oder seiner Erkenntnis geben kann. Immanuel Kant, der „zufällig“ mit Lenin, Yehudi Menuhin und mir an einem 22. April den gleichen Geburtstag teilte, wollte dem Menschen die Grenzen der Erfahrung und des Denkens aufzeigen. Das ist ihm für alle, die darauf stehen, gelungen, liegt auch schon über zweihundert Jahre zurück. Und doch gilt heute noch für Viele der kategorische Imperativ als die Formel dafür, dass allen Menschen eine für immer feststehende Grenzbestimmung des Denkens (und damit der Moral) auferlegt sei; mir scheint es, weil die Furcht davor, jenseits des Tellerrandes, den wir mal als Universum, mal als Kosmos bezeichnen, könne sich eine Welt auftun, die weiter und multipolarer ist als unsere Begriffe es zulassen.
6. Als Stratege und Taktiker können wir jedoch immer wie schon Alexander der Große neue Situationen vorfinden, die wirksam gegen übermächtige Armeen und andere verstaubte Knoten und überholte alte Rezepte sind. Wohl mag es Typen von Dingen oder Ereignissen geben, die immer wieder vorkommen. Aber die Einzelsituation ist genauso einmalig wie der einzelne Mensch selbst. Deshalb können und dürfen wir beim Erziehungsgeschehen keinen Ängsten, Vorurteilen oder Erfahrungen Anderer aufsitzen, sondern in „lebenslänglichem“ Lernbewusstsein uns der immer neuen Fälle des Lebens unserer Kinder, Enkel, Urenkel und so weiter, annehmen, um darauf eine ureigene Antwort zu finden, was wohl ihr und damit auch unser besonderes Anliegen auf diesem Planeten sein könnte. Beim Lernen kommt es darauf an, das Typische, das jeder Andere auch erfahren kann, vom Individuellen zu unterscheiden, anhand dessen wir die Art und Weise unserer Kinder identifizieren.
7. Einer der häufigsten Gründe für Vorurteile bei Menschen ist die Meinung, dass man „Alles richtig gemacht“ habe und, auf der anderen Seite der Medaille, dass es „Fehler“ gebe. Die „befugten“ Leute rühmen sich dessen, was sie alles tadellos gemacht haben; die „Unbefugten“ wollen aufdecken, was „falsch“ daran war. Regierungen und ihre Opposition leiden darunter ebenso wie Lehrer und Schüler; denk nur an die „Fehler“ im Diktat und anderswo. Es macht natürlich auch Beckmesserischen Spaß, irgendwo ein Falsch dran zu kritzeln; aber dieser Spaß sollte auch beim Lernenden die Lust auf Verbesserung zünden.
8. Erziehung oder Bildung bevorzugen immer wieder neue Wege durch altes Gelände. Das Leben mache keine Fehler, soll irgendjemand Bedeutendes gesagt haben. Oder es werde vorwärts gelebt und rückwärts verstanden. Zum Beispiel die Schlacht von Waterloo. War sie ein Fehler? Napoleon hat sie 1815 verloren. Seine Karriere als Kaiser der Franzosen war damit zu Ende. Für sein Verstehen und geistiges Wachstum war es das Beste, was ihm widerfahren konnte. Für Europa und die übrige Welt gingen die Geschäfte weiter, für die Rothschilds in London sogar außerordentlich gut. Und was der geschlagene Bonaparte der Menschheit hätte noch geben können, musste sich diese auf andere, ihr gemäßere und auch mäßigere Art aneignen.
9. Wenn das Diktatheft deines Sprösslings „vor Fehlern wimmelt“, dann ist seine Chance, an der Rechtschreibung etwas zu lernen, wesentlich höher, als bei seiner „fehlerfreien“ Konkurrenz. Er hat einen anderen Zugang zu Orthografie und dergleichen, und deshalb ist das Zeug außen hängen geblieben, bis der richtige Zeitpunkt zur Wiederaufnahme und Einverleibung gekommen sein wird. Es müssten nur Kommentare in Gestalt von Abkanzeln oder Züchtigung tabu geblieben sein, sodass dein Kind seinen individuellen Zugang finden und das außen hängen Gelassene in sein Wesen herein holen und verarbeiten kann.
© eah 2012 und 10. Mai 2024
Läiken kann ich nicht, darum hier dies:
Wieder hast Du hier eine Leck Türe geboten, die mir außerordentlich leicht die Kehle runtergeht. Danke, lieber Eki!
Yepp! Los von Rom, vamos, allons-y, take off in uns noch unbekannten Welten.
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danke für diesen wieder wundervollen Beitrag lieber Ecky.
Mein Vorschlag:
Wenn wir Kinder so betrachten, dass sie uns als Eltern ausgesucht haben, ändert sich die Einstellung.
Und wenn der Lehrer das Kind bzw. die Klasse als „Schicksalsgemeinschaft“ sieht, dann kann man auf eine gute Ent-wicklung vertrauen.
Gibt es Probleme bei den Kindern, kann man sich auch gerne an den jeweiligen Schutzengel wenden. Das hilft ungemein.
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Danke für euer herausragendes Lektorat. Palinas Punkt 1 ist mir aus eigener Kindheit wohlvertraut. Als Kind freigeistiger 1) und anthroposophischer 2) Eltern war das in einem von Kirchgängern beider Großraumsekten bewohnten und durch eine kilometerlange Wiese 3) von der Haupt-Stadt 4) getrennten Vorort auch leicht möglich. Ich vermute aus euren Bemerkungen annehmen zu dürfen, dass die Textreihe weiter gehen darf 5). Die Urschrift wurde schon früher vorgestellt, doch bekommt mit dem Hintergrund der neuesten Weltereignisse sowie statt- und spontan gefundener Erarbeitungen neuen Glanz und Deutlichkeit.
Er-Elter 2) Sie-Elter 3) Wonnhalde, wenn auch nicht Zeugungsstätte 4) von Zähringern gegründete Main-City (nicht am Main gelegen) 5) Die hierzu passende Idee ist mir gerade wieder gekommen: Bismarck, der gesagt haben soll: Ich habe keine Zeit, um müde zu sein, hätte auch sagen können: Ich habe keine Zeit, alt zu sein. Aber, da hätte er sich geirrt – und hat es auch nicht gesagt. Ich möchte als stationär präparierter Invalide mit 82 damit gesagt haben: Es kostet viel Zeit alt zu sein, ich meine, die Takte produktver Arbeitseinsätze dürfen oder müssen längere Pausen enthalten. So auch hier. Sei’s drum, es geht weiter, solang es geht.
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Alles Liebe für Dich, Ecki
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