Und weiter freut sich bumi bahagia über die Kunde vom entseelten Dorf, welches durch die Geistestropfen des sich erinnernden Dorftrottels wiederbelebt wird. Hier. Jetzt. In unserer Zeit.
thom ram, 23.09.2014
Autor: Ludwig der Träumer
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Es war einmal und ist immer noch. Wo?
Fortsetzung. Teil 1 hier
Das namenlose Dorf, das die ganze Welt umspannte, bekam Besuch von einem Wanderer, der lustige bunte Kleider trug. Sie nahmen ihn so herzlich auf, wie jeden anderen auch, war er doch ein guter witziger Erzähler von den Gepflogenheiten in seiner Heimat, die sie so noch nie gehört hatten. Er erzählte von einer kommenden Zeit, aus der er kommt. Da die Menschen im namenlosen Dorf nur das Jetzt kannten, wurden sie aufmerksam. Das hatten sie dem Dorftrottel zu verdanken. War er doch der Einzige, der das unvermeidlich kommende sah.
„Da mud du durch“, sagte er.
Dem Wanderer zu Ehren versammelten sich alle auf dem großen Platz inmitten ihrer großen Häuser. Sie sangen ihre Lieder, brachten Früchte, eine wunderbarer und schmackhafter als die andere, die ihnen die Natur schenkte. Alle wurden satt und etwas müde. Nach dem Essen waren sie es gewohnt, sich etwas auszuruhen, da der Magen jetzt beschäftigt war. Sie wußten, Umtrieb und neue Lebenskraft tanken gleichzeitig geht nicht.
Der Wanderer jedoch war putzmunter, obwohl er die die Früchte geradezu in sich hineinstopfte, bis der Magen bald platzte und sein Darm mehr sprach als sein voller Mund. Er wurde nicht müde bei seinen Geschichten aus seiner Heimat. Mit vollem Mund waren seine Worte etwas unverständlich, er atmete dabei auch etwas schwer. Man verstand nur ‚Vecrekrrrurks meck donald schmatz wurks muß her‘. Er war der erste Wanderer, der nicht verstanden wurde. Da die Menschen alles liebten, war das auch kein Problem für sie.
Es begann zu regnen. Ein Segen für die Natur, aber naß werden wollten die Dorfbewohner dennoch nicht. Die Katzen, die wahren Souveräns, verkrümelten sich als erstes. Eine nasse Katze mag selbst der trockenste Kater nicht. So schlugen sie vor, sich in die großen Häuser zurückzuziehen. Dem Wanderer überließen sie die Wahl, bei wem er nächtigen will. Er suchte sich das wunderschöne Haus des Dorftrottels aus.
Am nächsten Morgen beklagte der Wanderer die wunderschöne Zusammenkunft auf dem Dorfplatz, die durch den Regen unterbrochen worden war. Wenn ihr auf dem Dorfplatz ein noch größeres Haus hättet, in dem alle auch bei Regen Platz haben, so hättet ihr bis zum frühen Morgen meine Geschichten aus meiner Heimat lauschen können. Man muß wissen, daß der Dorftrottel die wichtigste Stimme im Dorf war, frei aller Ängste, nur mit Liebe behaftet für Harmonie und alles danach Kommende. Da er durch Beobachtung wußte, wie man schöne Häuser baut, machte er sich selbst an die Arbeit – die Arbeit wurde mit ihm erfunden. Es fiel ihm schwer. Aber der Wanderer hatte ihn dazu ermutigt und ihm einen Titel gegeben – Architekt. Das schmeichelte. Nicht mehr Dorftrottel, sondern Architekt.
Unermüdlich besessen von der Idee des Wanderers, das größte Haus im Dorf zu bauen, damit die harmonische Zusammenkunft künftig nicht mehr durch Regen unterbrochen wird, entwarf er ein riesiges Haus inmitten des Dorfplatzes. Da harmonische Elemente wie der Goldene Schnitt und in Stein gemeißelte Fugen der göttlichen Musik nicht fehlten, stimmten die Dorfbewohner dem Bau zu. Lustig fanden sie den dreihundert Ellen hohen Turm über dem Dach. Manche dachten, es ist der Schornstein. Wieder andere machten Witze über die seltsamen Tiere und Köpfe an der Fassade, die sie noch nie in der Natur gesehen hatten. Da gab es welche mit… aber lassen wir Bilder sprechen. Mit Worten kann man diese Wesen ohnehin nicht beschreiben.
Der hier überm Eingang verwunderte doch so manchen. Als hochentwickeltes Völkchen hätten sie den hier eher auf dem stillen Örtchen vermutet. Einer meinte sogar: Der scheißt auf euch, wenn ihr da rein geht. Die Bedeutung dieses Satzes sollten sie jedoch erst viele tausend Jahre später erkennen.
Wenn wir schon beim Thema sind, werfen wir doch einen Blick ins Innere des ganz großen Hauses inmitten des Marktplatzes, der bald keiner mehr ist. Dort gibt es seitlich einen Holzverschlag mit zwei Türen. Wenn es hier ein stilles Örtchen gibt, warum muß der sich dann an die Fassade hängen zum scheißen, meinte der neue Dorftrottel. Der war nicht gewählt oder ernannt worden, wie der alte, der sich selbst verraten hatte und Architekt wurde. Ja, es war eher so, daß der neue Dorftrottel als Einziger im Dorf Falten auf der Stirn hatte und oft in die Sterne schaute, wenn die anderen feierten. Sie wußten noch nicht, daß Denken Falten auf der Stirn verursacht. Es reichte aber, ihn als neuen Dorftrottel auszuzeichnen.
Seltsam empfanden sie die neue Sitzordnung. Waren sie es bisher gewohnt, alle im Kreis zu sitzen, damit jeder jeden sehen konnte. Jetzt sollen sie auf einmal und für immer diese Tradition brechen und in Reih und Glied alle nur noch in eine Richtung starren. Da kann man doch nicht mehr miteinander reden und gemeinsam lachen. Da vorne gibt’s doch nur ein leerer Stuhl und noch etwas, das so manchen das erste Mal in seinem Leben ein mulmiges Gefühl bescherte. Es war ja nicht so, daß sie keine Verletzten kannten. Wenn, was äußert selten vorkam, sich einmal einer verletze, dann hatten sie ihn liebevoll auf einem flauschigem Bett aus wunderbar duftendem Moos gelegt, damit er sich gesunden kann und nicht zum Trocknen der Wunden an die Wand gehängt.
Der Bau war in vollem Gange. Viele bauten in Freude und mit viel Liebe mit. So, wie sie es bisher gewohnt waren. Der Bau geriet jedoch bald ins Stocken, da zwar alle Baumaterialien für die großen Häuser der Dorfbewohner in der Region vorhanden waren, aber nicht für ein noch Größeres.
Der Wanderer hatte eine Idee. Ich bringe euch das Material. Während dieser Zeit kann ich jedoch nicht für mich selbst sorgen. Gebt mir ein paar eurer Früchte, damit ich nicht hungere während meiner Tat. Gesagt, getan. Er brachte Baumaterial. Unwirsches Material, untauglich um ein Haus zu bauen. Das hatten sie bisher nicht gekannt. Ihr bisherigen Steine aus der Umgebung konnten dem Menschen für ihre großen Häuser ohne Verletzung durch Behauen dienlich sein. Dafür waren die Steine dankbar und erzählten in stiller Stunde wunderbare Geschichten von der glücklichen Erde. Die Steine, die der Wanderer herbeibrachte, waren schon halbtot von der langen Reise und wurden durch mühevolles Behauen ganz tot geschlagen um dem Bauplan gerecht zu werden. Oder habt ihr schon mal Steine in den größten aller großen Häuser fröhliche Geschichten erzählen gehört? Nun, es war nicht der Wanderer selbst, der die Steine herbeischleifte. Es waren abgemagerte, ausgemerkelte Männer mit düsterem Blick, alle mit Ketten verbunden, damit sie sich auf dem gemeinsamen Weg zum Glücklichsein nicht verlieren und eine große Gemeinschaft für alle Zeiten bleiben konnten – so wurde ihnen vom Wanderer erzählt. Die Steine auf ihrem Buckel tragend, dem Wanderer folgend, der ihnen den Weg zeigte, sangen sie sogar noch ein lustiges Lied:
Morgen! Morgen Kinder wird’s was geben
Etwas auf die Nuß, wenn nicht folgst eben
Das Paradies kennt nur der große Wagen
Folge ihm bis zum Ende aller Erdentagen
Er weiß, wo Gottes Pforte uns empfängt
Folge ihm, sonst wirst du gleich erhängt
Fröhlich! Fröhlich weiter seines Weges
Alles andere dir zu Schaden, vergiß es
Im Himmel dann wir singen von dem großen Herrn
Er ist des Weltenführers edler großer Kern
Die Müh sich lohnt, die Liebe ist nur dort zu finden
und so müssen wir uns hier vor Schmerz noch winden.
Der Wanderer ging nicht etwa zu Fuß, wie die Steinträger, sondern saß in einem prächtigen goldenen Wagen, gezogen von sechs Rössern, in dem auch noch alle Steine der Träger Platz gehabt hätten. Die Menschen waren so mit dem Bau beschäftigt, daß sie das Elend der Steineträger nicht sahen. Sie hätten es ohnehin nicht sehen können, da sie nicht wußten, was Elend ist – noch nicht. Einzig das Fesseln der Rösser an den großen Wagen betrübte manche etwas. Das waren die, welche noch mit den Tieren sprechen konnten.
Das Totschlagen der Steine wurde immer mühevoller. Eine Mühe, die sie bisher nicht kannten. In ihrer unendlichen Liebe zu allem was ist, schafften sie es dennoch. Nur ihr Lachen und ihre wunderschönen Lieder wurden während dem Bau immer weniger.
Da war die Zeit des Wanderers gekommen. Er füllte ihre Leere mit den Gesängen aus dem großen Latrinum und erzählte ihnen Geschichte vom großen gütigen Bruder und dem Herrn, der komme und ihnen noch lustigere Geschichten erzählen könne als er selber.
Sie bauten und bauten.
Vergaßen dabei ihre eigene Geschichte.
Geselliges Miteinander auf dem großen Platz inmitten ihrer großen Häuser gab es nicht mehr.
Der war ja inzwischen zugebaut.
Der Blick auf Nachbars Haus war fortan auch versperrt.
Nun, der große Tag nahte. Das größte aller großen Häuser sollte eingeweiht werden. Aber wie? Einweihung wie bisher war nicht mehr möglich. Sie hatten sich den großen Platz dafür selbst zugebaut. Es geschah das erste Mal, daß sie ein ungutes Gefühl von Traurigkeit verspürten. Der Wanderer versprach ihnen, daß dieses Gefühl mit der Einweihung des größten aller Häuser sofort wieder verschwinde und dass dank des neuen Hauses grössere Freude ihrer harren als jemals zuvor sie gekannt.
Sie saßen auf den harten Bänken in Reih und Glied, jeder nur das Hinterteil des anderen sehend, mit mulmigem Gefühl den zum Trocknen seiner Wunden an der Wand Aufgehängten betrachtend und warteten auf die versprochene Freude aller Freuden. Plötzlich vibrierte das ganze größte aller großen Häuser und es machte einen entsetzlichen Lärm. Der kam aus den blitzeblanken Rohren, die auch an der Wand hingen. Andere Rohre, aus denen noch mehr Lärm kommt, sollten sie erst später kennenlernen. Die Ohren schmerzten ob dem disharmonischen Lärm. Als plötzlich der Lärm verstummte, kam der Wanderer und setze sich auf den wunderschönen Stuhl über dem, der zum Trocknen an der Wand an zwei Holzbalken hing.
Was für ein Anblick.
War der Wanderer noch lustiger und bunter gekleidet als je zuvor. Auf seinem Kopf hatte er ein rundes Blech. Ein Hut konnte es nicht sein, da der Deckel fehlte. Dafür war es mit vielen bunten glitzernden Steinen verziert, die sie zwar kannten, aber nichts mit anzufangen wußten. Diese gehörten zur Erde und sollten auch da bleiben. Zuerst hob er den rechten Arm schräg nach oben, dann den linken und danach alle beide. Sie waren etwas verwirrt. Solche Gesten wußten sie nicht einzuordnen. Was das mit Freude zu tun haben soll, blieb auch ein Rätsel. Seiner Einweihungsrede konnten sie ebenfalls nicht folgen. Er hielt sie in einer Sprache, die keiner verstand. Danach wieder dieser ohrenbetäubende Lärm aus vollen Rohren, bevor er sie alle der Reihe nach zu sich rief um sich die großen Fußzehen ablecken zu lassen. Was für ein fauliger Geschmack. Dabei bespritze er sie mit Wasser. Ja, ihr habt richtig gehört – mit Wasser.
Der einzige, der das nicht mitmachte, war der neue Dorftrottel. Er verließ fluchtartig das größte aller großen Häuser. Erinnern wir uns noch, warum das große Haus gebaut werden sollte? Ja, damit niemand naß werde, wenn es bei den fröhlichen Zusammenkünften einmal regnen sollte. Und jetzt das. In ihrer unermüdlichen Liebe für alles was ist, konnten sie nicht mal murren und hofften, daß endlich die Einweihungsfeier losgeht, wie sie es gewohnt waren. Damit war die Hoffnung geboren, die sie bisher nicht benötigt hatten, da sie nur im Hier und Jetzt gelebt hatten.
Der Wanderer war mit sich zufrieden. Hatte er doch ihnen gleich zwei neue Gefühle beibringen können. Das Mulmig sein als Vorstufe zur Angst und die Hoffnung. Und noch etwas war ihm gelungen. Die Menschen freiwillig dazu bringen, etwas zu bauen, das sie beim Feste Feiern in Reih und Glied zwingt. Wenigstens dies in ihrer Sprache, vertröstete sie der Wanderer auf den nächsten Sonntag. Bisher kannten sie das Wort noch nicht. Es gab ja nur das Jetzt. Dann soll die richtig große Einweihung stattfinden. Sie gingen wieder frohgemut nach Hause und fieberten dem nächsten Sonntag entgegen.
Die alten Feste feiern vergaßen sie hiermit für alle Zeiten und somit sich selbst.
Wirklich für alle Zeiten?
Wäre da nicht der neue Dorftrottel, der alles Ursprüngliche in sich durch die Flucht aus dem Tempel (so wurden die größten aller großen Häuser künftig benannt) bis heute bewahrt, könnten wir die Geschichte an dieser Stelle abbrechen.
Der weitere Verlauf der Geschichte bis zur heutigen freiwilligen Knechtschaft und Versklavung mit großem Elend ist hinreichend bekannt.
Wir wollen uns nicht länger damit beschäftigen.
Das würde nur die Gedanken daran fesseln und die Tragödie weiter festigen.
Es war hier nur aufzuzeigen, wie es zu der menschlichen Tragödie kam.
Ein paar Regentropfen und ein einziger Wanderer, der nichts Gutes im Schilde führte, genügten, um den Menschen aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Ein einziger Wanderer unter allen Menschen, die selbst Wanderer sind, wurde der Menschheit zum Verhängnis.
Warum sollen dann nicht auch ein paar Geistestropfen des Dorftrottels,
dem der wahre Grund unseres Daseins noch bekannt ist,
das Gleichgewicht wieder herstellen können?
Er ist bereits in der heutigen Welt angekommen.
Es braucht nicht viel,
eigentlich garnix
um zu fühlen,
was es ist,
das alle sich ersehnen.
Hören wir des Dorftrottels Erinnerungen, so wissen wir, wo der Mensch einmal war und dass er sich wieder finden kann.
Es war einmal und kommt wieder.
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