Eckehardnyk 14. März, NZ 12
1. Ein bekannter Segler aus Berlin wurde bei einer Regatta, die er schon für sich gewonnen glaubte, von einem Konkurrenten überholt. Kurz vor der nächsten Boje rief er dem unliebsamen Konkurrenten zu:
„Wenden Sie … „
Woraufhin dieser prompt eine Wende machte und die Reihenfolge an der Spitze wie zuvor wieder hergestellt war und der zuvor Überholte doch als Erster die Ziellinie überfuhr. Nach dem Rennen protestierte der Genarrte begreiflicherweise und brachte den Sieger wegen unfairer Wettkampfführung vors Sportgericht. Der Gewinner verstand es ein zweites Mal sich den Sieg, nun endgültig, zu sichern. Er habe, erklärte er dem Gericht, dem Unterlegenen ja nur eine Frage gestellt: Wenden Sie? Dagegen hatten die Kampfrichter kein Argument1, und auch der Unterlegene nicht. Deshalb das doppelte Satzschlusszeichen in der Überschrift: Tagebuch fürs Kind?! Und solltest du mit Nein antworten, sei versichert: Es lohnt sich!2
2. Das Beispiel oben zeigt, dass bei der Erziehung des Menschengeschlechts jeder „Beweis“ wichtig sein könnte. Schreibe auf, wann immer du Gelegenheit hast, deine Beobachtungen oder Gedanken und Gefühle, wenn auch nur in Stichworten, zu dokumentieren. Es wird dich eines Tages dich selbst und gerade deinen Nachwuchs interessieren und der wird dir noch zu Lebzeiten danken. Du dokumentierst auf diese Weise eine einmalige Beziehung, die nur zwischen dir und diesem Kind gewesen sein kann.
3. Beim Entstehen dieser Zeilen las ich vor 25 Jahren in der Zeitung, die Erziehung in den meisten Kindergärten sei so schlecht, dass man diese Einrichtungen schließen sollte (im Jahr 1998 schon!). Eindringlich wurde auf die Macht der Eltern hingewiesen, aber was ist heute daraus geworden? Sind wir Menschen denn alle so ganz gleich geboren und haben wir in den Staaten der „ersten Welt“ noch genug Kinder, die sich gegenseitig sozialisieren? Zumindest wäre ein Kindergarten zur Kontakterfahrung wichtig, egal auf welchem Niveau. In sozial schwachen Verhältnissen kann auch eine „mäßige“ oder hinreichend gute „Kita“ noch Nutzen bringen, sowohl für das Kind und die Eltern, als auch für den Staat, falls für diesen am Ende der Erziehung der „mündige Bürger“ gefragt ist.
4. Selbst wenn der Staat Interesse an Kindergartenplätzen haben sollte, halte ich ein einklagbares Recht für überzogen. Für Kinder müssten auch geeignete Pflegekräfte zur Verfügung stehen, die während ihrer Ausbildung zu ermessen lernen sollten, ob sie Begabung, Eignung und Liebe für diesen Beruf mitbringen, um ihrer Aufgabe mit Freude und Energie nachkommen zu können.
5. Nämlich: Was geschieht mit Kindern, die das Höschen voll machen? Zu hören ist, dass die wenigsten Erzieher die Eltern deswegen zum Gespräch bitten. Und diese hätten es dann mit dem Tagebuch leichter, Gründe für diese „Fehlhaltung“ zu entdecken. Es kann darüber Streit geben, ob Bettnässen vererbt oder sonst „irgendwie in der Familie gelegen“ sei. Wichtig ist nur, dass aus dem Bewusstseinsmaterial des Kindes selbst genug bekannt ist, ihm da heraus zu helfen. Man möge sich nur anregen lassen, selbst kundig zu werden!
6. Zum Beispiel, wenn Kind von Albträumen erzählt: Ein Zauberer sei zu ihm gekommen und habe es fressen wollen. Daraufhin sei es erwacht. – Wenn du nun Tagebuch über dein Kind führtest, würdest du früher darauf aufmerksam werden, dass ein solch wiederkehrender Traum auch eine Chance enthält: Das Schreckliche am Albtraum, sein grässlicher Inhalt, birgt eine Botschaft an unser Wachbewusstsein: Bei diesem Traum mit dem Oger, dem Menschenfresser, kann dem Kind Mut gemacht werden. Es könnte zum Beispiel den Zauberer ansprechen und ihn fragen:
„Weshalb weckst du mich immer so spät? Wenn du so mächtig bist, dann hilf mir doch, dass mein Bett trocken bleibt!“ –
7. Bring den kleinen Träumer dazu, mit seinen Traumfiguren im Traum zu reden, solange es das noch vermag (denn dieses Können verschwindet, wenn man es nicht von Kindesbeinen an pflegt). Das kann schon bei Tage geschehen. Kind soll den Kerl, der es heimsucht, so oft wie möglich ansprechen. Dann wird der Zauberer im Traum den Dialog vom Tag fortsetzen und fragen:
„Was bekomme ich dafür, dass ich dir helfe, dein Bett trocken zu halten?“
Befindet sich das Kind noch im ehernen Zeitalter, dann antwortet es demgemäß versöhnlich:
„Du wirst mein Freund!“
So könnte dieser Zauberer seinen Schrecken verlieren und zum Wohltäter umgeformt werden.
8. Mit einem Tagebuch über dein Kind erhältst du außerdem Auskunft über dich selbst. Wer könnte besser als du erinnern, welche Gefühle oder Empfindungen du bei den Eintragungen hattest? Du kontrollierst auch, was du eigentlich gewollt und was du dir bei bestimmten Maßnahmen gedacht hast. „Warum kann das Kind Angst gehabt haben?“ Tagesereignisse sind dazu da, um bei Nacht überdacht zu werden.
© eah 2012 und 14. März 2024
1 Das konnte nur deshalb funktionieren, weil die Sportler sich damals untereinander noch siezten
2 Die Fassung von „Abenteuer Erziehung“ war in der Sie-Form gehalten. In der Du-Form lässt sich dieses Wortspiel genau so nicht halten
Tagebuch ist so toll.
Lieber Ecki, habe ich auch gemacht. Ich habe Tagebücher angelegt für meine Kinder. Und im Fotoalbum auch noch kleine „Notizen“ dazu geschrieben. D. h. hinter den Bildern kurze, oft witzige, Kommentare geschrieben. Beim Betrachten dieser kommen immer Fragen und man/fru kann erzählen.
Das ist so kostbar. Und meine Enkel können daran ihre Ahnen kennenlernen und davon profitieren.
Alles Liebe für Dich
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Ich hätte mir schon 1987 das Internet ins Haus holen sollen, und nicht erst 2007, dann hätte ich das rechtzeitig gelesen 😉
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Ich danke euch für eure Zuschriften und -stimmung!
Leider bekomme ich keine Beiträge mehr auf mein emil-Konto. Woran liegt das?
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22:46 Ecki
Du meinst Benachrichtigung per Mail, wenn jemand einen Kommentar schreibt?
Schreibe selber einen kurzen Kommentar und klicke an „Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren“ – oder sinngemäß.
Vielleicht hilft das?
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Danke, lieber Ram, so geschehe es
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„Benachrichtigung bei weiteren Kommentaren“ ersheint bei mir nicht mehr. Stattdessen wird mein Senf vonWordPress bearbeitet, wo ich mich jedesmal einloggen muss. Was für ein Fortschritt.
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ecki
Jau, WP. Oder andere Technik. Ich kann, wenn ich einen Artikel auf der öffentlichen Ebene lese, nicht liken, und wenn ich kommentieren will, muß ich mich jedesmal einloggen.
Dies auf dem Rechner. Auf dem Händi, dort gehts normal. Muss was an meiner Einstellung im Kompi zu tun haben. Hab schon gesucht, gefunden nichts.
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