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​Wo man mit der Liebe anfängt 42 von 144

Mit welcher Stimme hörst du dich am liebsten??

Eckehardnyk

Montag 2. Dezember NZ 12

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Mit der eigenen Person fängt die Liebe an. Und bei der eigenen Stimme hört sie meistens auf. Leute von Funk, Fernsehen, Theater und Politik lieben berufsmäßig den Klang ihrer Stimmen und Reden. Die meisten anderen Menschen sind jedoch entsetzt, wenn sie zum ersten Mal eine Aufnahme ihrer Stimme hören. Es ist ratsam, den ersten Eindruck vom Hören der eigenen Stimme aufzuschreiben.

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Ich erinnere mich, dass unser Musiklehrer in der achten Klasse von jedem Einzelnen eine Lied Probe auf Tonband aufnahm. Als ich mein Vom Barette schwankt die Feder anhören musste, dachte ich erst, das sei jemand anders. Dennoch war mir „Alles“ daran bekannt. Auch dieses ein klein wenig in sich selbst Verliebt sein kam für mich zum Ausdruck, indem mir die eigene Stimme vorkam wie die eines Jungen „vom Film“. Am ernüchtererndsten aber war für mich damals das Empfinden von Unfertigkeit, von Herumrätseln, wofür diese Stimme gut sein soll, welche Kompetenz ihr überhaupt zukommen soll. Der Gesamteindruck war „peinlich, sich selbst beim Gesang zu vernehmen“.

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Mach diese Erfahrung ruhig selbst, analysiere und schreib den ersten Eindruck auf und hör von Zeit zu Zeit mehr von dir selbst, um „dich mit dir selbst“ zu befreunden. Selbstakzeptanz hat eine wichtige Vorbildfunktion für dein Kind. Indem du das eigene Instrument kennen und mögen lernst, vermeidest du auf die Dauer dessen „Verstimmung“. Durch Videoaufzeichnungen von sich selbst bringst du außerdem deinen Körper ins Bild und kannst dir leicht die Frage beantworten:

Mit welcher Stimme höre ich mich, und in welcher Verfassung sehe ich mich für die Dauer des Lebens am liebsten?

Christus, als er nach dem wichtigsten Gebot gefragt wurde, sagte dazu:

Das Erste ist: Ich bin der Herr (usw.), das andere aber ist ihm gleich: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!1

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In der Zeitschrift GEO von Dezember 1998 ist ein Hauptartikel der menschlichen Stimme gewidmet. Unser Stimmorgan sei relativ jung, hieß es dort. „Der Schöpfer“ oder „die Evolution“ habe sich Zeit gelassen, bevor dieses Werkzeug in die höheren Gattungen eingebaut wurde. Insekten, Schnecken, Würmer und Fische müssen noch immer geruchsmäßig, elektronisch, magnetisch oder irgendwie optisch kommunizieren. An der Stimme nimmt unser Bewusstsein, ja sogar unsere möglicherweise vorhandene Eitelkeit, weniger Anteil. Wir pflegen unser Haar, die Fingernägel, die Haut und überhaupt unser Image um vieles besser.

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Dabei hat Gerhard Schröder mit nur (s)einer Stimme die Wahl 1998 für sich entschieden. Mit seinem klangvoll eigenen Organ, das jedem ein Kopfnicken abverlangt, konnte er sich mit „höherer Kompetenz und Liebenswürdigkeit“ glaubwürdig darstellen, besser als durch die Texte der gehaltenen Reden. Aber hinter den Kulissen wäre zu vermuten, dass bewusst auf die Wirkung dieses wahlentscheidenden Mittels hingearbeitet wurde.

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Was tust du, damit du deine Wahlen gewinnst? Pflegst du deine eigene Stimme? Rauchst du? Hörst du dir beim Sprechen, Singen, Weinen oder Lachen gern oder nicht gern zu? Singst du? Das wäre ein Anfang. Ein Anfang für pflegerisch selbsterhaltenden Umgang mit sich selbst, ein Beginn eines behutsamen „Sich lieb Gewinnens“.

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Ein Mensch, der immer in gleicher Tonhöhe, Lautstärke, Intonation redet, erreicht mit Sicherheit, dass bei ihm weg gehört wird. Entweder versetzt eine solche Stimme in Trance, oder erzeugt diesen Weghöreffekt, den wir bei Kindern auch häufig antreffen. Und dann wundert man sich, warum die nur bei Anderen aufs Wort gehorchen. Erst beim fünften Mal, wenn deine Stimme schon laut geworden ist, beim Schreien und Explodieren, wirst du von ihnen erstaunt angeschaut, und dein Wille erfüllt sich.

Hättest du gleich los geschrien, besser „gesungen“, dann wärst du ebenso energisch aber mit wesentlich besserer Laune ans Ziel gekommen und das Kind wäre (unverletzt) der Aufforderung nachgekommen.

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Während in Fällen, wo es ums Überleben geht, Kommando oder Befehl von dir möglicherweise, um jedem Irrtum beim Kind auszuschließen, schon von Anfang an deutlich, laut und verbindlich geschieht, lässt du vielleicht bei kritischen Fragen die Stimme neutral oder „formell“ erklingen, woraus sich womöglich eine Diskussion ergibt; wogegen Stimme senken, Raunen oder Flüstern angebrachter wären, um sich gewünschte Aufmerksamkeit zu verschaffen.

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Neugier, Humor und Fantasie weckende Stimmen sind in der Regel potentere Helfer als ein trocken oder müde wirkender Tonfall. Ungewohnte Aussprache von Wörtern, auf deren Vernehmen du größten Wert legst, kann durch Wispern und Flüstern oder das in manchen Gegenden fremde mit der Zunge gerollte R aufhorchen lassen und einen anderen Weg zur Kommunikation öffnen. Witzige Stellen gehen in der Erinnerung Ihres Kindes vor Anker, wenn deine Stimme einen Ankerplatz bietet. Schließlich kannst du mit dem Instrument Stimme in jeder erdenklichen Rolle auftreten.

© eah 2012 und 2. Dezember 2024

1 Matthäus 22,37-39


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