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Internat in Java (Indonesien)

Stelle es dir bitte vor, guter Leser.

Ein Zimmer, 3,3×3,3 Meter im Grundriss, Zimmerhöhe  über 4 Meter. Der Boden ist gefliest, die Wände Betonverputzt und gestrichen. Ein Fenster und eine Türe, welche auf den etwa 40 Meter langen und 6 Meter breiten, gestampften „Internatsweg“ geben.

An zwei Wänden sind alte, kleine, bunte Schränkchen, 11 an der Zahl. Auf einem der Schränkchen sind Bücher und Hefte aufgereiht, an den Wänden, in 3m Höhe sind Nägel, an denen hängen Schulrucksäcklein.

Und?

Das ist Freizeitraum für 9 (neun) Internatsschüler. Freizeitraum?

Ja, nämlich auch Schlafraum.

Zum Schlafen rollen die Kinder < 1cm dünne Matten aus. Kein Kissen da. Man schläft in den Tageskleidern (machen alle Menschen, die ich in Indonesien kenne).

Es ist Freitag, und an einem jeden Freitag ist das Internat zum Besuch für die Eltern offen, von 14 bis 17 Uhr.

Ich bin zu Besuch zusammen mit den Eltern eines der Kinder, welches wir unterstützen. Der Junge ist 13 und in der ersten Klasse. Es sind drei Schuljahre.

Der Unterricht beginnt um 6 und endet um 13 Uhr.

Mahlzeiten gibt es täglich zwei, um 13 Uhr nach der Schule und abends um 19 Uhr. Das Internat hat hauseigene Küche. Und des Morgens? Des Morgens gibt es nichts. Die Kinder besuchen den Unterricht mit leerem Magen.

Die Kinder sind permanent im Internat, auch über das Wochenende. In den Ferien sind sie zu Hause.

Das Schulgeld beträgt monatlich 20 Euro. Für viele Eltern nur schwierig aufzubringen, von etlichen Eltern nicht zu leisten.

Der Besuch dieser 7. bis 9. Klasse ist in Java zwingend mit Internatsbesuch verbunden. Ich fragte dies dreimal nach, und doch traue ich dieser Information noch nicht so recht.

Handphones

sind tabu. Es gibt kein Handphone auf dem Internatsareal und in der Schule. Null. Nada. Keines.

Fernseher? Null. Nix.

Es gibt einen Raum mit Komputern. Wie die Benutzung geregelt ist, habe ich nicht verstanden.

Die Schule ist geschlossen, ich kann sie nicht besichtigen. Es habe dortens Schulbänke und Stühle.

Die 13-15 Jährigen wohnen geschlechtergetrennt in zwei getrennten Internaten, der Unterricht ist gemischt geführt.

Wir, das heisst die Eltern des Jungen, unser javanesischer Chauffeur, meine javanesische Freundin nicht Partnerin. Ich erwähne das, weil von ihr immer wieder mal die Rede ist, und ich Klarheit will. Suryani und die mich besuchende Schweizer-Freundin, wir werden von den vielen Kindern unterschiedlich empfangen. Alles sind Jungs, wir sind ja im Internat der Knaben. Ein forscher Junge, schmächtig, mit blitzenden Augen, nacktem Oberköper, in javanesischem „Männerjupe“ (telanjang dada) ruft mir etwas zu. Weil ich es nicht verstehe, frage ich ihn einfach, in welcher Klasse er sei. Er kommt auf  mich zu, schlägt mir zum Grusse in die Hand. Wir plaudern. So gut und schlecht wir uns verstehen.

Einzelne sind schüchtern und verlegen, ziehen sich etwas zurück, aller Aufmerksamkeit ist auf uns gerichtet. Nicht jeden Tag kommen Bules (Bule = Weisser Ausländer).

Wir begeben uns in den beschriebenen Aufenthaltsraum, setzen uns auf den Boden, und ich frage drauflos.

In der offenen Türe (Temperatur die gewohnten 28 Grad) drängelt sich ein Dutzend Schulkollegen und verfolgen das Schauspiel. „Unser“ Junge ist ein bisschen verlegen, denn indirekt steht er nun im Mittelpunkt, und kaum ein 13 Jähriger hat es gerne, durch eine Aussergewöhnlichkeit wie in diesem Falle „Bule-Besuch“ vor Augen der Kameraden „ausgezeichnet“ zu werden

Der Forsche und zwei seiner Freunde haben es gewagt, sie sind auch in den kleinen Raum gekommen, sitzen an der Wand, und der Forsche springt schnell ein, versucht zu klären, wenn wir an Uebersetzungen knobeln (mein Indonesisch ist nach wie vor mickrig).

Ein Junge bringt uns Wasser zu trinken.

Als wir wieder auf die „Internatsstrasse“ treten, sind wir bereits ein wenig als „kein Weltwunder“ akzeptiert, doch wenn ich fotografiere, entsteht freudige Unruhe. Die Meisten wollen gerne abgelichtet werden, Einzelne sind schüchtern und verstecken sich schnell – sind aber sofort wieder da.

Ausserhalb dieses „Knabengebäudes“, auf der normalen Strasse, da sind Internatsmädchen vor einem  minikleinen Laden, allesamt züchtig mit Kopfverhüllung. Offene Gesichter, und eine Riesenfreude mit viel Geschnatter, als meine Schweizerfreundin sie fotografiert. Ein mutiges Mädchen kramt seine 7 englischen Wörter hervor, und auf die Antwort, dass wir aus der Schweiz kommen, ernten wir Kulleraugen. Das ist normal. Welches Schweizerkind weiss, wo Java ist? Ich versuchte es dann mit „Europa“, das verstanden sie. Als ich aber sagte, dass die Distanz 13’000 km sei, so war das unnütz. In Java kann ein Kilometer mal 100 Meter, mal 10km sein, man denkt kaum in solchen Schubladen.

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Vergass.

Beim Verlassen des Knabeninternates sass auf dem Seitenmäurchen des Weges ein Knabe, und das war besonders. Geschätzt ein 9.Klässler, ruhte der sicher in sich. Es fiel mir einfach auf. Er blickte uns ruhig entgegen. In angemessener Distanz begrüssten wir uns gegenseitig wortlos, uns in die Augen schauend, mit leisem Kopfsenken und leisem Lächeln. Augenhöhe. Ein besonderer Junge.

Von der Schule weiss ich nichts, ausser dass es das Fach „Musik“ nicht gebe, und dass sie nie singen täten.

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Ich hatte den Eindruck, dass sich die Kinder frei bewegen und sich natürlich froh und frei fühlen.

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Ich habe Fotos gemacht, doch kriegt mein Computergenius es nicht zuwege, sie auf dem miniweich Rechner nutzbar zu machen. Wenn ich soweit sein werde, werde ich Bilder nachreichen.

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Herzensgruss aus Java Timur, Banyuwangi.

Thom Ram, 02.03.07

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8 Kommentare

  1. Auch wenn keine Bilder dabei sind Thom, die Bilder sind sofort da bei deiner Erzählung.
    Danke daß Du uns daran teilhaben lässt.

    Und schon habe ich Schule bei uns im Kopf……
    Auch da gehen mittlerweile Kinder ohne Frühstück zur Schule, nicht nur weil sie kein Geld haben, sondern weil keine Mutter mehr da ist die ihnen Frühstück macht oder zumindest mitgibt, was unsere Mama immer machte.
    Und immer öfter ist auch kein Geld da, damit sie mit etwas im Magen zur Schule gehen können.
    Was mir aber auffiel bei den Betrachtungen des letzteren Klientel ist, daß zumindest immer Geld für Rauchwaren und alkoholische Getränke
    vorhanden ist, während Kind nix zum Beissen hat.
    Kenne einen Fall aus dem Freundeskreis, wo Kind der Mama am Ende des Monats es direkt sagte „Du kaufst Dir Tabak und wir essen 1 Woche nur Nudeln mit Sosse aus der Tüte“
    Danach ging man zur Tafel, auch keine Lösung aber besser als Billignudeln und Sosse aus Tüte von Firma Maggi und Co.

    Handys sind nicht immer tabu, werden oft sogar als Taschenrechner benutzt.
    Nur in anthroposophischen Schulen müssen sie morgens abgegeben werden.

    In Internaten herrscht hier der gehobenere Zustand, auch hier können sich normalverdienende Eltern kaum ein Internat leisten.
    Es bleibt gleich, nur die Verhältnismäßigkeit der Finanzen ist unterschiedlich.

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  2. Mujo sagt:

    @ Mariettalucia

    „Auch wenn keine Bilder dabei sind Thom, die Bilder sind sofort da bei deiner Erzählung.
    Danke daß Du uns daran teilhaben lässt.“

    Mir ging es ebenso 😉

    @ Thom

    Danke für den Einblick, und auch der Unvorstellbarkeit wie viele in einen Raum verbringen müssen. Glaube ich das es die noch gut geht. Wieviel in den Alter bereits Arbeiten um für den Familienunterhalt mit Sorgen müssen statt zur Schule gehen, dürften wahrscheinlich genauso hoch sein.

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  3. Angela sagt:

    @ ThomRam

    Zitat: „…Ich hatte den Eindruck, dass sich die Kinder frei bewegen und sich natürlich froh und frei fühlen…“

    Das ist wohl oft das Besondere an Kindern, die in Asien aufwachsen. Wir haben neulich eine Doku auf Arte von nepalesischen Kindern gesehen, sie waren so froh und frei, obwohl sie so wenig besaßen. Davor auch schon etliche Beispiele…

    Auch diese unglaubliche Rettung der Kinder und Jugendlichen aus der Höhle in Thailand wäre mit einer europäischen Mentalität wohl kaum, oder sehr viel schlechter ausgegangen.

    Da stimmt einfach etwas nicht mit unserer Lebensart, dem Anspruchsdenken und der Überflussgesellschaft. Ich finde dieses Angebot an Nahrungs-Genussmitteln, Spielzeug, Elektronik schon manchmal richtig pervers. Vor allem, wenn ich durch einen der riesigen Supermärkte gehe… Muss es wirklich 40 verschiedene Senfarten geben?

    Als Jetzt-„Rentnerin“ grins… bin ich noch ganz anders aufgewachsen und mein Mann noch viel natürlicher. Er war den ganzen Tag in der Natur, baute Baumhäuser, „kämpfte“ mit anderen gegen den Nachbarort ( harmlose Streiche), schnitzte sich Spielzeuge und war überhaupt viel kreativer und ausgefüllter.

    Ich habe oft gedacht, solch ein mittlerer Crash täte den meisten Menschen gut, allerdings würde es wahrscheinlich wieder die Falschen treffen….

    Lg von A n g e l a

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  4. Thom Ram sagt:

    Angela 22:41

    Ja. Ein klein Bisschen vom ganzen Firlefanz kann nett sein, zum Beispiel Senf auf der Wurst, oder meinetwegen sogar die Wahl zwischen 3 verschiedenen Senfsorten. Doch schon bei drei Sorten fängt es an.
    Das Mehr ist nicht nur überflüssig, vielmehr verrückt es den Menschen. Dass dies gewollt ist, ist auch klar.

    Dass ein Crash, ob gross oder klein, wahrscheinlich wieder die Falschen treffen würde, das sehe ich definitiv nicht so. Und du natürlich auch nicht. Nur oberflächlich betrachtet ist es so: Gute Menschen werden verfolgt und unterjocht und mehr. In Eselsmilch badende böse Frauen und böse Männer mit 1001 Jungfrauen überleben. Hinter alledem steht Sinn, Ordnung, kosmische Ordnung. Es gibt keine Opfer. Was hier als unschuldiges Opfer wahrlich scheint, hat sein Schicksal in seinem Lebensbuch. Und das Lebensbuch hat immer das Ganze einer Seele im Auge, das Zeitlose, welches hier in Raumzeit seine Erfahrung machen will.

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  5. Angela sagt:

    @ Thomram

    Zitat: „… Und das Lebensbuch hat immer das Ganze einer Seele im Auge, das Zeitlose, welches hier in Raumzeit seine Erfahrung machen will…“

    Ja, na klar, hast natürlich recht…. Deshalb sind eigentlich auch die 4O Senfsorten sinnvoll… 😀 irgendwann schlägt das Pendel um. Es heißt doch so schön: „Der Krug geht solange zum Wasser, bis er bricht“….

    Und manche in unserem Wohnstandsland haben überhaupt erst den DRANG, den Sinn des Lebens zu erforschen, weil sie alles andere schon so übersättigt hat. ( Betrifft natürlich nicht ALLE Menschen, auch hier nicht )

    Lg. von A n g e l a

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  6. eckehardnyk sagt:

    Es sind auch bei Shampoos, Deos, Handcremes und bei der Nahrungsergänzung viel zu viel Angebote unterwegs. Ich staune auch über soviel Friseure. Immerhin gibt es ein Kurzwarengeschäft. Und im Nachbarort eine Kräuterdrogerie.
    Doch die Frage bleibt, wo und wann lernen die Menschen das neue Denken, mit dem sie sich nähern der Wahrheit?

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  7. Thom Ram sagt:

    Mujo 22:37

    Kinder, welche arbeiten müssen, damit die Familie Reis hat, kenne ich in Bali nicht. Wohl aber eine javanesische Erwachsene, die kenne ich sehr gut, die trug damals mit 14 Jahren 50Kilo Lasten auf dem Kopf, barfuss, lange Strecken, im Dienste eines Gutsherren, damit Papa, Stiefmutter, Halbschwester und sie zu essen hatten.
    Die Schule besuchte sie ein halbes Jahr lang. Danach reichte das Geld nicht für die Schule, schon gar nicht mehr für den Reis.

    Ich werde mich künftig dem Thema vermehrt widmen, wenn ich Erfahrungen einsammeln kann.

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  8. Mujo sagt:

    Thom 22:49

    Schön zu hören das es nicht ganz so arg ist. Kenne die Situation aus Thailand, es sind allerdings weitgehend nur die Flüchtlingskinder aus den Nachbarländer betroffen wie Kambodscha oder Myanmar. Oft Bettelnd am Strassenrand, oder Junge Mütter mit Baby in Kleidungen die bei uns nur noch als Putzlumpen durchgehen würden. Meist Ilegal werden die älteren, Schätze so ab 12/14 Jahren dann ausgenutz auf Baustellen oder im Strassenbau weit unter den Preis zu Arbeiten wie Einheimische. Oder noch schlimmer in der Prostitution. Gleichzeitig machen die Behörden Jagt auf die. Darum kein festen Wohnsitz, schlafen auf unfertigen Baustellen, unter ein Paar Kartons oder unter Brücken. Ganze Familien mit Babys.
    Malaysia, Singapore oder China gibt es solche zustände nicht. Unter der Thai Bevölkerung auch selten, wenn auch nicht so Wohlhabend wie die andern Länder.

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